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Nach der Bayernwahl
Mohring: Union muss raus aus dem Streitmodus

Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring sieht im andauernden Streit zwischen CDU und CSU die Ursache für das schlechte Wahlergebnis der CSU in Bayern. Die Fraktionsgemeinschaft will er deswegen allerdings nicht infrage stellen, sagte er im Dlf. Er forderte die Schwesterparteien mit Blick auf die Hessen-Wahl zu mehr Sachlichkeit auf.

Mike Mohring im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 16.10.2018
    Der neue Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring.
    Der Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring. (picture alliance/dpa/Michael Reichel)
    Man müsse sich wieder um Themen kümmern und eine bessere Tonlage finden, sagte Mohring. Es sei klug, wenn sich alle auf ihre Arbeit konzentrierten - in Bayern auf die Regierungsbildung und in Hessen auf den Wahlkampf. Forderungen nach personellen Konsequenzen in der CSU stütze er nicht.
    Auch grundlegende Kritik an dem Gebilde der Fraktionsgemeinschaft - zum Teil aus der eigenen Partei - wies Mohring zurück: "Die CDU und CSU bedingen sich gegenseitig", so der CDU-Politiker. Sie seien gegenseitig Voraussetzung für den Erfolg der Schwesterpartei. Zudem sei die Fraktionsgemeinschaft wichtig, um eine starke bürgerliche Mitte zu garantieren. Es sei Aufgabe und Anspruch, so auch die Ränder kleinzuhalten.

    Das Interview in voller Länge:
    Ann-Kathrin Büüsker: Am Telefon ist jetzt Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU in Thüringen, wo in einem Jahr gewählt wird. Einen schönen guten Morgen, Herr Mohring.
    Mike Mohring: Schönen guten Morgen! Ich grüße Sie.
    Büüsker: Herr Mohring, Ihr Parteikollege Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, der hat der CSU personelle Konsequenzen nahegelegt. Schließen Sie sich dem an?
    Mohring: Nein, das tue ich nicht, weil es, glaube ich, klug ist, wenn sich jetzt alle auf ihre Arbeit konzentrieren nach diesem ja dramatischen Wahlsonntag. Das heißt, dass die Bayern eine Regierung bilden müssen und dass wir alle wissen, dass die Hessen in zwei Wochen ja auch noch wählen, wie wir es auch gerade im Bericht gehört haben. Deswegen sollten wir diese Frage so nicht diskutieren.
    "Das war eine Wahl mit Denkzettel"
    Büüsker: Aber wenn einem die Wählerinnen und Wähler ganz deutlich zeigen, dass sie mit der Politik so nicht zufrieden sind, dann hilft es doch nicht, einfach weiterzumachen.
    Mohring: Das war eine Wahl mit Denkzettel, wie die Wahl zur Bundestagswahl auch schon eine Wahl mit Denkzettel war. Die Ursache liegt ja auf der Hand, nämlich der ewig lange Streit zwischen CDU und CSU und auch innerhalb der Koalition. Man hatte ja das Gefühl, dass seit anderthalb Jahren wir im Dauerwahlkampf-Modus sind und gar nicht wieder aus dem Streit herausgekommen sind, und das haben die Leute auch zurecht abgestraft.
    Büüsker: Das heißt, Sie wollen sich jetzt lieber erst mal nicht mehr streiten, auch nicht über Inhalte und schon gar nicht über Personen?
    Mohring: Ja. Es wäre gut, wenn dieser Streit endlich aufhören würde, und deswegen tragen natürlich Beiträge am Montag nach der Wahl nicht dazu bei, wenn der Streit erneut aufflammt. Ich glaube, bürgerliche Wähler zu allererst goutieren das nicht mit einer Stimme zur Landtagswahl oder auch zur Bundestagswahl, wenn wir in diesem Streitmodus sind, sondern sie goutieren, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen, unsere Aufgaben erledigen und das tun, für was wir auf Zeit gewählt sind, nämlich die Dinge anpacken und die Probleme lösen, die den Leuten auf den Fingernägeln brennen.
    "Hoffe, dass Bouffier die Chance bekommt, seine Aufgabe weiterzumachen"
    Büüsker: Jetzt hat aber gerade Volker Bouffier, der ja in Hessen gerade im Wahlkampf steckt, schon am Sonntag in Richtung der CSU geschossen. Alles was die Partei in den vergangenen Monaten getan habe, das sei alles andere als hilfreich gewesen. Er scheint, da ganz stark auf eine Abgrenzung setzen zu wollen?
