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Nach dem "Kraft-Akt" in Nordrhein-Westfalen

Die ersten Bilanzen haben Gewinner und Verlierer nach der Wahl in NRW bereits gezogen. Während die totgesagte FDP sehr lebendig ist, herrscht nach dem Wahldebakel Frust an der CDU-Basis in NRW. Und bei der Linken ist nach dem Scheitern an der 5-Prozent-Hürde eine neue Führungsdebatte ausgebrochen.

Von Susanne Grüter, Peter Kapern und Christiane Wirtz | 14.05.2012
    Die tot gesagte FDP ist sehr lebendig
    Und damit kommen wir zunächst zu einem der Gewinner – jedenfalls was die Erwartungen im Vorfeld der Wahl anbelangt. Die tot gesagte FDP ist sehr lebendig. Nach dem guten Ergebnis in Kiel hat sie auch in Düsseldorf den Wiedereinzug in den Landtag geschafft. Einen wesentlichen Anteil daran trägt wohl Christian Lindner. Sein Rezept war eine klare Entscheidung für Nordrhein-Westfalen als Ort seines politischen Wirkens.

    "Zwei Jahre habe ich Berliner Luft geschnuppert. Jetzt bin ich wieder hier – zu Hause in Nordrhein-Westfalen."

    Damit hatte Lindner sich im Wahlkampf eindeutig positioniert und auch eindeutig abgegrenzt von der umstrittener Hintertürtaktik des CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen. Die FDP hat sich in Nordrhein-Westfalen offenbar andere Bündnismöglichkeiten offen halten wollen – und vielleicht nicht nur dort, wie Peter Kapern zusammengetragen hat.

    Während die Parteimitglieder der FDP gestern Nachmittag langsam zur Wahlparty im Düsseldorfer Hafenviertel eintrudelten, spielte sich gleich nebenan eine Szene von hoher Symbolkraft ab. Da drehte ein Motorboot im Hafenbecken seine Runden und übte mit Anwärtern auf einen Sportbootführerschein das Mann-Über-Bord-Mannöver. Ein ums andere mal landete ein Rettungsring im Wasser, ein ums andere Mal musste der Fahrschüler am Steuerrad den Rettungsring wieder aufsammeln. Eine Stunde vor Schließung der Wahllokale wäre bestimmt auch manches FDP-Mitglied im Dienste seiner Partei noch gern in die Hafenbrühe gesprungen, um so einen Rettungsring in die Hand zu bekommen. Sechzig Minuten später war die FDP gerettet – auch ohne Kopfsprung in das Hafenbecken.

    Nicht einmal zwei Monate hatte Christian Lindner Zeit, um seiner Landespartei aus höchster Seenot zu retten. Als gestern klar war, dass die Operation gelungen war, wurde er als Heilsbringer gefeiert. Wie schlüpfrig das Geläuf ist, auf dem er sich bewegt, das mochte gestern bei den jubelnden Liberalen niemand zur Kenntnis nehmen. Vor zwei Monaten noch war die NRW-FDP bereit, den Haushalt der rot-grünen Minderheitsregierung im Landtag durchzuwinken. Dass es anders kam, war der Schusseligkeit aller Fraktionen zu verdanken. Doch Lindner hatte die Chuzpe, diese Tatsachen zum Mythos einer neuen liberalen Standfestigkeit umzudeuten.

    "Prinzipienfestigkeit in der Politik ist keine Dummheit, Prinzipienfestigkeit in der Politik ist Ausdruck von Tugend und Charakter."

    Nun steht sie also als Sieger da, Christian Lindners neue FDP. Aber was für eine FDP ist das? Als die Umfragen in Nordrhein-Westfalen vor Wochen andeuteten, es könnte für Rot-Grün allein nicht reichen – da ließ Lindner die Ampel blinken. Als die Umfragen kurz darauf eine klare Mehrheit für Rot-Grün signalisierten, konnte sich Lindner plötzlich eine Kooperation mit SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr vorstellen. Vielleicht sagt dieser Satz am meisten über Christian Lindners FDP aus: "Situationsadäquates Handeln macht Professionalität aus". Gesagt hat ihn Lindner selbst. Situationsadäquat wäre demnach auch Lindners Werben für einen mitfühlenden Liberalismus, für eine sozialliberale FDP also mit prinzipieller Anschlussfähigkeit nach links. Und genauso situationsadäquat war für ihn dann wohl der Wahlkampf mit Themen des liberal-konservativen Spektrums. Rettung der Gymnasien, Abbau der Verschuldung. Kurzum: Christian Lindners neue FDP kommt der alten ziemlich nahe: Sie umfasst so ziemlich alles, was diese Partei jemals für richtig gehalten hat. Und auch so ziemlich jeden, der sie jemals repräsentiert hat:

    "Wenn die FDP wieder anknüpft an die Tradition von Lambsdorff, Genscher und Baum, dann ist mit den Freien Demokraten wieder zu rechnen, meine Damen und Herren."

