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Nach der Wahl in Hongkong
Junge Wilde fordern Peking heraus

Vergangenes Wochenende ist in Hongkong ein neues Parlament gewählt worden. Das Ergebnis zeigt: Die Hongkonger leben ihre Teil-Demokratie. Denn der pro-demokratische Block im Parlament hat drei Sitze zugewonnen. Jetzt fordern immer mehr Hongkonger, dass China ihnen mehr Selbstbestimmung gewährt.

Von Steffen Wurzel | 10.09.2016
    Die Demonstranten marschieren durch eine Straße, jemand hält eine Fahne der ehemaligen Kronkolonie Hongkong.
    Demonstranten protestieren am 21.8.2016 in Hongkong gegen den Ausschluss von fünf Bürgerrechtler-Kandidaten von der Parlamentswahl. (TENGKU BAHAR / AFP)
    Die Bilder vom Wahltag in Hongkong sind beeindruckend. Ewig lange Schlangen vor den Wahllokalen, die Menschen stehen trotzdem geduldig an, um ihre Stimme abzugeben. Es ist die höchste Wahlbeteiligung aller Zeiten in der früheren britischen Kolonie, deswegen schließen die letzten Wahllokale erst nach zwei Uhr nachts.
    "Ich will für die Zukunft Hongkongs abstimmen", sagt dieser 23-jährige IT-Spezialist am Wahlabend. "Die politische Lage ist angespannt, deswegen stimme ich ab und unterstütze meinen Kandidaten."
    Die Bilder und die engagierten Statements von der Parlamentswahl in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong werden im Rest Chinas völlig ignoriert. Die Pekinger Zentralregierung hat kein Interesse daran, den 1,4 Milliarden Menschen im bevölkerungsreichsten Land der Welt zu zeigen, dass sich China und Wahlen nicht ausschließen.
    Lokalisten gewinnen hinzu
    Am Tag nach der Wahl: Jubel bei der Bekanntgabe der Ergebnisse im Lager der neuen Parlamentarier. Einer von ihnen ist der 23-jährige Nathan Law von der neuen Partei Demosisto. Er ist Student der Kulturwissenschaften, politischer Aktivist und eine Art Popstar im Lager der pro-demokratischen Jugend Hongkongs. Seiner Ansicht nach mischt sich die Pekinger Zentralregierung in viel zu viele Hongkonger Angelegenheiten ein.
    "Viele Dinge, die die Pekinger Regierung und die Pro-Pekinger Regierung hier in Hongkong zuletzt getan haben, verletzen die Prinzipien von "Ein Land, zwei Systeme". Das hat unsere Freiheiten und unsere Rechtsstaatlichkeit verletzt."
    Nathan Law ist einer von acht sogenannten Lokalisten, die es ins neue Parlament geschafft haben. Sie sind besonders harte Peking-Gegner. Die Lokalisten, man könnte sie auch Hongkong-Nationalisten nennen, fordern nicht nur mehr Demokratie und Mitbestimmung für die Menschen in Hongkong. Sie wollen, wenn möglich, nichts mehr zu tun haben mit der Zentralregierung. So auch Baggio Leung, ebenfalls neu im Parlament.
    Drohung mit der Abspaltung
    "Wir haben uns vorgenommen, eine klare Grenze zu ziehen zwischen Hongkong und der unsichtbaren Hand Pekings. Damit sich die Zentralregierung dort nicht mehr in unsere Autonomie und unsere Freiheitsrechte einmischt. Wenn diese Grenze nicht ausreicht, werden wir versuchen müssen, uns abzuspalten."
    Abspaltung: Vor nichts hat man in Peking mehr Angst. Entsprechend harsch warnt die chinesische Zentralregierung seit dem Wahltag die neuen Parlamentarier. Und entsprechend harsch äußert sich auch der Hongkong-Experte vom regierungstreuen Ostasien-Institut in Schanghai, He Wen:
    "Diese Unabhängigkeitsaktivisten sollten sich nicht täuschen und die Regierung in Peking für schwach halten. Ihre Geduld ist nicht grenzenlos. Die wirkliche rote Linie, quasi der Elektrozaun, ist noch nicht erreicht. Aber wenn die Aktivisten diesen Zaun tatsächlich einmal berühren, werden sie schon merken, wie stark der Stromschlag sein wird."
    Nach dem Wahlerfolg der Lokalisten in Hongkong erwarten einige Beobachter eine Spaltung des pro-demokratischen Lagers. Demosisto-Frontmann und Neu-Parlamentarier Nathan Law will davon aber nichts davon wissen. Im Gegenteil. Die gemäßigten und die radikaleren Demokraten müssten zusammenarbeiten im Kampf gegen den Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas.