Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Mysteriöse Schwarzerden im Rheinland

Archäologie. - Nicht erst seit der jüngeren Geschichte greift der Mensch tief in seine Umwelt ein und verändert sie: bereits vor Tausenden von Jahren setzten europäische Bauern Verfahren ein, um die Natur zu ihrem Nutzen zu gestalten. Ein Beispiel dafür sind Schwarzerdenfunde bei Köln.

Von Anne Preger | 12.09.2006
    Renate Gerlach ist nach Eschweiler gefahren. Sie parkt an einem Feldweg und geht zum Rand einer langen Baugrube. Zwischen Getreidefeldern wird hier eine Gasleitung von Aachen nach Köln verlegt.

    "Ja, wir sehen einen künstlichen Kanal, der so etwa 2,20 Meter tief ist, mit ziemlich schönen geraden geböschten Wänden, der Durchmesser ist so ein bis zwei Meter hier oben. Das Rohr, das dort rein verlegt wird, liegt schon am Rand…"

    … sagt die Forscherin vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege in Bonn. Mit geowissenschaftlichen Methoden ist sie dem Menschen aus der Frühgeschichte auf der Spur. Auf der anderen Seite des Gasleitungsgrabens verschiebt ein gelber Bagger Erdreich. Renate Gerlach deutet begeistert auf die gegenüberliegende Grabenwand: Mit neonpinken Ziffern sind dort seltsame Flecken nummeriert. Sie sind deutlich dunkler als das hellbraune Erdreich.

    "Das ist eben ein völlig anderes Bodenmaterial, das aber eindeutig alt ist, wir sehen das an den ganzen Trockenrissen, die da durch gehen. Das ist also nichts, was jetzt aus den letzen 100 bis 200 Jahren stammt. Das ist eine ganz alte Grube, die dort drin ist. In dieser Grube steckt eben das Oberbodenmaterial aus der Zeit, in der die Grube verfüllt worden ist. Und das ist schätzungsweise hier eine Grube, die mindestens 5000, 6000 Jahre alt ist. "

    Über 500 solcher schwarzen Gruben hat man in den vergangenen Jahren im Rheinland gefunden. Zuerst dachten die Wissenschaftler, die Gruben seien natürlich entstanden. Als aber immer mehr solcher Gruben sichtbar wurden, stutzten Renate Gerlach und ihre Kollegen. Wiederkehrende Formen und die häufige Nähe zu alten Siedlungsplätzen deuteten darauf hin, dass hier der Mensch seine Finger im Spiel hatte. Die Forscher suchten nach Spuren wie Tonscherben, Abfällen oder bearbeiteten Steinen, aber ohne Erfolg. Bei Analysen im Labor stießen die Bodenkundler auf mikroskopisch kleine Kohlereste – die Überbleibsel von Bränden.

    "Feuer aber in unseren mitteleuropäischen Laubwaldbreiten heißt: Mensch. Hier brennt dauerhaft und in diesem Maße nichts, ohne dass der Mensch nicht zündelt. "

    Wann der Mensch Feuerteufel gespielt hat, verrät der Anteil an radioaktivem Kohlenstoff in den Kohleresten. Je älter das Material, desto weniger radioaktiver Kohlenstoff ist noch enthalten. Das Ergebnis der Datierung: Schon vor 10.000 Jahren legten Menschen Brände und hörten damit bis ins Mittelalter hinein nicht auf.

    "In der Landwirtschaft ist das eben ein ganz probates Mittel, um den Boden von Unkraut freizuhalten, um den Boden zu düngen, um den Boden aufzuheizen. Allein, dass wir dort dann eine schwarze Holzkohleschicht dann oben haben, das ist also ein ganz einfaches, effizientes Mittel, um Freiflächen für das Vieh oder eben um gute Ackerböden zu schaffen."

    Überbleibsel der Holzkohleschicht finden sich nicht nur in den alten Gruben, sondern auch in schwarzen horizontalen Streifen an der Wand des Gasleitungsgrabens. Dieser so genannte Horizont ist charakteristisch für Schwarzerden. Diese Böden sind besonders fruchtbar. Bisher gingen Bodenkundler davon aus, dass Schwarzerden nur natürlich entstehen und zwar unter trockenem Klima wie in nordamerikanischen oder russischen Steppen. Die rheinischen Schwarzerden passten also nicht so recht in dieses Bild, denn im Rheinland war es viel zu feucht und warm. Hier schuf der Mensch die Schwarzerden, indem er immer wieder Feuer legte. Der schwarze horizontale Streifen ist damit erklärt, aber die benachbarten schwarzen Gruben geben immer noch Rätsel auf: Es ist nicht klar, wofür Bauern in der Jungsteinzeit auf ihren Äckern diese Löcher gegraben haben.

    "Hier können wir uns verschiedene Szenarien vorstellen: Dass man zum Beispiel diese Löcher anlegt, um bestimmte Wachstumsbedingungen zu schaffen. Hier in diesen Löchern können sich Nährstoffe und Wasser ansammeln. Diese Löcher können auch schlicht dadurch entstanden sein, dass man versucht hat, die allgegenwärtigen Schädlinge wie Mäuse oder andere Nager zu bekämpfen. "

    In wenigen Tagen wird in Eschweiler das Gasleitungsrohr abgesenkt und eingebuddelt. Die Schwarzerdegruben sind bis dahin alle vermessen. Dann ziehen die Archäologen weiter entlang der Gasleitung – auf der Suche nach neuen Gruben.