Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Nach dem CDU-Parteitag
Günther: "Vertrauensfrage wäre nicht nötig gewesen"

Nach dem Parteitag in Leipzig hat Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, breite Unterstützung für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vernommen. Sie habe in ihrer Rede ein Zukunftsbild entworfen, zu dem es in der Partei große Zustimmung gebe, sagte Günther im Dlf.

Daniel Günther im Gespräch mit Stefan Heinlein | 25.11.2019
Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus.
Schleswig-Holsteins Daniel Ministerpräsident Daniel Günther (picture-alliance / dpa / Gregor Fischer)
"Es war große Klarheit da während der Rede", sagte Günther. "Das hat man an der Zustimmung der Delegierten gesehen." Dass die Parteivorsitzende möglicherweise die Vertrauensfrage stellen würde, habe sie im Vorfeld des Parteitags angedeutet, so Günther. Es wäre seiner Ansicht nach nicht nötig gewesen, täte der Sache nun aber keinen Abbruch.
"Unglaublich starker Auftritt von Söder"
Große Begeisterung unter den CDU-Mitgliedern habe auch Markus Söder, Vorsitzender der CSU, ausgelöst. "Es war ein unglaublich starker Auftritt. Er hat gute Punkte angesprochen, und die Menschen von den Sitzen gerissen", sagte Günther. Im Vergleich zu Kramp-Karrenbauer habe Söder aber nur ein Grußwort gesprochen und keine 90-minütige Rede gehalten, bei der es schwieriger sei, den großen Spannungsbogen zu halten.
Markus Söder, CSU-Vorsitzender, spricht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU,l) und Annegret Kramp-Karrenbauer, der CDU-Bundesvorsitzenden nach seiner Rede beim 32. CDU-Bundesparteitag.
Trügerische Ruhe
Grundrente, Huawei, Frauenquote – heftige Debatten wurden auf dem CDU-Parteitag vorab verhindert, Anträge verschoben. Doch in die Partei werde erst wieder Ruhe einkehren, wenn tatsächlich geklärt ist, wer die CDU in die kommende Wahl führt, kommentiert Katharina Hamberger.
Ein großes Lob zollte Günther zudem der Bundeskanzlerin. Angela Merkel habe sich in den vergangenen Monaten "fast ein Stückchen zu sehr zurückgehalten", um Annegret Kramp-Karrenbauer eine entsprechende Bühne zu bieten. "Wenn sich die SPD jetzt hoffentlich wieder sortiert hat und die Koalition tatsächlich auch weiter arbeitet, wird Merkel als starke Führungspersönlichkeit der Großen Koalition wieder stärker Richtung geben", sagte Günther. Da sei auch wichtig, denn die nächste Bundestagswahl könne nur gewonnen werden, wenn die Große Koalition bis dahin ordentliche Arbeit abliefere.

Das Interview mit Daniel Günther folgt in voller Länge.
Stefan Heinlein: Allen Unkenrufen im Vorfeld zum Trotz – das von vielen Seiten erwartete Scherbengericht in Leipzig fand nicht statt. Die CDU bleibt sich selber treu und verzichtet auf eine innerparteiliche Palastrevolution. Die von Annegret Kramp-Karrenbauer selbst gestellte Vertrauensfrage wurde von den Delegierten mit stehendem Applaus beantwortet. Die Parteivorsitzende bleibt im Amt und hat sich Zeit verschafft für die inhaltliche und personelle Neuaufstellung der CDU in der Nach-Merkel-Ära.
Am Telefon begrüße ich jetzt den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU). Moin! – Guten Morgen!
Daniel Günther: Moin, Herr Heinlein! – Hallo!
"Es war wirklich Geschlossenheit auch da"
Heinlein: Herr Günther, ein Musterbeispiel inszenierter Geschlossenheit – so hat die Kollegin Franka Welz gerade den CDU-Parteitag zusammengefasst. Sie hatten vermutlich einen anderen Eindruck von Leipzig?