    Szenenwechsel. Das Thomas Dehler-Haus in Berlin heute Mittag. Wolfgang Kubicki, der FDP-Spitzenkandidat aus Schleswig-Holstein und Christian Lindner holen sich den obligatorischen Blumenstrauß beim Parteivorsitzenden Philipp Rösler ab. Unter die vielen Fragen, die die drei zu beantworten haben, mischt sich natürlich auch die nach der künftigen Rolle Lindners in der Gesamtpartei. Auch ohne es so deutlich zu formulieren, will der Fragesteller natürlich wissen, ob und wann Lindner Parteichef Rösler ablöst. Lindner wiegelt situationsadäquat ab, beteuert, er freue sich auf seinen Job im Landtag von NRW. So hätte die Partei das Thema vorläufig beerdigen können, wenn Wolfgang Kubicki nicht plötzlich einen seiner gefürchteten Pfeile abgeschossen hätte.

    "Die Wirkungsmöglichkeit von mir oder von Christian Lindner hängt nicht davon ab, dass wir in bestimmten Führungsgremien der Partei bestimmte Ämter einnehmen. Denn wenn die Einnahme von Ämtern schon Wirkung erzeugen würde, hätten einige unserer Kolleginnen und Kollegen weniger Probleme."

    Dass Kubicki auch Rösler zu diesen mit Ämtern versehenen aber weitgehend wirkungslosen Kollegen zählt, dürfte außer Frage stehen. Kubicki ist es dann auch, der die klarste Antwort auf die Frage nach den künftigen Koalitionsoptionen der Liberalen gibt. Rösler hat gerade versucht, sie mit der Mahnung, die FDP solle nun nicht so tun, als könne sie vor Kraft kaum laufen, vom Tisch zu wischen. Kubicki aber redet Klartext.

    "Gleichwohl muss für die FDP auch gelten, dass wir uns für den Fall, dass Konstellationen, die wir uns wünschen, nicht möglich sind, jedenfalls die Problemlösungsmöglichkeiten erhalten. Hans-Dietrich Genscher hat einmal gesagt: Die Probleme suchen sich im Zweifel die Mehrheiten und die notwendig sind, um sie zu lösen. Das ist ein sehr kluger Satz, und den sollten wir beherzigen."

    Wenn sich also Probleme gewissermaßen situationsadäquat neue Mehrheiten suchen, dann will der derzeitige Koalitionspartner, die CDU, nicht abseits stehen. Auch Angela Merkel muss nach dem katastrophalen Abschneiden der NRW-CDU, natürlich die Frage nach künftigen Koalitionsoptionen beantworten. Sie meistert die Herausforderung mit einer situationsadäquaten Antwort. Die Übereinstimmungen mit der FDP seien am größten, sagt sie. Aber natürlich weiß sie, dass es eines Wunders bedürfte, um Schwarz-Gelb die Regierungsmehrheit zu erhalten. Und deshalb schiebt sie nach, wie gut ihr Verhältnis auch zu den Roten und den Grünen ist:

    "Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir davon ausgehen können, dass nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch auf der Bundesebene Rot-Grün für die nächsten Wahlen sich sehr eng miteinander verbunden fühlt. Das ist zu respektieren. Dennoch ist es so, dass wir heute ja in vielfältiger Weise genauso wie mit der SPD auch mit den Grünen, zum Beispiel beim Fiskalpakt, Kontakt haben, bei den Bundestagsmandaten für die Bundeswehreinsätze und bei vielem anderen."

    Fazit am Tag nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen: Die FDP ist wieder da. Ganz neu, und trotzdem ganz die alte. Und alle übrigen Fragen werden beantwortet, wenn sie anliegen. Und zwar situationsadäquat.

