Dienstag, 19. März 2024

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Mutter eines Nachwuchskickers
"Der Fußball ist ein riesengroßes Wirtschaftsunternehmen"

Mentaltrainer, Ernährungsberater, Begleiter, Chauffeur: Auf die Eltern eines Nachwuchskickers kommen viele Aufgaben zu. Im Fußball gehe es um Geld und "weniger um das Individuum", sagte Susanne Amar, Mutter eines Sohnes, der viele Jahre in einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet wurde, im Dlf.

Susanne Amar im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 23.02.2019
Susanne Amar
Susanne Amar hat noch während der aktiven Zeit ihres Sohnes ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Jessica Sturmberg: Die meisten haben einen Traum, Fußball-Profi zu werden. Die Auslese ist hart, bei den Jungs ist das extrem, bei den Mädchen nicht ganz so (vielleicht noch nicht). Wenn ein junger Spieler, und mit jung ist wie gehört schon ein Alter teilweise unter zehn Jahren gemeint, als Talent ausgemacht wird, was kommt da auf die Familie des Jungen zu? Diese Erfahrung hat Susanne Amar gemacht, sie ist Mutter eines Sohnes, der viele Jahre in einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet wurde, jetzt aber aufgehört hat. Susanne Amar hat noch während seiner aktiven Zeit ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben, "Ins Netz gegangen", das soll Familien von Fußballtalenten helfen. Was war Ihre Motivation?
Susanne Amar: Ich hatte mit dem Fußball überhaupt nichts am Hut früher. Ich fand das auch keinen interessanten Sport. Wir sind über unseren Sohn an den Fußball gekommen und quasi von Jahr zu Jahr gegangen. Und jedes Jahr dachte ich eigentlich, nächstes Jahr wird er einen anderen Sport machen, dann ist das Interesse weg. Aber für ihn war das so eine große Leidenschaft, dass er einfach dabei geblieben ist. Mein Mann und ich haben ihn jedes Jahr begleitet und sind so in den Fußball-Kosmos eingestiegen und haben auf einmal auch so ein bisschen erlebt, dass wir oftmals auch so voraus Forderung standen oder so unwissend waren, was viele Dinge angeht. Gerade, wenn es darum geht, in ein Nachwuchsleistungszentrum zu wechseln. Das ist eben nicht nur der nächste Sprung, den ein junger Mensch macht oder ein Spieler oder eine Spielerin, sondern da kommen auch viele Herausforderung auf einen zu.
Anderer Anspruch auf so einem Niveau
Es wird mehr trainiert, meistens muss man die Familie danach organisieren, weil es einfach ein riesen großer Zeitaufwand ist. Urlaubszeiten sind nicht mehr so zu nehmen, wie man das vielleicht früh erkannte so nach den Ferienzeiten. Die jungen Menschen haben im Grunde zwei Wochen vor den Sommerferien schon trainingsfreie Zeit und dann beginnt auch schon wie die Vorbereitung. Also schaut man da so auch ein bisschen als Familie, wie man das machen kann. Und dann ist natürlich auch einfach der Anspruch auf so einem Leistungsniveau ein anderer. Es ist dann auch schon mehr Wettbewerb unter den Spielern. Man möchte natürlich auch mit zu den guten Spielern gehören.
Wenn man verletzt ist, hat man nicht nur die Verletzung, mit der man kämpft, sondern auch so ein bisschen die Sorge, ist vielleicht mein Stammplatz oder mein Platz nachher weg. Das sind alles so Dinge. Vom Begleiter als Elternteil wird man auch schnell zum Mentaltrainer, zum Ernährungsberater, zum Chauffeur - also da kommen ganz viele Aufgaben auf einen zu. Und ich habe gemerkt, dass ich da viele Fragen hatte. Da ich aber von Haus aus Journalistin bin, weiß ich wo ich mir so ein bisschen die Antwort holen kann. Aber das geht ja eben nicht allen Menschen so. Da war so mein Ansatz, das Wissen, was ich mir eben angeeignet habe in diesen 13 Jahren, das wollte ich auch ganz gerne anderen zu Verfügung stellen. Ich habe darüber ein Buch geschrieben, eben auch aus der Sicht einer Mutter - das es bis dahin ebenso noch nicht gab.
