Freitag, 19. April 2024

Archiv

Nach den Protesten in Russland
Erste Urteile und Erklärungsversuche

Zwei Tage nach den regierungskritischen Protesten in Russland ist die Mehrheit der verhafteten Demonstranten inzwischen wieder auf freiem Fuß, einige Geldstrafen wurden verhängt. An der Debatte über die Ursachen der Demos beteiligt sich die Regierung nicht, stattdessen verteidigt sie den Polizeieinsatz.

Von Thielko Grieß | 28.03.2017
    Während der landesweiten Anti-Korruptions-Proteste in Russland wurden - wie hier in Moskau - Hunderte Demonstranten festgenommen
    Während der landesweiten Anti-Korruptions-Proteste in Russland wurden - wie hier in Moskau - Hunderte Demonstranten festgenommen (Imago)
    Noch immer sitzen zahlreiche Menschen in Haft. Die Macher der Seite ovdinfo.org sammeln und veröffentlichen Zahlen russlandweit. Demnach waren in Moskau von den ursprünglich mehr als 1.000 Verhafteten am Abend fast 800 wieder frei; in Sankt Petersburg sind die mehr als 100 Festgenommenen wieder auf freiem Fuß.
    Die Seite informiert außerdem über erste Urteile: In Nischni Nowgorod wurden einige Demonstranten mit kleinen Geldstrafen von umgerechnet weniger als zehn Euro bestraft. In Moskau urteilte ein Bezirksgericht über den wohl prominentesten Häftling, Alexej Nawalny, der als Kopf der Proteste gilt. Wegen Widerstands gegen Polizisten muss er 15 Tage in Haft bleiben und zusätzlich umgerechnet gut 320 Euro zahlen, weil er zu einer nicht genehmigten Demonstration aufgerufen hatte. Nawalny sagte im Anschluss an das Urteil:
    "Ich bin schon ziemlich oft wegen Verwaltungssachen vor Gericht gezogen worden. Dieses Verfahren war bis jetzt das schnellste. Es gab keine Zeugenanhörungen, keinem Gesuch wurde stattgegeben. Selbst die Illusion der gerechten Justiz fehlt in diesem Fall völlig."
    Die staatlichen Medien berichten nicht über den Protest
    Die staatlichen oder staatsnahen Massenmedien haben die Ereignisse fast überhaupt nicht thematisiert. Einzig die Tatsache, dass ein Polizist am Kopf verletzt wurde sowie die Strafe für Nawalny fanden auf der Internetseite des Staatsfernsehens Erwähnung.
    Die auf anderen Seiten und in anderen Medien geführte Debatte kreist vor allem um die Tatsache, dass überwiegend Schüler und Studenten auf der Straße waren. Dafür sieht die Politologin Jekaterina Schulman in einer Analyse im Fernsehsender Doschd drei Gründe: Den Jungen werde der soziale Aufstieg verwehrt, Nawalny spreche ihre Sprache und:
    "Nicht, dass sie gar nicht fernsehen. Sie sehen fern, aber anders. Sie sehen im Internet nur einzelne Sendungen. Ich glaube, selbst wenn sie sich staatliche Propagandasendungen anschauen, wirken diese auf sie nicht, weil diese Sendungen von sowjetischen Menschen für sowjetische Menschen gemacht werden. Deswegen nutzen sie für Unterhaltung Youtube, für Information soziale Netzwerke. Die jungen Leute haben eine ganz andere Agenda."
    Medwedew war Skilaufen
    An der Debatte über die Ursachen beteiligt sich die Regierung nicht. Im Internet kursieren Bilder des Instagram-Kontos von Premierminister Dmitri Medwedew. Ein Nutzer hatte ihn dort gefragt, wie sein Tag, an dem in Dutzenden Städten auch gegen ihn demonstriert worden war, verlaufen sei. Die Antwort: "Nicht schlecht, bin Ski gelaufen".
    Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verteidigte den Polizeieinsatz, der professionell abgelaufen sei, vor allem in Moskau. Wer an nicht genehmigten Versammlungen teilnehme, verstoße gegen das Gesetz, so Peskow. Er sagte außerdem:
    "Es gibt Informationen darüber, dass man minderjährigen Demonstranten in Moskau im Fall einer Festnahme eine Belohnung in Form von Geld versprochen hat. Dafür gibt es Beweise."
    Die allerdings legte er nicht vor.