    Frust bei der CDU nach dem Wahldebakel
    Nun zu einem der Wahl-Verlierer: "Das tut weh", hat Nobert Röttgen gestern Abend gleich mehrfach formuliert – nach der Wahlniederlage der CDU in Nordrhein-Westfalen. Und er hat diese Niederlage zu seiner eigenen erklärt, in seiner Funktion als Spitzenkandidat und Landespartei-Vorsitzender, der er nun nicht mehr ist. 26 Prozent – ein wahrlich schmerzhaftes Ergebnis für die Christdemokraten. Röttgens Parteikollege, Bundestagspräsident Lammert hatte das Trostpflaster gestern bereits parat:

    "Niederlagen schmücken nicht, aber die Narben, die sie hinterlassen, gehören auch zu dem Gesicht, das für wichtige Ämter manche beinahe für ein Voraussetzung halten."

    Welche Ämter könnten das im Fall von Röttgen künftig sein? CDU-Landesvorsitzender ist er nun nicht mehr. Die Düsseldorfer Parteizentrale hat Röttgen heute übrigens tatsächlich durch die Hintertür verlassen. Bundesumweltminister wird er vorerst bleiben. Aber auch in diesem Amt hat er weiteren Schaden genommen. Es sei derzeit leichter einen Eskimo in der Wüste zu finden als einen Röttgen-Fan in der Union, war in der vergangenen Woche in einem Zeitungskommentar zu lesen. Diesem Gerücht ist Susanne Grüter nachgegangen. Sie war gestern Abend in Röttgens Wahlbezirk Bonn I unterwegs. Das Direktmandat hat dort – wie erwartet – der SPD-Kandidat Bernhard von Grünberg geholt – ein Mann des Volkes.

    Die erste Prognose für die CDU.

    Noch bevor die Zahl für die SPD auf dem Monitor erscheint, sind die Genossen in der Bonner Innenstadt vollkommen aus dem Häuschen.

    "Wir haben zusammengehalten, was wichtig ist, und wir haben den Schwarzen endlich mal gezeigt, wo der Pfeffer wächst. Ich denke mal, so einen schwachen Gegenkandidaten haben wir noch nie gehabt."

    So bringt es Altmitglied Erwin-Josef Thiebes auf den Punkt. Ohne den Erfolg seines Spitzenkandidaten Bernhard von Grünberg schmälern zu wollen –, dass der fast 46 Prozent holen konnte, meint Thiebes, liege auch an Norbert Röttgen. Das gibt von Grünberg gern zu.

    "Wer in einen Wahlkreis geht, der relativ gut in SPD-Hand ist, und drum herum gibt es lauter CDU-Wahlkreise, von denen er einen hätte haben können, da wird man natürlich immer sagen, das ist einer, der schon signalisiert: Ich will da gar nicht rein. Ich will gewählt werden von Ihnen, aber sage Ihnen jetzt schon, dass ich die Wahl eigentlich gar nicht annehme. - Wer so anfängt, muss sich nicht wundern, dass er ein Desaster hinterlässt, sodass dieses Ergebnis natürlich vor allen Dingen Röttgen-gemacht ist."

    Bernhard von Grünberg, von allen Felix genannt, gilt als das soziale Gewissen Bonns: seit Jahrzehnten im Mieterbund aktiv, lange im Stadtrat, 2010 direkt in den Landtag gewählt. Parteifreund Holger Willing:

    "Felix ist hier einfach eine Institution. Ich habe mit ihm die Hausbesuche gemacht. Das ist unglaublich, welchen Wiedererkennungswert er auch hat. Also, da kommen Leute auf einen zu und sagen: Felix, 1981 hast du mir eine Wohnung verschafft. Die Leute kennen ihn, die Leute lieben ihn."

    Umso weniger versteht Holger Willing, warum der Bundesumweltminister sich hier aufstellen ließ:

    "An den Wahlkampf-Infoständen hatten wir Leute, die sagten, ich wähle seit 40, 50 Jahren CDU, aber jetzt wähle ich die SPD, weil der Röttgen ist mir einfach suspekt."

    Vor allem, weil Röttgen niemals klarstellte, ob er in Düsseldorf auch Oppositionsführer werden würde, meint der SPD-Mann, und er habe im Wahlkampf ungeschickt agiert, zum Beispiel als er die NRW-Wahl auch als Abstimmung über die Europolitik der Kanzlerin interpretierte. Altmitglied Erwin-Josef Thiebes:

    "Mit dem, was er jetzt gegen Berlin gesagt hat, gegen dat Angela, gegen seine eigene CDU, da hat er voll einen auf die Mütze gekriegt. Wat will der Röttgen in Beuel? Der soll in Berlin bleiben oder soll wieder zurück nach Königswinter. Und die Strafe hat er heute gekriegt, knapp 27 Prozent. Der Adenauer würde sich im Grab umdrehen."

