Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Nach den Anschlägen
Digitales Gedenken in Paris

Noch immer kommen Menschen zu den Orten der Anschläge von Paris, um der Opfer zu gedenken. Archivare beginnen nun aber mit Hilfe der Stadtverwaltung damit, die Textbotschaften, Bilder und Gegenstände, die doch hinterlassen wurden, zu erfassen und digitalisieren - um die Erinnerung an die Anschläge zu ermöglichen.

Von Ursula Welter | 10.12.2015
    UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erinnert an die Anschlagsopfer.
    Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erinnerte an die Anschlagsopfer. Fotografien, Nachrichten, Zeichnungen von den Gedenkorten werden nun archiviert. (dpa/picture alliance/Etienne Laurent)
    In der vergangenen Nacht stand der Rockstar Madonna singend mit Anhängern auf dem Platz der Republik vor dem Blumenmeer, das sich dort für die Opfer der Anschläge des 13. November angesammelt hat. Vor zwei Tagen standen die Mitglieder der Band Eagles of Death Metal weinend vor den Beileidsbekundungen, die sich dort im Herzen von Paris aufstauen. Jene Band also, deren Konzert lief, als die Attentäter das Bataclan stürmten. Aber nicht nur die Stars dieser Welt gedenken der Opfer, Tag für Tag kommen Passanten, zünden Kerzen an, legen Blumen nieder und andere Objekte, mit denen sie der 130 Opfer gedenken möchten.
    Seit heute Früh werden die Orte der Erinnerung in Paris bearbeitet. Die Stadtreinigung entfernt vorsichtig Blumengebinde, die verwelkt sind, und die Mitarbeiter des städtischen Archivs sammeln die Objekte ein, nicht nur damit sie vor Feuchtigkeit und Kälte geschützt werden: "Die Gegenstände", sagte Guillaume Jacques Nahon, der Direktor des Archivs von Paris, "die Gegenstände sollen den Wissenschaftlern zur Verfügung stehen, nicht zuletzt den Soziologen, die sich für diese Zeugnisse interessieren, für diese große Solidaritätsbewegung", die sich vor den Orten des Grauens schon nach den Januar-Attentaten rund um die Redaktionsräume von "Charlie Hebdo" und den Supermarkt für jüdische Lebensmittel abgespielt hatte - eine Solidaritäts- und Trauerbewegung, die nun aber, im Winter 2015 noch einmal an Umfang und Intensität zugenommen hat.
    Die Archivare packen seit heute Vormittag viele kleine und größere Gegenstände mit gebotener Vorsicht und Sorgfalt in Holzkisten: "Viel Papier, viele Fotografien, viele Zeichnungen, Fahnen, Nachrichten, die an Blumen festgesteckt wurden, Kunstwerke, Gitarren, Objekte jeder Art." Kinderzeichnungen, Solidaritätstexte, Botschaften der Pariser, der Bewohner der betroffenen Quartiers, Botschaften von Ausländern, die in Paris leben, von Touristen – alles wird nun sortiert und digital erfasst. Die Archivare Frankreichs wollen so die Erinnerungsarbeit erleichtern und den 13. November 2015 für das kollektive Gedächtnis erhalten.
    Eine Arbeit, die heute und morgen für die städtischen Mitarbeiter und die Archivkräfte gleichermaßen sehr emotional ist, räumt Guillaume Jacques Nahon vor dem Blumenmeer am Boulevard Voltaire in Paris ein: "Einerseits berührt uns das sehr, auf der anderen Seite ist das der Kern unserer Arbeit, die Erinnerung zu ermöglichen."
    Und während die Archivare ihre Arbeit tun, auch, damit weitere Menschen aus aller Welt, ihre Trauerbekundungen nach Paris bringen können, zeigten die französischen Medien heute immer und immer wieder die nächtliche Improvisation des Rockstars Madonna am Fuße der Freiheitsfigur auf dem Platz der Republik.