Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Mysterienspiel von Elche
Mariengeschichte mit sagenhafter Vergangenheit

Der 1000-jährige Palmenwald von Elche – der einzige in ganz Europa – ist ein Touristenmagnet. Anders als das Mysterienspiel der 230.000-Einwohner-Stadt nahe Alicante. Dabei gehört auch das zum UNESCO-Welterbe - und hat eine einzigartige Geschichte.

Von Katrin Kühne | 16.11.2014
    "Einer Legende nach wurde der Text vom 'Misteri' am Strand in einem Sarg gefunden. Im Sarg war nicht nur der Text, sondern auch eine Statue, ein Bild von Maria. Maria Himmelfahrt, die heutige Schutzpatronin von Elche."
    Das Wunder soll sich im Jahre 1370 an der Playa Tamarid, dem Tamarindenstrand, unweit der Stadt Elche zugetragen haben. An der südspanischen Costa Blanca, weiß Antonio Frutos Fernández weiter zu berichten. Er ist ein großer Fan des berühmten "Misteri de Elche", das seit 2001 zum Immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Die heute verwendete Fassung des mittelalterlichen Mysterienspiels stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist in der regionalen Sprache 'Valenciano' verfasst, einer Spielart des Katalanischen.
    Seit dem späten Mittelalter wurde es zu Maria Himmelfahrt aufgeführt, seit dem vorigen Jahrhundert zusätzlich an Allerheiligen. Die Vorstellungen finden in der prachtvoll-hochbarocken Basilika Santa Maria von Elche statt.
    In der Casa de la Festa wird kurz vor Beginn noch fleißig geübt. Knapp dreihundert engagierte Laienkünstler, Sänger, Priester, Schneider, Bühnenmaler, Friseure wirken an dem rund drei Stunden dauernden Stück über Tod, Himmelfahrt und Krönung der Muttergottes mit.
    Geleitet werden die Sänger von einem professionellen Mestre de Capella, José Antonio Román. Er wird später auch einen der Apostel singen und diskret das Ensemble auf der 'Cadafal' genannten Bühne in der Mitte der Kirche leiten.
    "Der Ursprung des 'Misteri' ist spirituell und religiös. Im Laufe der Jahrhunderte hat das mittelalterliche Spektakel natürlich auch eine ästhetische und musikalische Entwicklung genommen. Ich bin sehr froh und gerührt, dass ich mit meiner Arbeit als Musikalischer Leiter zu diesem Ereignis beitragen kann."
    Im Zimmer nebenan üben die Engel für ihren Auftritt. Da Frauen in früheren Jahrhunderten nicht in der Kirche auftreten durften, singen bis heute Knaben ihre Rollen. Auch die Drei Marien, "La Virgen" und ihre zwei gleichnamigen Cousinen, Maria Salome, Maria Jacobi werden von Jungen dargestellt.
    Das einzige seit dem 15. Jahrhundert kontinuierlich aufgeführte Mysterienspiel der Welt
    Der zwölfjährige Manu Abad singt bereits seit vier Jahren die Jungfrau Maria und ist immer noch begeistert. Auch einen der mit Theatermaschinen herabschwebenden Engel spielt er. Angst hat er keine, meint der kleine Sänger. Er habe ja die beste Versicherung der Welt – den Beistand der Jungfrau Maria!
    Das Spiel beginnt mit dem Auftritt der Drei Marien. Über den 'Andador', eine ansteigende Rampe im Mittelschiff, erreichen sie die Bühne unter der Kuppel von Santa Maria, die in 10/15 Metern Höhe von einer leuchtend bemalten Leinwand abgedeckt ist. Dahinter verbergen sich die drei barocken Theatermaschinen, die von Hand bedient werden und die vertikale Sphäre des Himmlischen repräsentieren.
    Da gleitet der erste Flugapparat, "La Mangrana", unter großem Getöse herab. Die acht Flügel des roten Granatapfels öffnen sich und es entsteigt ihm ein kleiner Engel, der Maria ihren baldigen Tod verkündet. Nachdem der Mangrana nach oben entschwunden ist, wird die zweite Flugmaschine, der "Araceli", besetzt mit fünf singenden und Gitarre-spielenden Engeln, heruntergelassen und nimmt unter lautem Beifall die Seele Marias in Form eines Figürchens in die Himmelskuppel hinauf. Damit schließt der erste Akt des 'Misteri'. Der zweite Akt, die "Festa" erzählt die Geschichte der Himmelfahrt Marias und ihrer Krönung.
    Höhepunkt ist das Zusammentreffen des "Araceli", der eine Marienstatue von der Bühne aufgenommen hat, Symbol dafür, dass auch ihr Körper gen Himmel aufsteigt und der dritten der Theatermaschinen. Das ist "La Trinitat", die Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Nun lässt der Priesterdarsteller des Ewigen Vaters eine goldene Krone zum "Araceli" hinunter. Die Krönung der 'Virgen' als Himmelskönigin ist besiegelt. Goldflitter regnet auf Bühne und Zuschauer. Unter Klatschen, Glockengeläut, Feuerwerksdonner schweben "Araceli" und "Trinitat" mit ihren Besatzungen in den Kirchenhimmel.
    Das einzige seit dem 15. Jahrhundert bis heute kontinuierlich aufgeführte Mysterienspiel der Welt, das "Misteri de Elche" ist zu Ende.