Günther: Ja, das wird Sie nicht überraschen. Das ist schon so. Ich habe das nicht als Inszenierung empfunden, sondern es war wirklich Geschlossenheit auch da. Das hat man bei den einzelnen Reden gesehen, das hat man bei den Reden der Parteivorsitzenden gesehen. Das war schon wirklich auch Begeisterung an vielen Teilen in der Rede und große Unterstützung. Von daher musste da überhaupt nichts inszeniert werden.
Heinlein: Wenn die CDU so geschlossen ist, wie Sie gerade sagen, warum musste dann Annegret Kramp-Karrenbauer in Leipzig nach nur einem Jahr im Amt die innerparteiliche Vertrauensfrage stellen? Das hatte Angela Merkel in den vielen Jahren als Vorsitzende überhaupt nicht nötig.
Günther: Ich glaube auch nicht, dass Annegret Kramp-Karrenbauer das nötig gehabt hat. Sie hat es am Ende ihrer Rede sehr deutlich gesagt, aber ich hatte den Eindruck, auch schon während der Rede war da überhaupt gar kein Zweifel dran, sondern da war wirklich große Klarheit auch da während der Rede. Das hat man am Applaus gesehen, auch an der Zustimmung der Delegierten. Von daher, glaube ich, wäre das am Ende gar nicht nötig gewesen. Sie hat sich trotzdem dafür entschieden – vielleicht auch deswegen, weil sie es vorm Parteitag ja auch schon mal angedeutet hatte. Es ist so: Ich glaube, das tut dem Ganzen keinen Abbruch, aber notwendig wäre das nicht gewesen.
"Auch in Zukunft wird sie die Vertrauensfrage nicht brauchen"
Heinlein: Es war nicht notwendig. War es vielleicht auch ein taktischer Fehler, denn unbegrenzt kann man ja dieses Mittel, diese Vertrauensfrage nicht gebrauchen? Sie hat jetzt diese schärfste Waffe ja schon aus der Hand gegeben.
Günther: Na ja. Dadurch, dass sie das jetzt auch nicht gebraucht hätte, zumindest aus meiner Sicht, glaube ich, wird sie es für die Zukunft auch nicht brauchen. Von daher, glaube ich, ist das auch gar nicht notwendig. Sie ist gewählte Parteivorsitzende. Das war eine knappe Wahl beim letzten Parteitag, ohne Zweifel. Aber sie hat auch diejenigen, die sie nicht gewählt haben, gut eingebunden in dem Jahr und es ist vollkommen klar, sie ist gewählte Vorsitzende auch bis zum nächsten Parteitag. Dann steht wieder eine neue Wahl an. Man muss immer wieder sich dem Vertrauen der Delegierten stellen. Das gehört in der Demokratie und in einer Partei ohnehin einfach dazu.
Annegret Kramp-Karrenbauer steht auf der Bühne und macht mit ihrer Hand eine Geste des Dankes. Die Delegierten im Raum und der Vorstand im Hintergrund applaudierenb ihr.
"Das nächste Jahr wird nicht einfach für sie werden"
Angesichts des großen Drucks sei es klug von Annegret Kramp-Karrenbauer gewesen, auf dem CDU-Parteitag die Vertrauensfrage zu stellen, sagte der Politikwissenschaftler Jürgen Falter.
Heinlein: In Leipzig hat Frau Kramp-Karrenbauer 90 Minuten geredet. Aber im Gedächtnis bleibt tatsächlich nur der Schluss, die von ihr gestellte Vertrauensfrage. Warum schafft es Ihre Parteivorsitzende nicht, die Delegierten inhaltlich von den Stühlen zu reißen?
