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Nach den Landtagswahlen im Osten
Streit um den Umgang mit der AfD

Nach den Gewinnen der AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen diskutiert die deutsche Politik über einen Strategiewechsel im Umgang mit der Partei. Die Linke stellt eine Entfremdung von den Wählern fest. In der FDP wird mehr Offenheit gegenüber der AfD und ihren Wählern gefordert.

Von Panajotis Gavrilis | 03.09.2019
    Spitzenkandidat der brandenburgischen AfD und einer der Wahlsieger: Andreas Kalbitz.
    Spitzenkandidat der brandenburgischen AfD und einer der Wahlsieger: Andreas Kalbitz (dpa / picture alliance / Gregor Fischer)
    Wie umgehen mit der AfD? Diese Frage scheint auch zwei Tage nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen vor allem die Wahlverlierer zu beschäftigen. Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sarah Wagenknecht, sieht sogar eine Mitschuld ihrer Partei an den starken Wahlergebnissen der AfD.
    "Indem wir uns von unseren früheren Wählern entfremdet haben, haben wir es der AfD leicht gemacht", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Sie bemängelt eine wachsende Distanz zu der Lebenswelt der Menschen - das zeige sich auch im Umgang mit AfD-Wählern, die so Wagenknecht, "gern pauschal als Rassisten beschimpft würden, obwohl viele von ihnen früher links gewählt hätten".
    "Das Weiter so, das hat der Wahlabend gezeigt, das haben schon die Europawahlen gezeigt, das ist kein Angebot", fügt der Co-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch im ARD-Morgenmagazin hinzu. Ist die Linke zu etabliert, zu akademisch?
    "Offensichtlich ist es so, dass Menschen uns als zu etabliert sehen. Das hat auch damit zu tun, dass wir in drei Ländern Regierungsverantwortung tragen, dass wir Bürgermeister und Oberbürgermeister stellen. Wir müssen deutlicher machen, dass wir Opposition zu den gesellschaftlichen Verhältnissen sind. Das ist schnell ausgesprochen. Das aber praktisch zu leben, das ist die Aufgabe. Da müssen wir jetzt auch mal da hinhören, wo viele gekämpft haben, viele verloren haben."
    Vor allem bei der Frage, wie liberal oder restriktiv linke Migrationspolitik sein soll, hätte die Fraktion sich fast gespalten.
    Kubicki: Politik der radikalen Abgrenzung schadet
    Auf die Wählerinnen und Wähler zugehen, vor allem auf die der AfD, dafür plädiert auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. Es werde "nicht ausreichen, die AfD nur auszugrenzen und zu denunzieren", so Kubicki in der "Passauer Neuen Presse". Die Politik der radikalen Abgrenzung schade eher. Man müsse offener und kommunikativer mit der Partei und ihren Wählern umgehen und nicht alles als rechtsradikal brandmarken, was einem nicht gefalle, so Kubicki weiter.
    Ob das die neue FDP-Linie wird? Fraglich, wenn man den gestrigen Äußerungen des Parteivorsitzenden Christian Lindner folgt: "Wir hängen unser Fähnchen nicht nach dem Wind und sagen: 'Ach so, jetzt müssen wir Dinge völlig anders machen als vorher.'"
    CDU erneuert Absage an AfD
    Die schwarz-rote Koalition indes setzt auf lösungsorientiertes Regierungshandeln, zum Beispiel in der Klimapolitik. Und geht es nach CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer:
    "Wir machen Politik für alle Wählerinnen und Wähler, egal ob sie uns ihre Stimme gegeben haben oder nicht. Aber gleichzeitig halten wir den Kurs der klaren Abgrenzung zur AfD. Und deswegen gilt auch weiter der Beschluss, dass es mit der AfD keine Regierung geben wird."
    Die einen wollen sich der AfD und ihren Wählerinnen und Wählern annähern, die anderen sich abgrenzen.
    Zentralrat der Muslime warnt
    Der Zentralrat der Muslime warnt indes davor, in AfD-Anhänger und Anhängerinnen "besorgte Bürger" zu sehen. Man solle sich nicht weiter etwas vormachen und annehmen, dass es sich bei AfD-Wählern um Protestwähler oder naive Menschen handele, so der Vorsitzende Aiman Mazyek in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Diese - also die Wähler - wüssten "ganz genau, dass sie mit ihrer Stimme Rechtsextremisten zu Sitzen in den Parlamenten verhelfen" würden, so Mazyek weiter.