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Nach angekündigtem Rückzug
Tichys Problem ist nicht die Erhard-Stiftung

Roland Tichy will den Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung abgeben. Der Publizist war in die Kritik geraten, weil einer seiner Autoren in seinem Magazin „Tichys Einblick“ eine Politikerin beleidigt hatte. Das Problem ist aber nicht die Stiftung, sondern Tichys Arbeit als Journalist, kommentiert Stefan Fries.

Von Stefan Fries | 24.09.2020
Der deutsche Publizist Roland Tichy spricht am 09.05.2016 auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig (Sachsen).
Der deutsche Publizist Roland Tichy im Mai 2016 auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig (Sachsen). (dpa / picture alliance / Jan Woitas)
Es ist erstaunlich, wie lange es gedauert hat, bis Tichys Unterstützer erkannt haben, wen sie 2014 zum Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung gewählt haben.
Als Tichy 2017 in seinem Online-Meinungsmagazin "Tichys Einblick" einen Gastbeitrag veröffentlichte, in dem "grün-linke Gutmenschen" als "geistig-psychisch krank" bezeichnet wurden, kündigte niemand seine Mitgliedschaft. Vielleicht, weil Tichy den Artikel zurückzog.
Unseriös hat er aber immer wieder agiert – und damit nicht nur der Stiftung einen schlechten Dienst erwiesen, sondern vor allem dem Journalismus. Tichy und seine Autoren schreiben etwa über Flüchtlinge, Kriminalität von Migranten, Terrorismus, Islamismus und die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Doch einige Artikel des selbsternannten "Meinungsmagazins" basierten auf grob fehlerhaften oder gar nicht erst angestellten Recherchen. Meinung zählt oft mehr als Fakten, ist der Eindruck.
"Hetze und Falschbehauptungen"
So hieß es 2016, dass der Düsseldorfer Rosenmontagszug nicht wegen schlechten Wetters abgesagt wurde, sondern aus Angst vor einem islamistischen Anschlag. Was falsch war. 2017 stellte Tichy die Bischöfin Margot Käßmann als Rassistin dar, indem er eine ihrer Aussagen verdrehte. 2018 erfand einer seiner Autoren "Fake News" beim ZDF und angebliche Ermittlungen gegen Seenotretter, die er damit belegte, dass ihm niemand widersprochen habe.
Ein anderer verbreitete Falschinformationen über eine Broschüre zum Thema Rechtsextremismus. Im Rechtsstreit um einen Artikel über die durchaus problematischen Medienbeteiligungen der SPD stellte sich Tichy als Opfer dar, dabei war er Täter.
Die Grünen-Politikerin Claudia Roth ordnete "Tichys Einblick" in einem Interview neurechten Plattformen zu, "deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht". Tichy klagte, aber Gerichte ließen das als zulässige Meinungsäußerung durchgehen.
Tichy und seine Autoren schaden dem Journalismus
Das Problem ist also nicht Roland Tichy als Stiftungsvorsitzender. Jeder andere, der in dieser Position so agiert oder entsprechendes Agieren verantwortet hätte, wäre ebenfalls für die Stiftung untragbar gewesen. Mal davon abgesehen, dass sich ein solches parteiisches Amt ohnehin nicht mit der unparteiischen Rolle eines Journalisten verträgt. Dass Tichy nicht wieder als Stiftungsvorsitzender antritt, ändert aber wohl nur wenig.
Das Problem ist Roland Tichy als Publizist, der behauptet, Journalismus zu betreiben, aber oft gegen dessen Grundsätze verstößt. Ja, die Pressefreiheit lässt meistens zu, was Tichy und seine Autoren schreiben – dazu gehört auch die Verbreitung von Falschinformationen. Aber sie schaden dem Journalismus, weil sie zwar so aussehen, aber eben kein Journalismus sind.