    Auf dem Großmonitor erscheint Norbert Röttgen. Er verkündet seinen Rücktritt vom CDU-Landesvorsitz:

    "… dass ich die Führung des Landesverbandes abgeben werde."

    In einem Bonner Restaurant ein paar Kilometer von der SPD entfernt, harren ein paar Dutzend CDU-Mitglieder aus. Der rheinische Frohsinn ist den Christdemokraten abhanden gekommen.

    "Das können sie wohl laut sagen. Bei so einem Ergebnis muss man als Vorsitzender zurücktreten, so ein Ergebnis kann man nicht verantworten."

    Sagt das CDU-Mitglied Ingo Schulze, während die Bonner Wahlkampfleiterin von Röttgen, Maria-Theresia van Schewick, dessen desaströse Niederlage immer noch nicht begreifen kann:

    "Es ist hart, weil ich diesen Mann für denjenigen halte, der wirklich für die Werte der CDU steht. Ich kenne ihn seit, ich weiß nicht, 25, 30 Jahren, und ich habe ihn immer erlebt als jemanden, der sein Wort hält."

    Die Basis ist gespalten zwischen Loyalität, Ratlosigkeit und auch ein wenig Wut auf den parteiinternen Streit um Röttgen. Stichwort: Wie ernst nimmt er es mit NRW. Stephan Masseling:

    "Diese unsägliche Diskussion vor allem in der Partei zu dieser Frage hat mich ziemlich aufgeregt, weil, dass der politische Gegner das aufgreift, ist klar, aber dass es auch innerparteilich geführt wird, das hat mich schon überrascht und spricht meines Erachtens doch auch für die mangelnde Einheit der CDU in diesem Land."

    Ein vorsichtiges Resümee der Bonner Basis zu Norbert Röttgen:

    Marc Defosse (CDU): "Er ist ein Mensch, der sehr offen auf die Menschen zugeht, der ein sehr kompetenter Mensch ist, dem aber vielleicht hier und da ein bisschen die Nähe zu den Bürgern gefehlt hat, und er wird sich jetzt aufs Neue beweisen müssen. Er wird nicht mit offenen Armen wieder in Berlin empfangen werden."

    Ingo Schulze CDU: "Ich denke, er wird jetzt einen Karriereknick haben, man wird sehen, wie er sich auf Bundesebene macht, aber er wird nach so einem Ergebnis erst mal nicht so gute Karten haben bei Frau Merkel."

    Ganz anders die Aussichten der alten und neuen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Sie wird schon von vielen als künftige SPD-Kanzlerkandidatin für Berlin gehandelt. Bei der Bonner Basis sieht man das nicht so gern.

    Dörte Schall (SPD): "Es wäre sicher sehr schön, eine Frau wie Hannelore Kraft an der Spitze zu haben, aber eigentlich ist NRW auch so wichtig, dass man Nordrhein-Westfalen nicht aufgeben darf. Wir sollten sie lieber hier als starke Landesmutter behalten und nicht nach Berlin schicken."

    Holger Willing (SPD): "Da schlagen ja zwei Herzen in meiner Brust, weil ich habe sie sehr gern in NRW. Also, ich würde sie bedingungslos als Kanzlerkandidatin unterstützen, das muss ich schon sagen. Nur, ich glaube schon, dass sie sich an ihre eigenen Zusagen hält, jetzt in NRW bleiben zu wollen."

    Susanne Grüter war das mit einem Bericht von der Bonner Basis der - noch großen Volksparteien.

    Neue Führungsdebatte bei der Linken
    Sechs Spitzenkandidaten waren für die Landtagswahl angetreten, fünf haben es in den Landtag geschafft, bzw. hätten es schaffen können, Norbert Röttgen wird dem Landesparlament ja nun nicht als Oppositionsführer angehören. Ebenfalls nicht mit dabei ist Katharina Schwabedissen von der Partei Die Linke. Wie zuvor in Schleswig-Holstein: Die Linke scheitert an der 5-Prozent-Hürde – und zwar deutlich. Und schon ist sie wieder da, die Führungsdebatte. Den erneuten Ausbruch hat Christina Wirtz gestern Abend live miterlebt.

    "Ich krieg einen Anfall. Ich glaub' das nicht. Ich will andere Zahlen. Jetzt kommen andere Zahlen. Das war ein Fehler vorhin."

    Doch andere Zahlen kommen nicht. Der violette Balken auf der großen Leinwand will einfach nicht über die 2,5 Prozent hinausklettern. Es ist 18 Uhr, die Linken haben sich in einer Düsseldorfer Kneipe im Studentenviertel versammelt. Sie starren auf die Grafiken, auf die Balken der anderen, den eigenen Balken.

