Mittwoch, 27. März 2024

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Nach dem Attentat von Köln
"Nicht nur mit Empörung und Betroffenheit reagieren"

Nach der Messerattacke auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker hat Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, härtere Gesetze gegen rechten Terror und Gewalt gefordert. Man dürfe "nicht nur mit Empörung und Betroffenheit reagieren", sondern müsse auch Gesetze verschärfen, sagte er im DLF.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Bettina Klein | 19.10.2015
    Porträtbild ovn Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds
    Gerd Landsberg ist Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (Imago/ Metodi Popow)
    Die Kommunalpolitik brauche den Schutz des Staates, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes weiter. Er forderte unter anderem eine zentrale Stelle, bei der Drohmails und Hasskommentare gesammelt werden sollten. Außerdem forderte er Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dazu auf, Politiker durch härtere Gesetze besser gegen rechte Drohungen und Gewalttaten zu schützen.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Ein Mordanschlag gegen eine Kommunalpolitikerin hat am Wochenende nicht nur die Stadt Köln, sondern viele Menschen in der Bundesrepublik erschüttert. Was sagt dieser Anschlag aus über das politische Klima hierzulande? Das habe ich heute Morgen Gerd Landsberg gefragt. Er ist Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Ich habe ihn gefragt: Sind Kommunalpolitiker derzeit hierzulande in Gefahr?
    Gerd Landsberg: Ich würde das eindeutig bejahen. Diese Hass-Kriminalität in der politischen Auseinandersetzung hat natürlich in der Messerattacke hier in Köln einen traurigen Höhepunkt erreicht. Wir erleben, dass Bürgermeister, Landräte bedroht werden, ihre Familienangehörigen werden drangsaliert und eingeschüchtert. Das hat teilweise, das ist ja bekannt, auch schon zu Rücktritten geführt. Auf den Demonstrationen werden Galgen und Guillotine gezeigt, an Rathäusern gibt es Schmierereien. Unsere Einsatzkräfte, Polizei, Feuerwehr, werden angegriffen, beleidigt und verletzt. Das ist einfach eine Zunahme von aggressiver Gewalt und ich glaube, Politik darf da nicht nur mit Empörung und Betroffenheit reagieren.
    Klein: Was folgt für Sie daraus, welche Forderung?
    Landsberg: Ich glaube, wir brauchen einen Aktionsplan von Bund und Ländern, in dem die notwendige Null-Toleranz des Staates auch rechtlich und tatsächlich umgesetzt wird. Ich will mal ein paar Maßnahmen sagen. Wir müssen das Strafgesetzbuch verschärfen. Wer aus Hass etwas anzündet, muss härter bestraft werden als der, ich nenne das mal, normale Brandstifter. Wir sollten meiner Ansicht nach auch einen Straftatbestand des Politiker-Stalkings einführen, also diese Art, wie die Leute, die Kommunalpolitiker teilweise bedroht werden. Da - so nennt man das - begleitet man die Kinder zur Schule, da steht man am Privathaus herum. Das ist natürlich möglicherweise ein Fall der Bedrohung im Sinne des Strafgesetzes, aber ich glaube, da brauchen wir eine klare Botschaft des Strafgesetzgebers. Herr Maas sollte da mal überlegen, was man da machen kann. Last but not least - das ist vielleicht sogar noch wichtiger: Wir bräuchten eine zentrale Stelle, wo man diese Droh-Mails hinschicken kann. Ich will mal ein eigenes Beispiel nennen. Ich habe übrigens in einem Interview des Deutschlandfunks vor einigen Tagen gesagt, man sollte die Flüchtlinge in die Verwaltung ihrer Einrichtung mit einbeziehen und vielleicht dann auch ein Taschengeld bezahlen. Dieser Satz "Taschengeld" hat zu Mails geführt. Das ging von unverschämt bis beleidigend über bedrohend und da müsste es eigentlich eine zentrale Stelle geben, wo man das hinschicken kann, die dann auch schaut, steht da ein Netzwerk hinter.
