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Nach Aus für "Dark Posts"
Wofür "Bild", "Stern" und Co. bei Facebook werben

Durch die neue Transparenz-Bemühungen von Facebook ist nun einsehbar, welches Unternehmen beim sozialen Netzwerk welche Werbung schaltet. So lässt sich auch nachverfolgen, mit welchem Content "Bild", "Stern" oder "Brigitte" Klicks generieren wollen - mit interessanten Ergebnissen.

Von Matthias Finger | 10.07.2018
    Darum starrt dein Hund dich an, während er ein Häufchen macht: So lautet die Überschrift eines Artikels auf "Brigitte"-Online.
    Darum starrt dein Hund dich an, während er ein Häufchen macht: Per Überschrift zum Facebook-Erfolg? (Deutschlandfunk / Michael Borgers)
    Lästige Werbeanzeigen gibt's bei Facebook wie Sand am Meer - für besonders günstige Gleitsichtbrillen - nur, weil ich irgendwann mal irgendwo kurz nach Brillen gesucht habe - bis zur ganz bestimmt weltweit allerbesten Federkernmatratze. Und gerne knallen einem auch sehr laute Anzeigen entgegen, wie die vom "Stern": "Sexskandal und Saufgelage! Pitbull beißt Frau in U-Bahn! 50-Jährige geht mit Geschwür am Po zum Arzt - und stirbt kurze Zeit später!"
    Das hebt die Laune am Frühstückstisch - als Einstimmung auf den Tag. Fährt der "Stern" also gerade eine ganz besonders brutale Guten-Morgen-Kampagne? Das lässt sich leicht überprüfen; direkt auf der Facebookseite vom "Stern", unter dem neu geschaffenen Menüfeld "Seiteninfo und Werbung". Links, ganz unten - Facebooks Transparenzoffensive sei Dank. Und siehe da: 50 aktive Werbeanzeigen fährt das Blatt gerade auf Facebook - zum Teil weniger brachial. Solche Einsichten in das Verhalten von Werbetreibenden sind Nebeneffekte. Denn eigentlich reagiert Facebook mit der Transparenz-Kampagne auf massive Kritik daran, dass auf Facebook politische Inhalte ohne jede Kontrolle und komplett intransparent verbreitet werden können.
    "Facebook zeigt dir alle aktiven Werbeanzeigen, die diese Seite aktuell auf Facebook, Instagram und in anderen Produkten der Facebook-Unternehmen geschaltet hat. Ziel ist es, mehr Transparenz bei Werbung zu schaffen", schreibt das Unternehmen. Hintergrund ist, dass ganz bestimmte US-Bürger während des Präsidentschaftswahlkampfs vor zwei Jahren Werbung für Donald Trump angezeigt bekamen; Werbung, die allem Anschein nach von Russland aus geschaltet wurde. Für alle einsehbar waren diese Anzeigen nicht: Facebook als Black Box. Das soll sich ändern: Wer politische Werbung postet, wird registriert. Außerdem müssen alle Werbetreibenden all ihre Anzeigen frei zugänglich machen.
    Eine Idee: Das Archiv mit Werbeanzeigen fluten
    Außerhalb des Politikbetriebes schürt das Ängste, erklärt Facebook-Werbeguru Lars Budde. "Es gibt durchaus Märkte, in denen der Kampf um die Kunden so drastisch ist, dass die Offenlegung der Anzeigen einen unmittelbaren Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens haben kann. Ich vermute gerade jetzt in den nächsten sieben bis 14 Tagen werden sich vor allem Werbetreibende anschauen, was andere Werbetreibende auf der Plattform schalten."
    Bald würden Tools die Veränderungen erfolgreicher Anzeigen analysieren und Hinweise für andere Kampagnen liefern, glaubt Lars Budde. Eine mögliche Reaktion der Betroffenen sieht so aus: "Ich flute quasi dieses Anzeigenarchiv mit Werbeanzeigen, die mit wenig Budget oder vielleicht auch mit wenigen Impressionen ausgeliefert werden. Ich erstelle Anzeigen, um Wettbewerber hinters Licht zu führen, damit der nicht erkennen kann, welche Anzeigen bei mir die erfolgreichen sind", sagt Social-Media-Werbeexperte Florian Litterst. Das Nachrichtenportal BusinessInsider, beispielsweise, hat 2300 aktive Anzeigen.
    Und der Deutschlandfunk? Schaltet gar keine Werbung auf Facebook. "Spiegel" und "Bild" bewerben hauptsächlich eigene Aboformate. Eine sinnvolle Sache, findet Lars Budde, weil durch die Anzeigen Geld reinkommen kann: "Ein Unternehmen wie Axel Springer - mit einem Modell wie 'Bild+' - kann auch Werbeanzeigen für dieses 'Bild+'-Modell schalten. Wohingegen sich eine reichweitenstarke Publikation, wie Focus-Online, darauf konzentrieren muss, einfach nur sehr günstig auf die eigene Seite zu lotsen und idealerweise den Nutzer über viele Seitenaufrufe hinweg auf der eigenen Seite halten."
    Klickköder trotz Transparenzoffensive
    Fraglich, ob die Werbeerlöse auf der eigenen Webseite höher sind als die Kosten für die Anzeigen auf Facebook, mit denen die Kunden geangelt werden, meint Budde. Für maximale Klickzahlen wird meist nicht mit tiefschürfenden Geschichten geworben, sondern mit reißerischen Überschriften: "Die peinlichsten Höschenblitzer! Robbie Williams: Hat er Autismus oder das Asperger-Syndrom? Darum starrt dein Hund dich an, während er ein Häufchen macht."
    Solche Klickköder werden uns wohl nicht erspart bleiben - trotz Transparenzoffensive. Wir kriegen nur mit wer sie streut - in diesem Fall war es die "Brigitte". Einsehbar auf der Facebookseite der Zeitschrift - unter dem Menüpunkt "Seiteninfo und Werbung".