    "Ich bin natürlich enttäuscht über das Ergebnis. Dass das so ausgeht, das übersteigt meine negativsten Erwartungen."

    "Ich finde, dass dies Wahlergebnis katastrophal für die Links-Partei ist, das hat sie nicht verdient."

    "Ich hatte mit so wenig nicht gerechnet, obwohl es egal ist, ob man mit 4,9 oder 2,5 verliert. Darauf kommt es dann auch nicht an."

    Dass es an diesem sonnigen Nachmittag keine Wahlparty geben würden, ahnten wohl die meisten. Noch um 17.30 Uhr sind nicht viele Linke vor Ort, einige von ihnen sitzen draußen auf Bierbänken und trinken Kaffee. Drinnen haben die Fernsehteams ihre Scheinwerfer aufgebaut, es werden Tonproben genommen und Gesichter geschminkt. Zwischenzeitlich, so scheint es, sind die Medien hier präsenter als die Partei.

    "Warum interessieren sie sich für uns? - Sie interessieren sich, weil sie heute Abend eine Sensation erleben wollen und wie sie hier alle weinend durch die Gegend sitzen. Das werden sie aber nicht erleben, nicht? - Totgesagte leben länger."

    Sehr lebendig war die Linke an Rhein und Ruhr noch vor zwei Jahren. Bei der Wahl 2010 kam die Partei auf 5,6 Prozent – zum ersten Mal zog sie in den Düsseldorfer Landtag ein. Damit war sie endgültig im Westen angekommen, im Parlament des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Bundesweit war die Linke noch vor zwei Wochen in 13 von 16 Landtagen vertreten. Doch dann kam Schleswig-Holstein. Und dann Nordrhein-Westfalen.

    "Ich würde nicht sagen, dass das aller Tage Abend ist. Aber ich mache keinen Hehl daraus, dass das natürlich einen Rückschlag bedeutet für den Einzug der Linken auch in den alten Bundesländern."

    Einen Lichtblick an diesem Abend gibt es dann aber doch. Pünktlich zu den ersten Hochrechnungen kommt Wolfgang Zimmermann in das Wahllokal. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Düsseldorfer Landtag musste sich vor einigen Wochen aus dem Wahlkampf zurückziehen. Er ist sehr krank. Für einen Moment gibt es Wichtigeres als das Wahlergebnis. Wolfgang Zimmermann ist da. Er ist gekommen, um seiner Partei Mut zu machen:

    "Denkt bitte auch daran, Politik besteht nicht nur aus Parlamentsarbeit. Es ist wichtig, ohne Zweifel. Es ist wichtig gewesen, die zwei Jahre, und wir werden auch wieder reinkommen, das ist auch sicher."

    Der Kampf geht weiter – nicht nur auf Landes-, auch auf Bundesebene. Nach der kleinen Bundestagswahl in NRW kommt nächstes Jahr die große, die richtige. Da wird die Linke eine starke Frau und einen starken Mann brauchen, die sie in diesen Kampf führen.

    Oskar Lafontaine, so ist zu hören, will an die Spitze der Partei zurückkehren – doch er diktiert die Bedingungen. Seine Lebensgefährtin, Sahra Wagenknecht, soll neben Gregor Gysi die Bundestagsfraktion führen. Es ist nur eine seiner Bedingungen. Lafontaine stellt die Machtfrage noch bevor er im Amt ist. Klaus Ernst, der nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch alleine an der Spitze der Linken zurückgeblieben ist, hat sich schon klar für ihn ausgesprochen.

    Wen aber wünscht sich die Partei?

    "Darf ich da ein bisschen differenzieren? Ich hätte Oskar Lafontaine gern zurück, aber: Muss es immer an der Spitze sein' Da, denke ich, müsste doch auch mal ein Generationenwechsel stattfinden. Ich glaube, ich darf das sagen, weil ich ja selbst ein ziemlich alter Knabe bin."

    Oskar Lafontaine kann es kaum schöner formulieren:

    "Und da ist eine klare Ansage von mir. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn jetzt eine jüngere, eine neue Führung installiert würde, die die Bundestagswahl angeht und die Bundestagswahl erfolgreich besteht. Ich habe allerdings signalisiert, wenn es nicht gelingt, sich auf eine solche Lösung zu verständigen, dann wieder bereitzustehen, wenn die Umfeldbedingungen einigermaßen sind."