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Nach dem griechischen Referendum
EZB muss "illegale Staatsfinanzierung" beenden

Für den CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch ist das Ergebnis des Referendums gleichbedeutend mit einem Ausscheiden aus der Eurogruppe Griechenlands. Bei ihrem morgigen Gipfel müssten die Staats- und Regierungschefs die technischem Details besprechen, sagte der Haushaltsexperte im DLF.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Christine Heuer | 06.07.2015
    Klaus-Peter Willsch (CDU) spricht am 27.02.2015 bei der Debatte über die Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland im Deutschen Bundestag in Berlin.
    Klaus-Peter Willsch. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Auch die Europäische Zentralbank sei gefragt ihre "illegale Staatsfinanzierung" zu beenden, so Klaus-Peter Willsch. Spätestens jetzt müssten die Nothilfen für Athen enden. Er selbst prüfe aktuell, welche "rechtlichen Optionen" es gegen das Vorgehen der EZB gebe.
    Den Antrag der griechischen Regierung auf Hilfe nach dem ESM-Rettungsschirm in der vergangenen Woche hält der CDU-Abgeordnete für aussichtslos. Athen erfülle hierzu "gar nicht die Voraussetzungen". Zum anderen sei die Stabilität des Euros gar nicht gefährdet, "wie wir an den Finanzmärkten sehen können".
    "Näher an einem Entwicklungsland"
    Vor dem heutigen Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatschef Hollande sowie dem der anderen Staats- und Regierungschefs morgen in Brüssel sagte Willsch, es könne nicht sein, "dass der Schuldner den Gläubiger beschimpft und wir nicht die Selbstachtung aufbringen, einfach zur Tagesordnung überzugehen". Weiter betonte er, die Bundesregierung habe nicht das Mandat des Bundestags, "irgendein Programm zu verhandeln".
    Der Rücktritt des griechischen Finanzminister Varoufakis ändere nichts an der gesamten Situation. Überhaupt unterscheide sich die Syriza-Regierung nicht von den Vorgängerregierungen. Auch bei ihr fänden "Nepotismus und Klientelismus" statt.
    Auf die Frage, ob Griechenland nun Entwicklungshilfe erhalten solle, sagte Willsch, von der Art und Weise wie die Verwaltung des Landes organisiert sei, sei Griechenland in der Tat "näher an einem Entwicklungsland als einem Industrieland".

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Die Griechen sagen Nein zu den Reformvorschlägen ihrer Gläubiger. Die Eurozone steckt in der Krise und auch für die politische Union kann das alles dramatische Folgen haben. In Brüssel und Berlin und nicht nur dort ist die Sorge groß. Athen aber rüstet sich frohgemut für neue Verhandlungen und ist - wir haben das ja gerade im Originalton gehört - zuversichtlich, ganz schnell eine Einigung hinzubekommen. Damit kann Athen eigentlich nur eine bedingungslose Kapitulation seiner Gläubiger meinen. Als Morgengabe an die genervte Gemeinschaft ist aber immerhin Finanzminister Janis Varoufakis zurückgetreten.
    Im Rest der Eurozone hatte man inständig auf ein Ja der Griechen im Referendum gehofft. Zu groß erscheint den anderen Europäern das Risiko, dass die Griechen aus dem Euro fallen, mit allen Verwerfungen nicht nur währungspolitischer Natur, die das bedeuten könnte. Ein Ja der Griechen hätte möglicherweise auch das Ende der Regierung Tsipras bedeutet. Die Verhandlungen, so denken viele, wären dann leichter oder überhaupt erst wieder möglich geworden.
    Ganz akut dürfte sich das Schicksal der Hellenen allerdings weder in Athen, noch in Berlin, noch in Brüssel oder in den anderen europäischen Hauptstädten entscheiden, sondern in Frankfurt am Main. Dort berät sich heute Vormittag der Rat der Europäischen Zentralbank. Es geht um die sehr entscheidende Frage, ob die EZB die Notfallkredite für Griechenlands Banken aufrecht erhält, sie vielleicht sogar aufstockt, oder diese Kredite womöglich stoppt.