    Klein: Sicherlich eine seltsame Vorstellung, Bodyguards mit auf den Weg auf einen Wochenmarkt zu schicken. Auf der anderen Seite gibt es eine reale Bedrohung. Sehen Sie auch die Gefahr, dass sich Kommunalpolitiker möglicherweise zurückziehen, eben aus Angst vor solchen Angriffen, vor denen sie nicht geschützt werden können?
    Landsberg: Das hoffe ich nicht. Bisher ist das auch nicht so. Ich meine, jedes öffentliche Amt hat ein gewisses Risiko. Das wissen auch die Kommunalpolitiker. Deswegen erwarten wir ja auch, dass der Staat hier präventiv tätig wird. Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist das natürlich nicht auszuschließen, dass jemand sagt, na, da gehst Du mal lieber nicht hin, sei mal lieber vorsichtig, wer weiß was passieren kann, und genau da muss die Null-Toleranz des Staates einsetzen. Die Kommunalpolitik braucht den Schutz des Staates. Wir sind nun mal der Kern der Demokratie. Wenn sie vor Ort nicht funktioniert, funktioniert sie auch in Düsseldorf und Berlin nicht.
    Man muss gegen diese Entwicklung im ganz frühen Stadium schon vorgehen
    Klein: Aber haben Sie eine Vorstellung gerade bei diesem konkreten Fall jetzt, der ja mehr oder weniger aus heiterem Himmel kam? Es gab keine anonymen Schreiben, es gab offenbar keine Warnzeichen, und da stellt sich natürlich die Frage: Wäre es überhaupt möglich gewesen, das im Vorfeld abzufangen?
    Landsberg: Wahrscheinlich wäre es nicht möglich gewesen. Wir haben ja diese Fälle, dass zum Beispiel damals Herr Schäuble trotz Personenschutz auch angeschossen wurde. Wir hatten es bei Lafontaine. Ganz ausschließen kann man das nicht. Man kann eben nur präventiv arbeiten. Und vielleicht da noch ein Satz: Wenn wir uns alle einig sind, dass da mehr geschehen muss, dann heißt das auch, dass Bund und Länder dafür mehr Finanzmittel und mehr Personal bereitstellen müssen.
    Klein: Herr Landsberg, Sie haben vorhin angesprochen die Bilder von Galgen, die wir gesehen haben auf einer Demonstration in Berlin. Welche Linie ziehen Sie von diesen Akten der verbalen oder visuellen Gewalt zu tatsächlich physischen Angriffen auf Politiker, wie wir es jetzt gesehen haben?
    Landsberg: Ich glaube, es beginnt mit der Stimmung, und da werden Galgen gezeigt, da wird "wir hängen euch auf" gerufen, da gibt es Hasskriminalität im Netz, da werden Politiker, auch Kommunalpolitiker als Bonzen beschimpft, die man vernichten muss. Das ist eine Eskalation: Es beginnt mit dem Wort, dann folgt die Beleidigung, die Bedrohung und am Ende gibt es solche Taten. Deswegen muss man gegen diese Entwicklungen im ganz frühen Stadium bereits vorgehen.
    Klein: Auf der anderen Seite sagen viele Politiker und sagen auch Kommunalverbände, haben Sie, glaube ich, auch gesagt, man muss auch die Befürchtungen, die Sorgen und Ängste der Bürger vor Ort aufnehmen, auch die jener, die sich sicherlich in solchen Taten nicht wiederfinden, aber deren Stimme gehört werden muss. Wo würden Sie denn die Grenze ziehen zwischen Sorgen von Bürgern ernst nehmen und der Gefahr, sich einem Populismus auszusetzen, der dann wiederum kritisiert wird, dass man einem solchen Klima Vorschub leistet?
    Landsberg: Ich glaube, wir müssen natürlich eine sachliche, wie es einer Demokratie angemessen ist, Auseinandersetzung führen. Das kann auch mal emotional werden. Aber wenn die Ebene der Beleidigung, des Hasses, der Aggression erreicht ist, dann müssen wir auch klar sagen, hier ist eine Grenze, und man muss diesen Leuten, die berechtigte Ängste haben, auch sagen, wenn ihr heute Abend zu Pegida geht, macht ihr deren Geschäft mit, und dafür seid ihr auch verantwortlich.
    Klein: Die Meinung von Gerd Landsberg heute Morgen im Deutschlandfunk. Er ist Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.