Günther: Ich glaube schon, dass es ihr in Teilen auch gelungen ist in ihrer Rede. Sicherlich ist es ein bisschen schwierig, wenn man anderthalb Stunden redet, einen kompletten Spannungsbogen zu halten. Aber mein Eindruck war, dass sie insbesondere in der ersten halben Stunde wirklich gute Punkte gesetzt hat, ich glaube, auch den Kritikern ein bisschen den Wind aus den Segeln genommen hat. Da habe ich zumindest eine große Begeisterung gespürt. Ich selbst habe mich in dieser Zeit auch insbesondere angesprochen gefühlt und sicherlich kommt dann auch mal eine Phase, wo die gesamte Breite der Themen angesprochen wird. Das ist auch Aufgabe der Parteivorsitzenden. Man kann da eine andere Rede halten, als wenn man auf einem Parteitag nur ein Grußwort hält. Von daher, glaube ich, sind da schon eine Menge Punkte gewesen von einem Zukunftsbild, was sie auch entwirft, wozu es auch eine breite Zustimmung in der Partei gibt.
Heinlein: Aber große Begeisterung – Sie haben es selber gemerkt, denn Sie waren ja in Leipzig – hat vor allem CSU-Chef Markus Söder ausgelöst mit seiner Rede. Es war die stärkste Rede, darin waren sich alle einig. Hat er, der CSU-Vorsitzende, die Wahlkampfqualitäten, die Annegret Kramp-Karrenbauer noch fehlen?
Günther: Es ist schon immer ein bisschen leichter, ein Grußwort zu sprechen, wo man, ich sage mal, nicht ganz alle Themen abdecken muss. Aber in der Tat war das ein unglaublich starker Auftritt, wirklich eine komprimierte Rede, Richtung gezeigt, wirklich gute Punkte angesprochen. Das hat schon auch die Delegierten wirklich von den Sitzen gerissen, mich selbst auch, war ein starker Auftritt. Aber ich habe Annegret Kramp-Karrenbauer in solchen Formaten auch schon so erlebt, wo sie ein kurzes Grußwort gesprochen hat, wo sie die Leute mitgenommen hat, begeistert hat. Ich glaube, das ist schon auch immer ein Unterschied, ob man eine Rede der Parteivorsitzenden hält, wo man alle Themen bespielen muss – das geht auch nicht anders -, oder ob man ein Grußwort hält. Aber ich bin Markus Söder sehr dankbar, denn das war noch mal ein schöner Höhepunkt am Ende des Parteitages.
"Themen besetzen, um eine Perspektive über 2021 zu haben"
Heinlein: Wie schwierig wird es für die CDU-Parteivorsitzende, Begeisterung zu wecken und auch inhaltlich Akzente zu setzen, Herr Günther, solange die Politik in Berlin von Kanzlerin Merkel gestaltet wird?
Günther: Ich glaube, dass wir da eine gemeinsame Verantwortung auch mit ihr zusammen haben. Ich glaube, was der Parteitag gezeigt hat ist, dass die Partei eine starke Führung erwartet, eine Führung, die auch Themen vorgibt, die auch Themen bespielt. Der Vorteil ist ja: Dadurch, dass Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende jetzt auch in der Lage ist, über die Große Koalition hinaus auch für die nächsten Jahre schon politische Signale auszusenden, ist jetzt auch eine echte Chance da, dass die Themen, die wir dort angesprochen haben – wir wollen schneller werden in Deutschland, weniger Bürokratie, dafür sorgen, dass wir wieder mehr in Infrastruktur und schneller vor allem investieren können, um den großen Wettbewerb miteinander zu gewinnen. Das sind Themen, die Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt auch besetzen kann, um eine Perspektive über 2021 hinaus zu bieten. Das, glaube ich, ist eine echte Chance, aber da braucht sie auch Unterstützung in der Führung. Führen heißt nie, dass einer alleine das macht, sondern dass auch viele andere in der Partei, im Präsidium, unter den Stellvertretern hierbei auch mithelfen. Das, glaube ich, hat man beim Parteitag auch gespürt, dass das eine Erwartungshaltung in der Partei ist.
Heinlein: Wird Angela Merkel ihre Nachfolgerin als CDU-Parteivorsitzende auch bei diesen Aufgaben unterstützen? Sie kennen Angela Merkel ja schon lange.
