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Nach der Wahl
Der abgehängte CSU-Nachwuchs

Viele junge CSUler müssen ihr Büro im Bundestag räumen. Der Grund: Keiner, der einen Listenplatz der Partei hatte, hat ein Bundestagsmandat bekommen. Das sorgt für Unmut, denn auf der CSU-Liste waren besonders viele junge Politiker.

05.10.2017
    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (l-r), der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nehmen am 25.09.2017 in München (Bayern) nach einer CSU-Vorstandssitzung an der Pressekonferenz teil. Die CSU ist nach Worten von Parteichef Seehofer bereit für Gespräche über eine Regierungsbildung, will aber vorher einen gemeinsamen Kurs mit der Schwesterpartei CDU abstimmen.
    Viele junge CSU-Politiker wünschen sich frischen Wind und neue Gesichter in der Partei. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Am Flughafen München wartet Tobias Zech auf seinen Flieger. Ziel:
    "Berlin. Ich bin ja noch drei Wochen Abgeordneter. Ich muss da noch ein bisschen arbeiten."
    21 Tage. Dann wird der oberbayerische Parlamentarier Tobias Zech, 36, sein Büro im Bundestag übergeben - besenrein.
    "Das ist quasi schon geräumt. Mit Dankbarkeit für die letzten vier Jahre und Wehmut, dass es nicht noch vier Jahre weitergeht."
    Diese Wehmut hat Tobias Zech, einer der partei-übergreifend angesehensten Jungpolitiker im scheidenden Bundestag, mit vielen jungen CSU-Kollegen gemeinsam. Katrin Albsteiger, Julia Obermeier, Astrid Freudenstein: allesamt unter oder um die 40 - und plötzlich arbeitslos. Albsteiger geht in Mutterschutz, Tobias Zech zurück in seinen alten Job bei Airbus. In seiner Heimat Altötting bleibt er Kreis- und Gemeinderat.
    "Ich hab‘ die meiste Zeit meines Lebens ehrenamtlich Politik gemacht, dann vier Jahre hauptamtlich – und jetzt wieder ehrenamtlich. Es gibt keine Erbhöfe."
    "Aderlass an jungen Politikern"
    Und die CSU ist keine Kaderpartei. Das betonen alle Ausgeschiedenen. Nein, Tobias Zech will kein schlechter Verlierer sein. Aber nicht alle CSU-Jungpolitiker sind so duldsam. Gerade jene, die im bayerischen Landtag sitzen und befürchten müssen, bei der Wahl 2018 rauszufliegen. Hans Reichhart zum Beispiel, 35, Landtags-Abgeordneter und Vorsitzender der Jungen Union. Er hat diese Woche nicht nur die Bundeskanzlerin attackiert, der er "kompletten Realitätsverlust" vorwirft. Reichhart geht auch mit seinem eigenen Parteivorsitzenden Horst Seehofer hart ins Gericht.
    "Wir haben einen brutalen Aderlass an jungen Politikern erlebt. Gerade die jungen Köpfe sind rausgefallen. Was ich mir im Wahlkampf gewünscht hätte, ist, dass wir viel stärker eine Vision zeigen. Nicht nur sagen: "Das passt schon", sondern als Zukunftspartei auftreten. Das haben wir leider nicht gemacht."
    Nun ist in der CSU nach dem 38.Prozent-Schock gerade niemand glücklich. Aber besonders unzufrieden sind die Jungen mit dem Alten. Sie werfen ihm vor, er habe im Wahlkampf auf die falschen Themen und die falschen Personen gesetzt. Nun, so JU-Chef Reichhart, brauche es einen Neuanfang...
    "Indem wir junge Themen mit jungen Köpfen präsentieren. Wir haben in der CDU/CSU viele junge Leute, die aber im Wahlkampf gar nicht richtig vorgekommen sind, sondern im allgemeinen Wahlkampfgetöse untergegangen sind."