    Mohring: Er will vor allen Dingen, dass sich jetzt alle auf Hessen konzentrieren, und das ist ja auch richtig. Wenn man sich mal überlegt: In Hessen ist ja eine ganz andere Ausgangslage, fünf Jahre eine schwarz-grüne Regierung, wo, glaube ich, am Beginn der Wahlperiode nicht alle darauf gesetzt haben, dass das funktioniert – und gerade in Hessen. Volker Bouffier hat über die Maßen klug bewiesen, dass man in so einer Konstellation gute Arbeit machen kann, und jetzt sieht man die Umfragen und spürt irgendwie, das könnte knapp werden für die schwarz-grüne Koalition und für Volker Bouffier. Ich hoffe wirklich sehr, dass er die Chance bekommt, seine Aufgabe weiterzumachen, weil er das wirklich gut hingekriegt hat.
    Büüsker: Das Wahlergebnis 2013, das waren rund 38 Prozent für die CDU. Sie haben die Umfragewerte angesprochen; die liegen im Moment je nach Umfrageinstitut zwischen 28 und 32 Prozent. Was passiert denn, wenn Volker Bouffier tatsächlich mit einem schlechten Ergebnis aus der Wahl rausgeht?
    Mohring: Ich habe für mich einen Leitsatz entwickelt aus der Erfahrung der vielen Wahlkämpfe. Wenn die CDU die Staatskanzleien gewinnt oder das Kanzleramt, dann war hinterher alles gut und richtig. Ich setze darauf, dass die Staatskanzlei gehalten wird, und dann ist die Diskussionslage, glaube ich, eine entspanntere, als wenn die Frage sich stellen würde, was passiert, wenn die CDU aus der Regierung in Hessen fliegen würde.
    Büüsker: Aber es ist ja auch immer ganz gut, einen Notfallplan parat zu haben.
    Mohring: Zunächst macht man Wahlkampf, weil man gewinnen will, und da wäre der Notfallplan nicht hilfreich, weil er demotiviert, sondern jetzt sollten alle noch mal entschlossen die Hessen unterstützen und darauf setzen, dass Volker Bouffier Ministerpräsident bleibt.
    "CDU und CSU bedingen sich gegenseitig"
    Büüsker: Gucken wir vielleicht noch gemeinsam auf das Thema Fraktionsgemeinschaft. Sie als CDU bilden mit der CSU die Union. Jetzt hat besagter Kollege aus Schleswig-Holstein, Daniel Günther, die Sonderstellung der CSU innerhalb dieser Fraktionsgemeinschaft in Frage gestellt. Bei dem schlechten Ergebnis mit so wenig Rückendeckung durch den Wählerwillen, ist da der starke Einfluss der CSU in Berlin noch gerechtfertigt?
    Mohring: Wissen Sie, das Problem, was viele immer nicht sehen, ist, dass CDU und CSU sich in dieser Gemeinschaft, in der sie sind, sich gegenseitig bedingen und auch Voraussetzung sind für den Erfolg beider Schwesterparteien. Das heißt: Nur eine starke CSU, die auch in Bayern Legitimation hat, in Berlin für Bayern Interessen durchzusetzen, ist dann auch so stark, dass es damit auch reicht, dass die CDU und die CSU gemeinsam immer auch die Möglichkeit bekommen, Regierungsverantwortung in Berlin zu übernehmen.
    Eine gebeutelte CSU, wie wir sie derzeit sehen, die wird langfristig der Unionsgemeinschaft nichts nutzen, und deswegen bin ich auch kein Freund davon, wenn CDU-Leute sich über den derzeitigen Zustand der CSU freuen, weil langfristig wird uns das beiden schaden. Ich finde, wir haben eine große Aufgabe. Wir sind die letzten großen Volksparteien. Und wenn wir uns in Europa mal umschauen und sehen die Zersplitterung der politischen Landschaft, dann stehen wir in Deutschland vor diesem europäischen Phänomen.
    Und wenn wir nicht die Kraft haben, Bindungswirkung zu entfalten, Brücken zu bauen, die Ränder klein zu halten - das ist gleichzeitig Aufgabe und Anspruch an uns selbst-, dann wird das eine andere politische Kraft nicht übernehmen können und dann wäre es schwierig, unsere parlamentarische Demokratie gut zu verteidigen.
    Büüsker: Herr Mohring, Sie haben jetzt damit argumentiert, dass diese Fraktionsgemeinschaft einen Nutzen für beide darstellt, dass die CSU auch ein Erfolgsgarant für die CDU ist. Nun haben wir aber zu Beginn des Gesprächs darüber gesprochen, dass diese permanenten Streitigkeiten, die ja durch die CSU maßgeblich ausgelöst wurden, vielleicht sogar zu einer Bürde werden könnten für die Landtagswahl in Hessen. Das kriege ich jetzt nicht so zusammen. Dann ist die CSU doch manchmal nicht mehr der Erfolgsgarant für die CDU?