Günther: Das macht sie ja auch ohne Zweifel und ich glaube, dass sie sich in den vergangenen Monaten fast ein Stückchen zu sehr zurückgehalten hat, um Annegret Kramp-Karrenbauer auch eine entsprechende Bühne zu bieten. Ich glaube, wenn die SPD sich jetzt hoffentlich wieder sortiert hat und die Koalition auch weiter arbeitet, dann wird Angela Merkel auch als starke Führungspersönlichkeit der Großen Koalition wieder stärker Richtung geben. Ich glaube, das wäre wichtig, denn die nächste Bundestagswahl wird nur dann gewonnen, wenn die Große Koalition bis dahin eine ordentliche Arbeit abliefert, und da sind alle in der Verantwortung, die in dieser Bundesregierung und im Deutschen Bundestag Verantwortung für die Union übernehmen.
Heinlein: Man kann fast den Eindruck gewinnen, Herr Günther, Angela Merkel hat ein bisschen das Interesse an ihrer Partei, an der CDU verloren. Sie haben es ja gerade in Ihrer Antwort angedeutet. Sie hatte nur eine Statistenrolle, nicht nur in Leipzig, sondern auch davor.
Günther: Na ja, gut. Sie ist aber nun auch keine Parteivorsitzende mehr. Sie führt das Kabinett, aber eben nicht mehr die CDU. Von daher war ihre Rolle in der Tat auch ein Grußwort als Bundeskanzlerin. Ich habe aber kaum jemand aus der Bundesregierung erlebt, der diesen Parteitag so intensiv verfolgt hat. Sie hat ja kaum ihren Platz vorne verlassen, sondern hat an allen Debatten teilgenommen. Und dass eine Bundeskanzlerin nun nicht bei jedem der 500 Anträge selbst in die Bütt geht und mitdiskutiert – das hat sie übrigens vorher auch als Parteivorsitzende nicht gemacht -, das finde ich wirklich nicht ungewöhnlich. Von daher hat sie großes Interesse gezeigt. Sie ist ja auch von der Partei wirklich gefeiert worden. Gleich zur Begrüßung sind alle aufgestanden und das war mitnichten inszeniert, sondern das war echte Begeisterung für sie. Von daher sehe ich in dem Punkt wirklich gar kein Problem.
"Merkel wird ihren Job 100prozentig bis zum Schluss wahrnehmen"
Heinlein: Herr Günther, Sie kennen – ich sagte es bereits – die Kanzlerin schon lange. Sie gelten als eine Art Vertrauter von Angela Merkel. Lassen Sie uns ein wenig hinter die Kulissen blicken. Wie plant Angela Merkel ihren Abschied von der Macht in den kommenden Wochen und Monaten? Wird sie bis zum Schluss weitermachen, oder den Stab dann weiterreichen an Annegret Kramp-Karrenbauer auch als Kanzlerin?
Günther: Ich glaube, da muss man gar nicht hinter die Kulissen gucken, und da plaudere ich auch nichts aus. Jeder der Angela Merkel kennt weiß, dass sie äußerst diszipliniert ist und ihren Job hundertprozentig bis zum Schluss wahrnehmen wird. Sie ist gewählte Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist für diese Wahlperiode gewählt. Sie ist dafür auch angetreten. Deswegen wird sie ihren Job hundertprozentig auch bis zum Ende der Wahlperiode erfolgreich zu Ende führen. Genauso ist es ihr gelungen, das haben ihre Vorgänger alle nicht geschafft, in Verantwortung im Kanzleramt trotz alledem im Parteivorsitz auch einen Wechsel herbeizuführen. Sie steht für Kontinuität, aber sie hat diesen Übergang auch geregelt bekommen. Trotz alledem ist vollkommen klar, dass sie ihren Job als Kanzlerin bis zum Ende der Wahlperiode hundertprozentig erfüllen wird.
Heinlein: Und wer wird dann Kanzlerkandidat der Union? Ist Annegret Kramp-Karrenbauer die gesetzte Kandidatin? Es reicht mir jetzt zum Schluss ein Ja oder Nein, Herr Günther.
Günther: Das ist genau das, was wir beim Parteitag verabredet haben, dass wir nicht jetzt darüber entscheiden, sondern dass wir das am Ende des Jahres machen. Und daran werde ich auch nicht rütteln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.