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Nach der Epidemie ist vor der Epidemie

Auch ein Jahr nach dem ersten Ausbruch einer EHEC-Infektion ist eine erneute Epidemie nicht ausgeschlossen: Weder am Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung noch an den Schwächen des Meldesystems der Lebensmittelüberwachung habe sich viel geändert, sagt die Biologin Britta Fecke.

Von Britta Fecke | 08.05.2012
    Benjamin Hammer:Können Sie sich noch erinnern, wie Sie vor gut einem Jahr durch einen Supermarkt gegangen sind? Wie Sie erst an den Gurken vorbeigingen, dann am Salat, dann an den Tomaten und doch nichts davon kauften? Monatelang herrschte im vergangenen Jahr Verunsicherung vor den EHEC-Bakterien. Niemand wusste genau, woher sie kamen. Sicher war nur, dass sie sehr ansteckend sein können – im schlimmsten Fall mit tödlichen Folgen. Vor genau einem Jahr registrierte das Robert-Koch-Institut zum ersten Mal den Ausbruch einer EHEC-Infektion gepaart mit HUS. Meine Kollegin Britta Fecke ist bei uns im Studio. Sie ist Biologin und hat den Fall damals intensiv verfolgt. Erste Frage, Frau Fecke, kann uns so etwas nochmal passieren?

    Britta Fecke: Ja, ganz bestimmt. Und zwar aus vielerlei Gründen. Vor allem weil wir in einer Welt leben, die voller Keime und Bakterien ist und wir diese Welt mit dem unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika auch so verändert haben, dass multiresistente Keime entstehen, gegen die wir am Ende machtlos dastehen. Ein weiterer Grund, warum wir immer der Gefahr ausgesetzt sind das Chargen irgendeines Lebensmittels - sei es Bockshornklee oder Hackfleisch - mit pathogenen Keimen verseucht ist, der liegt bei der Lebensmittelüberwachung, die nach wie vor Schwachstellen aufweist, und bei dem Meldesystem in Deutschland.

    Sie erinnern sich das nach der Ehec-Epidemie das Krisenmanagement der zuständigen Ministerien hart kritisiert wurde, weder das Frühwarnsystem hatte funktioniert noch die behördliche Zusammenarbeit. Der Bundesrechnungshof hat zum Beispiel bemängelt, dass, mehr als 400 verschiedene Behörden in Deutschland für die Überwachung von Lebens- und Futtermitteln zuständig seien. Die Notfallpläne der Länder bestehen nebeneinander, eine verbindliche Zusammenarbeit sei gar nicht vorgesehen. Bei einer Epidemie ist das aber notwendig, dass schnell und Länderübergreifend die Informationen ausgetauscht werden.

    Damals versprach Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner eine besser Koordinierung, bisher hat sich in der Hinsicht aber noch nichts getan, Noch immer können zehn Tage ins Land gehen bis eine Infektion von der Arztpraxis – da muss sie auch erstmal erkannt werden - über das Gesundheitsamt an die zuständige Landesstelle übermittelt wird. Das ist noch immer das bestehende deutsche Meldesystem nach dem Infektionsschutzgesetz. Und erst von der Landesstelle geht die Meldung weiter an das Robert-Koch-Institut. Und nur das Robert Koch Institut hat dann den bundesweiten Überblick und den hätte es viel zu spät, denn nach 10 Tagen hat sich so eine Infektion schon großräumig ausgebreitet. Es liegt immer noch ein Gesetzesentwurf vor, um das Meldesystem zu vereinfachen aber das hängt nach wie vor in den politischen Mühlen zwischen Bundesrat und Vermittlungsausschuss fest.

    Hammer: Sie sprechen vom Behördenchaos. Ist denn mittlerweile klar was die Quelle der Infektion war?

    Fecke: Nein, ist sie meiner Ansicht nach nicht. Bundesverbraucherschutzministerin Aigner stellt es im Schulterschluss mit dem Gesundheitsminister Bahr so dar, als wären die Bockshornkleesamen aus Ägypten mit den EHEC Erregern verunreinigt gewesen und es gibt auch Hinweise, aber immer noch keine Beweise, das prangert unter anderem die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch an, denn die mutmaßlich kontaminierten Samen, die dann bei dem Bio-Sprossen-Erzeuger in Bienenbüttel gefunden wurden, die stammen von der selben Lieferung, die auch nach Österreich, Spanien und Schweden gekommen ist. Dort kam es aber nicht zu Ehec-Infektionen, von nur einem Fall in Frankreich abgesehen. Also die Quelle ist wohl nicht bekannt, auch wenn es sich für das hiesige Verbraucherschutzministerium gut anhören mag, die Ursachen im fernen Ägypten zu orten. Dass es so schwer ist die Quelle einer bakteriellen Infektion zu finden hat auch einen ganz einfachen Grund, wie Stefan Kaufmann, Professor für Mikrobiologie an der Charité weiß:

    "Wir leben in der Welt der Globalisierung, jeder Mensch kann innerhalb von 24 Stunden an jedem Ort auf diesem Planeten sein, und das gilt auch für die Mikroben, denn die wandern und fliegen mit dem Menschen mit und auch sie können die ganze Welt innerhalb von 24 Stunden erobern."

    Hammer: Britta Fecke, jetzt haben Verbraucher, Mediziner und Politiker ein gemeinsames Ziel: Eine neue Epidemie verhindern. Was muss denn dafür geschehen?

    Fecke:Die Produktionsweisen der konventionellen Landwirtschaft sind auch nach dieser EHEC-Epidemie wieder stark in die Kritik geraten, denn auch wenn die Keime vielleicht auf dem Gemüse saßen, liegt der Ursprung des Bakteriums wahrscheinlich im Verdauungstrakt der Rinder. Und so wie die Nutztiere gehalten werden, sind die Bedingungen, dass sich dort aggressive Keime bilden und sich schnell ausbreiten, diese Bedingungen sind optimal!

    Es handelte sich ja um das Darmbakterium Escheria Coli – kurz E.coli genannt - das haben wir auch im Darm. Mikrobiologen gehen davon aus, dass in irgendeinem Rind ein harmloses E.coli-Bakterium sein Erbgut mit einem anderen Stamm ausgetauscht hat. Das machen Bakterien ständig, nur in dem Fall wurde daraus eben ein besonders aggressiver und gefährlicher Keim, der außerdem auch noch die Resistenzen gegen viele Antibiotika in sich trug.

    Solche Keime können immer wieder entstehen, denn der Mensch hat dafür optimale Bedingungen geschaffen, weil in der Massentierhaltung, die Wirte eben dicht an dicht stehen und dadurch der Austausch sehr schnell passiert und wir über die Antibiotika einfach die Resistenzen fördern.

    Hammer: Ein Jahr nach EHEC. Britta Fecke hat für uns Bilanz gezogen. Vielen Dank!