    Mohring: Na ja, ich rede ja vom Idealzustand. Das ist ja wie im richtigen Leben. Den zu erreichen und da hinzukommen, ist ja immer wieder permanente Aufgabe. Nicht die letzten Monate sind maßgeblich für meine Einschätzung, sondern die vielen, vielen erfolgreichen Jahre davor, und ich hoffe, wir kommen dahin zurück. Nach meiner Einschätzung hätten wir schon seit gestern anfangen müssen, wieder zu diesem Idealzustand zurückzukommen.
    Müssen "eine bessere Tonlage finden"
    Büüsker: Hoffen Sie genauso wie die SPD darauf, dass man einen gemeinsamen besseren Stil in Berlin hinbekommt?
    Mohring: Ja, auf jeden Fall! Ich habe im Vorbericht, den wir beide gehört haben, diese Einschätzung gehört und kann die nur teilen, sowohl was die Leute aus der SPD gesagt haben als auch aus der CDU. Es ist die grundlegende Aufgabe, sich um die Themen zu kümmern, eine bessere Tonlage zu finden. Wir wundern uns manchmal über die Sprache und Tonalität, die sich entwickelt hat im Politischen, und tragen doch selbst dazu bei.
    Deswegen haben wir auch eine Vorbildfunktion und die löst man dadurch ein, indem man die Arbeit macht und die Themen löst, die die Leute bewegen und manchmal sogar auf die Straße gebracht haben. Dafür sind doch Politiker da und dafür werden sie doch auf Zeit gewählt, sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen und von einem Koalitionskrisengipfel zum nächsten zu rennen. Ich glaube, hilflose Politiker will niemand sehen und erst recht niemand im Krisenmodus, sondern welche, die mit Überzeugung Zutrauen bekommen.
    Büüsker: Wäre es nicht dann auch grundlegende Aufgabe der Bundeskanzlerin, diesen Streit ein bisschen einzuhegen?
    Mohring: Ja, klar! Gerade die, die an der Spitze stehen, haben die besondere Verantwortung, diesen Laden so zusammenzuhalten und auch die Richtung mitzugeben, dass alle wissen, wohin die Reise geht.
    Büüsker: Das hat sie zuletzt aber nicht so richtig gemacht.
    Mohring: Da ich grundlegend optimistisch bin in diesen Tagen, setze ich darauf, dass das wieder gelingt, und ein Wahlerfolg in Hessen hilft dabei, vielleicht diese Souveränität wieder zurückzugewinnen, dass auch die CDU nicht anfängt, sich in Personaldiskussionen selbst zu beschäftigen für die nächsten Monate.
    Büüsker: Das heißt, ich kriege Sie heute Morgen hier im Deutschlandfunk auch nicht dazu, ein kritisches Wort über Angela Merkel fallen zu lassen?
    Mohring: Nein, das bekommen Sie nicht hin, zumal ich Angela Merkel ja eingeladen habe nächste Woche auf meinen Landesparteitag, wo wir uns aufstellen wollen für unsere Landtagswahl, und ich will ja einen motivierten Gast bei mir haben und keine, die mit kritischem Blick auf den Landesverband in Thüringen schaut.
    "Wünsche mir, dass in Berlin die Streitereien aufhören"
    Büüsker: Das heißt, wenn Sie in den Landtagswahlkampf des kommenden Jahres gehen, dann wünschen Sie sich Angela Merkel auch weiterhin als Parteivorsitzende der CDU?
    Mohring: Vor allen Dingen wünsche ich mir eine CDU, die in Umfragen besser steht und nicht bei 26 Prozent in Berlin dahindümpelt. Eins ist doch klar: Wenn wir in den neuen Bundesländern wählen und die CDU auf diesem niedrigen Niveau zu den Umfragen verharrt, dann ist die Ausgangslage äußerst schwierig.
    Wir haben die besondere Situation, das sieht man ja in den Umfragen regelmäßig, dass Linke und AfD in der Summe weit über 40 Prozent mittlerweile in Umfragen an Zustimmung finden. Wie soll man da noch in der bürgerlichen Mitte eine stabile Regierungsfähigkeit zustande bekommen, wenn die einzig verbliebene Volkspartei bundesweit nur bei 26 Prozent steht. Deswegen wünsche ich mir, dass es einen starken Zuspruch gibt, dass in Berlin die Streitereien aufhören und dass die Leute auch in den neuen Ländern sehen, die machen in Berlin ihre Arbeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.