    Am Telefon ist der CDU-Wirtschafts- und Finanzpolitiker Klaus-Peter Willsch. Er gilt als großer Griechenland-Kritiker. Guten Tag, Herr Willsch.
    Klaus-Peter Willsch: Guten Tag, Frau Heuer.
    Heuer: Nun haben die Griechen also Nein gesagt zum Rettungsplan. Sind sie damit de facto raus aus dem Euro?
    Willsch: Ja, in meinen Augen ist das eine klare Entscheidung. Wenn die Staats- und Regierungschefs und ECOFIN morgen zusammenkommen, sollten sie die technischen Fragen, wie man den Übergang organisiert, besprechen, und der EZB ist dringend anzuraten, aufzuhören mit ELA-Erhöhungen und sonstigen Zurverfügungstellungen von Liquidität. Das ist jetzt eindeutig ein Fall von illegaler Staatsfinanzierung, was dort stattfindet.
    Heuer: Da müsste man eigentlich gegen klagen. Machen Sie das?
    Willsch: Ich fürchte, das kann ich nicht als Einzelner. Die Regierung müsste dagegen vorgehen. Das bin ich noch am Prüfen, welche rechtlichen Optionen es dort gibt.
    Heuer: Die Regierung wird das aber vermutlich nicht tun. Jedenfalls klingen Sie nicht sehr hoffnungsvoll.
    Willsch: Na ja. Sicher wird sie es nicht vor morgen tun, denke ich mal. Aber es ist ja klar, dass die Situation jetzt eine ganze Weile anhält. Die Griechen haben zwar einen Antrag, die griechische Regierung hat zwar einen Antrag gestellt, schon in der letzten Woche auf ein Hilfsprogramm nach dem ESM, also dem Schutzschirm. Nach nicht nur von mir vertretener Auffassung erfüllen sie aber überhaupt nicht die Voraussetzungen, um sich für ESM-Mittel zu bewerben. Zum einen sind formale Punkte von der griechischen Seite nicht erledigt worden, die Umsetzung des Fiskalpaktes in nationales Recht ist fehlerhaft und mangelhaft nur erfolgt. Zum anderen ist die Stabilität des Euro als Ganzes ja überhaupt nicht gefährdet, wie wir an den Reaktionen letzten Montag und auch diesen Montag an den Finanzmärkten sehen konnten.
    "Es kann nicht sein, dass hier der Schuldner den Gläubiger erpresst"
    Heuer: Heute Abend treffen sich ja Angela Merkel und François Hollande in Paris. Man hört jetzt schon, Hollande möchte gerne weiterverhandeln mit Griechenland. Kann Merkel das ablehnen? Oder anders gefragt: Soll sie das aus Ihrer Sicht ablehnen, also die Türen schließen?
    Willsch: Man kann ja dem zusammen reden einen anderen Zweck geben, wie ich eben vorgeschlagen habe, dass man einfach noch mal deutlich macht, es kann nicht sein, dass hier der Schuldner den Gläubiger erpresst, ihn beschimpft als Terroristen und als kriminelle Organisation den IWF und wir uns nicht die Selbstachtung aufbringen, hier einfach zur Tagesordnung überzugehen.
    Der technische Prozess der Einführung einer neuen Währung in Griechenland und des Herausgehens aus dem Euro sollte miteinander besprochen werden. Dann ist es leichter, als wenn es sich chaotisch einfach nur so vollzieht, weil die Griechen kein Geld mehr haben und dann, um ihre Renten und öffentlichen Gehälter zu bezahlen, eine neue Währung oder irgendwelche Schuldscheine drucken müssen. Insofern macht es einen Sinn, miteinander zu reden. Aber die Bundesregierung hat kein Mandat, hier irgendein Programm zu verhandeln. Vor dem Gespräch darüber, bevor solche Verhandlungen aufgenommen werden können, braucht es ein erstes Mandat des Bundestages und das zweite braucht es dann über die konkreten Verhandlungsergebnisse.
    "Ein abenteuerliches Vorgehen"
    Heuer: Und beide Mandate wird es nicht geben?
