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Nach Brüssels Pfeife? - Teil 4
Von Financial Fairplay und Spieleragenten

Der Sport ist nicht politisch? Wohl kaum, die Entstehung des "Financial Fairplay" oder die Roller der Spieler-Agenten sind Beispiel dafür, dass die Europäische Union sportpolitische Prozesse beeinflusst.

Von Bastian Rudde | 18.05.2014
    Im Juli 2009 wird die Fußball-Welt Zeuge einer Mega-Inszenierung, arrangiert von Real Madrid. Für 94 Millionen Euro hat der Verein Cristiano Ronaldo gekauft – und der damals teuerste Fußballer der Welt wird mit allem denkbaren Pomp empfangen. Vor 80.000 Zuschauern im Bernabéu-Stadion sagt Ronaldo, dass für ihn ein Traum wahr wird. Und dann, alle zusammen: Ein Hoch auf Real Madrid!
    Ronaldo sagt ins Mikrofon: „Uno, dos, tres!" Das Publikum antwortet: „Hala Madrid!"
    Die pompöse Präsentation von Cristiano Ronaldo im Jahr 2009 ist allerdings nicht nur ein Moment, in dem millionenschwere Fußball-Träume wahr werden. Es ist auch ein Moment, dem ein gewisser sportpolitischer Aspekt innewohnt. Denn etwa zur selben Zeit beginnt der europäische Verband UEFA, ein Projekt auf den Weg zu bringen, das sich kritisch mit horrenden Ausgaben für Transfers und Spielergehälter auseinandersetzt: das Financial Fairplay – eine Art Schuldenbremse für Vereine. Gerne stellt die UEFA dieses oft gelobte Reformvorhaben als ihr Baby dar. Doris Pack hat das im Deutschlandfunk aber schon früh relativiert. Die Vorsitzende des Sport-Ausschusses im EU-Parlament sagt, dass Financial Fairplay auch durch politischen Druck Form angenommen hat.
    "Also ich glaube, hier auf europäischer Ebene haben wir – sowohl die EU als auch das europäische Parlament – in vielen, vielen Diskussionen und Anhörungen darauf hingewiesen, da muss was gemacht werden. Ich glaube, es war ein sanfter Druck und ein Bohren dicker Bretter. Und die UEFA hat sich ja dann bemüht und hat sich ja dann diese Fairplay-Regel gegeben."
    "Und deswegen gibt es das Financial Fairplay überhaupt. Weil nämlich die UEFA befürchtet: Wenn sie nicht selber aktiv geworden wäre, dann werden es andere!"
    Sagt Jürgen Mittag vom Institut für europäische Sportentwicklung an der Sporthochschule Köln. Er ist überzeugt: Hinter dem Regelwerk der UEFA steckt auch die Befürchtung, dass sich die EU-Institutionen oder die Staaten regulierend im Fußball einmischen.
    "Das hätte also von staatlicher Seite letztendlich also dazu geführt, hier vielleicht eine Intervention über die finanzielle Schiene in die Wege zu leiten. Allein die Drohung, als Damoklesschwert sozusagen einer drohenden Intervention, um die UEFA aktiv werden zu lassen."
    Das politische Damokles-Schwert, es schwebt auch über anderen Bereichen des Spitzensports – etwa über den Spieler-Agenten. Ein von Verbänden eher vernachlässigtes Thema, das seit einigen Jahren auch auf EU-Ebene diskutiert wird, sagt Yves Le Losteqcue, Chef der Sport-Abteilung der Kommission.
    "We consider that it is a field where clearly we need more transparency and more ethics. So we are happy to see that some sport organizations try to put some order in this profession. But we also consider that most of the answers are outside the Commission and in the member-states in the sport-movement itself."
    "Spieler-Agenten – das ist ein Feld, in dem es deutlich mehr Transparenz und mehr Moral geben muss. Deswegen freuen wir und, dass einige Organisationen versuchen, etwas Ordnung darein zu bringen. Wir denken aber auch, dass die Kommission selbst keine Antworten geben kann. Das ist Sache der Staaten oder des Sports selbst."
    EU-Politik im Spitzensport ist meistens eine Politik des kritischen Fingerzeigs: Themen eine Bühne geben, Druck erzeugen. Professor Mittag von der Sporthochschule Köln glaubt, dass das in den letzten Jahren Wirkung gezeigt hat und dass internationale Sportverbände zunehmend den Schulterschluss mit der EU suchen. Schlichtweg, um sicher zu sein, dass sie und ihre Mitgliedsverbände sich innerhalb europäischer Gesetze bewegen und keine Einmischung fürchten müssen. Autonomie durch Dialog.
    "Dass, was man gemein als Lobbyarbeit bezeichnet. Aber durchaus im positiven Sinne, dass man Informationen offen legt, die sonst vielleicht gar nicht offen behandelt worden wären. Und dass durch diese Form der Kommunikation und des Austausches es eben dann auch zu einer anderen Form der Politikgestaltung kommt als es noch vor zehn, 15 Jahren der Fall war."
    Mit dem Lissabon-Vertrag von 2009 hat das aber kaum etwas zu tun. Darin ist der Sport zwar zum ersten Mal primär-rechtlich verankert, das gibt der EU mehr Handlungsspielraum. Aber: Der ist weiter eingeschränkt.
    "Dahingehend, dass die Kompetenzen, die in Artikel 165 verankert sind, letztendlich die schwächsten Kompetenzen sind, die auf europäischer Ebene vorstellbar sind. Dahingehend, dass die Europäische Kommission zwar koordinieren kann, aber keinerlei harmonisierende und keinerlei rechtsetzende, verbindliche Entscheidung treffen kann."
    Was sie durch die rechtliche Verankerung aber kann: Sie kann Geld ausschütten, um Sportprojekte unmittelbarer zu finanzieren - etwa durch „Erasmus +". Ein neues Vorzeige-Bildungsprogramm, aus dem jetzt jährlich im Schnitt etwa 30 Millionen Euro in den Sport fließen sollen. Etwa, um den Anti-Doping-Kampf zu fördern, in der Forschung oder der Prävention. EU-Mann Le Lostecque:
    "Our role is no longer just to make statements or recommendations or to give advice. We now have a tool, and this tool, is Erasmus +."
    "Unsere Rolle ist jetzt nicht mehr nur, Stellungsnahmen oder Empfehlungen abzugeben. Wir haben jetzt auch ein eigenes Werkzeug."
    Das Programm zielt generell eher auf Initiativen im Breitensport ab. Der ist in der EU-Politik bis jetzt etwas auf der Strecke geblieben, sagt Jürgen Mittag.
    "Und da fragt sich eben der Breitensportler: Was habe ich mit der Europäischen Union zu tun? Da sieht man die Europäischen Aktivitäten erst in Ansätzen. Und da fängt die Kommission auch gerade erst an, die gesundheitsfördernde Wirkung des Sportes als ein Thema zu protegieren und durchzusetzen."
    Wenn das keine sportpolitische Herausforderung für die Zukunft ist, was dann? Und wenn man annimmt, dass jede Spitze eine breite Basis braucht, hat der Ruf nach mehr Breitensportförderung auch etwas mit dem Spitzensport in der EU zu tun.