    "Ein Haufen alter Männer ohne Biss"
    Man müsse nur mal schauen, sagt ein anderer junger CSU-ler, wer für die Christsozialen seit Jahrzehnten im Bundestag sitze. Schon mal von Alois Karl, 67, aus Neumarkt gehört? Oder von Artur Auernhammer, 54, aus Ansbach? Beide ausgestattet mit einem sicheren Direktmandat in einem schwarzen Wahlkreis, gegen das kein noch so starker Listenkandidat wie Tobias Zech oder Astrid Freudenstein eine Chance hatte.
    Oder kennen Sie Christian Schmidt, 60, aus Obernzenn? Oh, Moment, der war ja Bundes-Landwirtschaftsminister – und blieb dabei so grau, dass niemand merken wird, wenn er geht. Schmidt symbolisiert Horst Seehofers größtes Problem: schlechte Personalentscheidungen. Das halbe bayerische Landeskabinett, sagt ein Mitglied des Parteivorstandes, sei ein Haufen alter Männer ohne Biss.
    Doch für die groß angekündigte Kabinetts-Umbildung fehlt Seehofer nach der Wahlniederlage die Kraft und vor der anstehenden Landtagswahl die Zeit. Ausgerechnet der stärkste Minister in Seehofers Kabinett ist sein größter Gegner: Markus Söder, bayerischer Finanzminister und Basis-Beschwörer der CSU:
    "Ich glaube, es ist wichtig, dass man in die Basis reinhört und sie mitnimmt. Es freut mich, dass so viele in der Partei gerade bewusst sagen, dass ich eine wichtige Aufgabe habe in der Partei. Und die will ich auch erfüllen. Und die Hand dazu reichen, dass wir immer gemeinsam für den Erfolg arbeiten."
    Seehofer oder Söder
    Söder und Seehofer gemeinsam? Der Alte und der Junge Hand in Hand? Davon schwärmen die Träumer in der CSU – und die Realisten sagen: träumt weiter. Seehofer will Söder kaltstellen - und spielt auf Zeit. Er hat Regional-Konferenzen zur Beschwichtigung der Basis versprochen – aber noch immer keine Termine festgelegt. Er hat Konsequenzen aus der Wahlschlappe angekündigt, aber so weitergemacht wie bisher. Möglicherweise verschiebt Seehofer sogar den CSU-Parteitag Mitte November in Nürnberg. Denn dort könnte es zum Showdown der beiden Kontrahenten kommen - Seehofer gegen Söder, – wenn der CSU-Chef es nicht schafft, die Kanzlerin von der Obergrenze zu überzeugen. Söder stichelt schon.
    "Der Berg von Problemen, der Herausforderungen, liegt vor uns. Man darf nicht vergessen: eine denkbare Jamaika-Koalition ist inhaltlich wie emotional eine fundamentale Herausforderung. Die Grünen sind kulturell mit Abstand am weitesten von uns entfernt. Da liegen erhebliche kulturelle Differenzen. Und da am Ende eine Regierungsarbeit für die nächsten vier Jahre zu konstruieren, ist nicht einfach."
    Sehnsucht nach frischem Wind
    In dieser schwierigen Lage sehnen sich viele CSU-ler – vor allem jüngere – nach frischem Wind in der Partei. Nach neuen Köpfen. Tobias Zech allerdings, der junge Ex-Bundestags-Abgeordnete der CSU, hält das für Unsinn. Alle, die jetzt einen Personalwechsel forderten:
    "Sind Reclam-Ausgaben von Strategen. Wer denkt, er kann jetzt eine Personaldiskussion führen, hat nicht ein Jota von Politik verstanden."
    Diese Haltung wird Zech in Zukunft als einfaches CSU-Mitglied vertreten.
    "Dann gehe ich jetzt wieder über Anträge auf dem Parteitag. So habe ich es die Jahre zuvor auch gemacht. Bin seit 16 CSU-Mitglied, bin mit 32 Bundestagsabgeordneter geworden, bin mit 36 jetzt keiner mehr – da mach ich es halt genauso wie vorher. "
    Allerdings wird der Altöttinger Kreisrat Zech nicht mehr so viel Gehör finden wie der CSU-Bundestags-Abgeordnete Zech. Und die Antragsfrist für den Parteitag ist auch schon verstrichen.