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Musikstudent aus Ungarn
"Ich habe eine ganz neue Welt kennengelernt"

Drei Jahre hat der Ungar Gábor Hontvári an der Musikakademie in Budapest studiert. Nach dem Bachelorabschluss ist er nach Weimar gewechselt und studiert dort das Fach Dirigieren - ein einschneidendes Erlebnis. Viele künstlerischen Impulse konnte er inzwischen sammeln, die ihn verändert haben. Doch ist für Hontvári wichtig, nicht zu vergessen, woher er kommt.

Von Peter Krause | 13.02.2017
    "Das ist eine sehr gute Sache hier in Deutschland, dass die Professoren immer darauf achten, was du machst. Das war nicht immer der Fall in Ungarn. Das ist manchmal vorgekommen, dass der Lehrer nicht zum Unterricht gekommen ist, leider."
    Natürlich war das nicht der einzige Grund, warum der 23-jährige Ungar Gábor Hontvári den Schritt nach Deutschland gewagt hat. Nach drei Jahren Musikakademie in Budapest ging er mit seinem Bachelor-Abschluss in der Tasche auch deshalb nach Weimar, weil die dortige Dirigentenschmiede einen exzellenten Ruf genießt. Kaum hatte er die Aufnahmeprüfung an der Franz-Liszt-Musikhochschule absolviert, gewann er beim Dirigier-Wettbewerb der Mitteldeutschen Hochschulen 2015 in Leipzig auch schon den ersten Preis.
    Musik: Bartók, Rumänische Tänze
    Großes Herz, kühler Kopf
    In Ungarn übernimmt der Staat zwar die Studiengebühren, allerdings muss man das Geld später wie bei einem Darlehen zurückzahlen. In Weimar dagegen sind pro Semester nicht einmal 160 Euro fällig.
    "Also die Einstellung ist ganz anders hier, die Menschen sind ganz anders hier und alles, die Methoden, die Atmosphäre, also ich habe eine ganz neue Welt kennengelernt. Wir in Ungarn, wir haben ein großes Herz und ein bisschen schlechtere organisatorische Fähigkeiten wie die Deutschen. Ich habe das einfach gespürt selber, dass ich einen sehr kalten Kopf brauche hier."
    Den braucht er auch, wenn ihn Orchestermitglieder für die konservative Haltung von Victor Orbán bisweilen persönlich verantwortlich machen.
    Musik: Bartók, Rumänische Volkstänze
    Mit der Sprache nahm Gábor Hontvári es anfangs nicht so genau. Versuchte, sich mit Englisch durchzuschlagen, sein Professor jedoch wies ihn darauf hin, dass er ohne ausreichende Deutschkenntnisse nicht sehr weit kommen würde. Also büffelte er einen ganzen Sommer lang, bis ihm auch die sprachlichen Nuancen, die sich im thüringischen Dialekt verbergen, nicht mehr entgingen.
    "Für einen Dirigenten ist das ja unglaublich wichtig, sich vielfältig auszudrücken. Und gerade deswegen habe ich sehr viel dann gearbeitet mit den verschiedenen Farben der Sprache und den verschiedenen Charakter der Sprache."
    Sprache der Klangfarben
    Doch die nonverbale Kommunikation spielt in seinem Fach eine viel größere Rolle und scheint ihm zu liegen.
    "Ich habe sehr viele Vorstellungen mit dem Klang und ich kann das auch mit den Händen sehr gut gestalten. Das ist eigentlich meine Stärke. Und ich wollte immer mitmachen. Das ist auch ganz typisch Gábor, weil ich nie wirklich dieser Diktator-Typ bin, obwohl ich ein bisschen Zack-Zack-Zack bin."
    Doch selbst, wenn er seine Sache gut macht, verblüfft ihn eines immer wieder.
    "Man kann nicht das ganze Orchester für sich gewinnen, man kann eigentlich 80 Prozent des Orchesters gewinnen."
    Gábor Hontvári liebt es, ohne Partitur zu arbeiten, alles nur aus dem Kopf zu dirigieren und vielleicht auch ein wenig dabei zu improvisieren. Die Fitness spielt dabei auch eine zentrale Rolle, allerdings fehlt ihm aufgrund des permanenten Lernens und Übens ausreichend Zeit für Sport, denn Dirigieren ist enorm anstrengend und manchmal kommt dabei auch seine ungarische Seele zum Vorschein.
    "Am Anfang war ich natürlich bisschen zu heftig für den deutschen Geschmack oder hatte zu viel Temperament sogar für ein Stück. Aber ich glaube, dass es eigentlich wichtig ist, dieses Gefühl woher man kommt, zu behalten."
    Musik: Bartók, Rumänische Tänze
    Vom Schlagzeuger zum Dirigenten
    Gábor Hontvári hat zuerst Klavier studiert, fand aber, das er als Pianist nicht besonders talentiert sei. Die Teenager-Zeit als Schlagzeuger in einer Band hat möglicherweise die Weichen für eine Dirigentenlaufbahn gestellt.
    "Es kommt ja auch vor in klassischer Musik, dass der Groove etwas fließen muss oder zumindest pulsieren muss, damit man die andere Farben, andere Linien gestalten kann."
    Musik: Bartók, Rumänische Tänze
    "Natürlich wäre ich ein ganz anderer Mensch, wenn ich in Budapest weiter studiert hätte. Also ich musste diese Entscheidung treffen. Das war auch persönlich gar nicht leicht. Aber bisher habe ich eine Sprache irgendwie gelernt, unglaublich viele Erfahrungen hier in Deutschland erhalten. Das hat natürlich meine künstlerischen Impulse sehr sehr bereichert."
    Natürlich möchte er eines Tages ein großes Orchester leiten. Aber, sollte ihm das aufgrund der großen Konkurrenz nicht gelingen, würde Gábor Hontvári wieder nach Ungarn zurückkehren um dort als Chordirigent zu arbeiten.