Jessica Sturmberg: Was ist denn das Wichtigste, was Sie anderen Müttern und Vätern mit auf dem Weg geben würden?
Amar: Ich finde das Wichtigste ist, dass der Spaß nicht verloren gehen darf. Also beim Spieler/Spielerin genauso wie bei den Eltern. Und ganz wichtig ist, dass es immer klar sein sollte wer den Sport ausübt. Das sind eben die Kinder. Unsere Kinder und das sind nicht wir Eltern. Was ich damit sagen will ist, sicherlich gibt es Väter, Mütter, Großeltern, die da so ein bisschen mehr drin sehen im Sport des Enkels, des Sohnes oder der Tochter. Aber sich mal so ein bisschen zu hinterfragen, was ist denn das, was mich da vielleicht so triggert oder was mich anstößt, dass ich gerne möchte, dass mein Kind erfolgreich ist in dem Sport.
"Es geht darum, was möchte mein Kind"
In uns Eltern steckt ja drin, dass wir glückliche Kinder haben möchten, die natürlich auch erfolgreich sein sollten. Aber zu hinterfragen, was sind denn so bestimmte Dinge, die mir da gerade so wichtig sind. Und das vielleicht auch ganz ehrlich zu beantworten, und dann auch zu sehen, es geht immer noch darum, was möchte denn mein Kind, was den Sport angeht. Auch wenn es um Vereinswechseln geht oder des Nachwuchsleistungszentrums geht, wirklich genau hin zu gucken, wer möchte diesen Wechseln und weiß derjenige auch Bescheid, was da so auf ihn zukommt. Da meine ich den Spieler genauso wie die Eltern.
Sturmberg: Sind Sie mit Spielerberatern in Kontakt gekommen?
Amar: Mit dem klassischen Spielerberater nicht. Was wir gemacht haben, weil wir damals zu viele offene Fragen hatten, was so das Nachwuchsleistungszentrum anging und wieder keine Antworten bekommen haben von Seiten des Vereins, gab es einen Mitarbeiter meines Mannes, der selber Spieler und Trainer war, der uns dann in der Zeit so ein bisschen unter die Arme gegriffen hat. Und uns als Eltern genauso wie eben unseren Sohn begleitet hat. Wir haben ihn ein bisschen als Mentor gesehen, der ihn dann eben durch die letzten vier Jahre mit unterstützt hat. Aber jetzt so den klassischen Spielerberater, da haben wir eigentlich nichts damit zu tun gehabt.
"Es geht um Geld"
Sturmberg: Wenn Sie das jetzt hören, der FC Chelsea bekommt eine Transfersperre, weil er zuviel mit Minderjährigen Verträge abgeschlossen hat, die offensichtlich nicht den Regularien entsprachen, was denken sie dann?
Amar Der Fußball ist ein riesengroßes Wirtschaftsunternehmen und es geht um Geld. Es geht da weniger um das Individuum an sich, sondern es geht darum, so viel wie möglich zu verdienen an dem Einzelnen. Natürlich auch immer so ein bisschen die Sorge, ein anderer Verein kann mir vielleicht den Spieler oder das Talent wegnehmen und er könnte woanders eben erfolgreicher sein. Ich glaube, es hat sich so eine Spirale entwickelt was den Fußball angeht, dieses monetäre, was auch gar nicht mehr wirklich so aufzuhalten ist. Wenn man über den Tellerrand hinweg guckt, also sich Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern anguckt, da zu sagen, wir machen da nicht mit, ist mittlerweile wahnsinnig schwer und eigentlich gar nicht möglich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.