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Nach dem Brexit
Wackliges Fundament für die europäische Superbörse

Der geplante Zusammenschluss der Börsen von Frankfurt und London hat eine erste Hürde genommen. Die Aktionäre der London Stock Exchange (LSE) votierten heute bei einer außerordentlichen Hauptversammlung klar für eine Fusion mit der Deutschen Börse. Nach dem Brexit steht das Projekt trotzdem auf wackligem Fundament.

Von Brigitte Scholtes | 04.07.2016
    London Stock Exchange
    Die Aktionäre der Londoner Börse haben sich auf einer außerordentlichen Hauptversammlung klar für ein Zusammengehen mit der Deutschen Börse ausgesprochen. (imago stock & people)
    Fast 100 Prozent Zustimmung – das spricht für sich. Die Aktionäre der Londoner Börse haben sich auf der außerordentlichen Hauptversammlung heute klar für ein Zusammengehen mit der Deutschen Börse ausgesprochen. Doch so positiv dürften die Anteilseigner der Deutschen Börse diesen Plan der beiden Börsenbetreiber nicht mehr sehen seit dem Brexit-Votum. Das glaubt Christoph Schalast, Experte für Übernahmen und Fusionen an der Frankfurt School of Finance and Management:
    "Das liegt zum einen an der Verschiebung der Wechselkurse, auch um Umtauschverhältnis, also für die Aktionäre der Deutschen Börse ist der Deal schlechter geworden."
    Doch das Nachverhandeln bestimmter ausgehandelter Strukturen dürfte kaum möglich sein. Bisher nämlich ist ausgemacht, dass die Anteilseigner der Deutschen Börse gut 54 Prozent an der gemeinsamen Holding halten. Die Gewichte aber haben sich seither zugunsten der Deutschen Börse verschoben. Deren Aktionäre haben bis zum 12. Juli Zeit, ihre Aktien zum Umtausch in die der gemeinsamen Börsenholding anzudienen.
    Carsten Kengeter, Chef der Deutschen Börse setzt jedoch weiter auf eine Fusion. So sagte er gegenüber hr.info:
    "Die Logik der Fusion ist in keiner Weise verändert. Ich würde sagen, dass eine Verbindung, eine Brücke zwischen den beiden Städten, nach wie vor absolut Sinn macht, vielleicht sogar noch mehr Sinn macht."
    Die Logik der Superbörse bleibt
    Die "industrielle Logik" ist auch weiter gegeben. Börsen leben ja von der Masse: Je mehr Geschäfte sie abwickeln, desto billiger können sie das tun. Die Brücke zwischen Frankfurt und London wäre also sinnvoll, aber deren Statik müsste nach dem Brexit neu berechnet werden, weil die Bedingungen sich geändert haben. Dass der Sitz der gemeinsamen Holding in London sein soll, so wie das von der britischen Politik gefordert worden war, daran entzündet sich nun immer stärkerer Widerstand aus der Finanzszene in Deutschland.
    "Ich glaube, dass eine Börsenfunktion ohne Standort und Head Office in Frankfurt nicht mehr machbar ist", sagt etwa Gunter Dunkel, Präsident des Verbands Öffentlicher Banken. Und Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz ergänzt:
    "Wir haben gewisse Regulationsvoraussetzungen, die einfach bedingen, dass der Sitz dieses Unternehmens innerhalb des EU-Raumes ist. Scherzhaft könnte man sagen: Da kann die Börse, die neue Börsengesellschaft eher ihren Sitz auf der französischen Karibikinsel St. Martin haben als in London. Denn St. Martin gehört zum EU-Raum."
    Entscheidung im Herbst
    Eine europäische Börse, die nicht mehr europäischen Finanzmarktaufsicht und europäischer Regulierung unterliegen würde – das sei schwer vorstellbar, so hatte sich auch der Präsident der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, vor wenigen Tagen geäußert. Die Bafin ist zwar nicht für die Aufsicht über die Deutsche Börse zuständig, das obliegt dem hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Er muss über den ordnungsgemäßen Betrieb der Frankfurter Wertpapierbörse wachen. Ihm kommt damit eine Schlüsselrolle zu. Nach dem Brexit-Votum äußerte er sich sehr vorsichtig:
    "Natürlich werden wir auch abwarten, ob die Pläne in dieser Form so bestehen bleiben."
    Seine Entscheidung dürfte zwar erst im Herbst fallen. Doch ob sie bei unveränderten Vertragsbedingungen positiv sein kann, ist sehr zweifelhaft. Weitermachen wie bisher schon, das sei dann keine Alternative mehr, glaubt Gunter Dunkel vom Verband öffentlicher Banken:
    "Dann wird man andere Partner suchen oder von anderen Partnern angesprochen werden."