    Willsch: Ich werde daran nicht mitwirken, auf keinen Fall. Entscheidend ist aber, dass wir diese Parlamentsbeteiligung so durchgesetzt haben. Es gibt ja nicht nur in Griechenland Wähler. Es kann nicht sein, dass derjenige, der Geschenke empfangen will, kräftig zustimmt und sagt, wir möchten jetzt gerne die Geschenke, und die, die die Geschenke bezahlen müssen, werden nicht gefragt. Das ist schon ein abenteuerliches Vorgehen.
    Heuer: Das heißt aber, Sie empfehlen Ihrer Kanzlerin und Parteivorsitzenden, den Bundestag erst gar nicht nach einem solchen Mandat zu befragen, weil es schiefgeht?
    Willsch: Ich empfehle das in der Tat. Ich appelliere auch an die Hörer, dass sie ihre örtlichen Abgeordneten ansprechen und ihnen sagen, was sie davon halten, dem schlechten Geld dort weiter gutes hinterherzuwerfen, um einen entsprechenden Resonanzboden aufzubauen in der Fraktion. Ich hielte es für verhängnisvoll, wenn wir nach diesem Verhalten auch mit Blick auf andere Länder, die ihre Konsolidierungsaufgaben erledigt haben, ein solches Verhalten, wie es Tsipras und Varoufakis an den Tag gelegt haben, nun zu belohnen, nachdem die Bevölkerung ja in Kenntnis dessen, was kommt, eindeutig gesagt hat, wir unterstützen diese Regierung, die soll verhandeln und möglichst viel für uns herausholen, damit wir weiter über unsere Verhältnisse leben können. Das kann nicht das Zukunftsmodell für die Europäische Währungsunion sein.
    Heuer: Herr Willsch, nun ist einer von den beiden, die Sie nennen, Tsipras und Varoufakis, ja nicht mehr im Amt. Janis Varoufakis ist zurückgetreten. Haben Sie überhaupt keine Hoffnung, dass die neue Regierung Tsipras plötzlich ganz anders auftritt?
    Willsch: Ich weiß nicht, warum sich das geändert haben sollte. Zunächst mal war die Änderung Tsipras-Varoufakis zu den Vorgängerregierungen nicht so markant, wie sie der eine oder andere darstellen will. Ein Unterschied war deutlich festzustellen: Die Vorgängerregierungen haben wenigstens noch versucht, so zu tun, als ob sie Reformen durchführen wollten. Die Neuen haben einfach gesagt, wir machen keine Reformen. Was ist denn das für eine Art und Weise zu sagen, es gibt keine weiteren Privatisierungen?
    Übertragen Sie das doch mal auf den privaten Bereich. Wenn sie in einer Notlage sind, dann nehmen sie ihre Notgroschen - dazu gehört Mobilisierung von Vermögensbestandteilen oder Ähnliches -, bevor sie anfangen, in der Familie oder im Freundeskreis, um finanzielle Unterstützung zu bitten. Das ist doch wohl selbstverständlich, dass man mobilisierbares Vermögen zunächst mal einsetzt. Darüber hinaus ist, was die Ankündigung in anderen Bereichen anbelangt, nichts geschehen in der ganzen Zeit, seit sie an der Regierung sind - das sind ja immerhin über fünf Monate inzwischen -, außer dass sie ein paar Leute wieder eingestellt haben, ein paar Spezels untergebracht haben. Das mit dem Nepotismus und dem Klientelismus geht auch weiter wie bei den Vorgängerregierungen. Also es gibt überhaupt keine Hoffnung, dass sich irgendwas zum Besseren wenden sollte, solange Griechenland die berechtigte Aussicht hat darauf, dass irgendjemand sie outbailed, also für sie die Rechnungen übernimmt.
    "Näher bei Entwicklungsländern als bei einem westlichen Industrieland"
    Heuer: Herr Willsch, 15-Sekunden-Antwort: Ist Entwicklungshilfe für Griechenland günstiger als Hilfsprogramme?
    Willsch: Von der Art und Weise, wie der Staat organisiert ist, von der Verwaltungskraft, ist Griechenland in der Tat näher bei Entwicklungsländern als bei einem westlichen Industrieland.
    Heuer: Klaus-Peter Willsch, CDU-Bundestagsabgeordneter, war das live im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Willsch, vielen Dank dafür.
    Willsch: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.