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Nach EU-Wahl
Rumänien ringt um Korruptionsgesetze

Als Schattenministerpräsident war Liviu Dragnea die Triebfeder hinter umstrittenen Justizgesetzen, die korrupte Politiker vor Strafe schützen sollten. Nach einer krachenden Niederlage von Dragneas Partei bei der EU-Wahl sollen die Gesetze nun zurückgenommen werden. Steht Rumänien vor eine Wende?

Von Srdjan Govedarica | 08.06.2019
    Demonstranten halten auf dem Siegesplatz in Bukarest Flaggen und Protestplakate. AUfnahme vom 12. Februar 2017.
    Proteste gegen Korruption in der Rumänischen Hauptstadt Bukarest In Bucharest (dpa / NurPhoto / Sandro Maddalena)
    Anstiftung zum Amtsmissbrauch, so das Urteil, dass Hunderte Rumänen in der vergangenen Woche mit "Ab in den Knast"-Rufen bejubelt haben. Gemeint war Liviu Dragnea, der mächtige Chef der regierenden PSD. Er hatte in den vergangenen zwei Jahren versucht, diese Strafe abzuwenden.
    Als Schattenministerpräsident war er die Triebfeder hinter umstrittenen Justizgesetzen, die korrupte Politiker vor Strafe schützen sollten. Was die Rumänen davon halten, zeigten sie bei der EU-Wahl. Sie brachte Dragneas Partei eine krachende Niederlage ein. Außerdem stimmten die Rumänen bei einem Referendum mehrheitlich für einen strengeren Kurs bei der Korruptionsbekämpfung.
    Diesen Mann aus Bukarest hat das nicht überrascht: "Es ist nur normal, es ist völlig natürlich, dass überwiegend mit Ja zum Referendum geantwortet wurde. Es ist normal, dass wir nicht Menschen regiert werden, die Probleme mit dem Gesetz haben - ganz normal."
    Iohannis fordert Rücknahme aller beschlossenen Justizgesetze
    Die Frage ist nun, wie es in Rumänien weitergeht. Staatspräsident Iohannis war derjenige, der auf die Bremse getreten ist und die Rumänen über die Antikorruptionspolitik der Regierung hat abstimmen lassen.
    Nun fordert er eine sofortige Rücknahme aller beschlossenen Justizgesetze. Außerdem soll der im Referendum zum Ausdruck gebrachte Wille der Rumänen in Sachen Amnestie und Begnadigungsverbot bei Korruptionsgerichten auch in geltendes Recht umgesetzt werden.
    Nach zweitägigen Beratungen mit allen im Parlament vertretenen Parteien habe er festgestellt, dass alle fast einhellig mit der Umsetzung des Referendums in einen Gesetzesrahmen einverstanden seien, sagte Iohannis.
    Darum schlägt er ein parteiübergeifendes "nationales Abkommen" vor: "Ich habe beschlossen, die parlamentarischen Parteien dazu aufzufordern ein nationales Abkommen zu unterzeichnen, das sich die Konsolidierung des europäischen Weges in Rumänien zum Ziel setzt. Man kann es aber auch als einen politischen Pakt für das europäische Rumänien bezeichnen."
    "Präsident nutzt einmaligen politischen Moment"
    Aus Sicht der Politikwissenschaftlers Christian Pirvulsescu ein taktisch geschickter Zug des Präsidenten.
    "Der Präsident nutzt diesen speziellen, vielleicht einmaligen politischen Moment, um auch jene politischen Parteien, die antieuropäische Positionen eingenommen hatten, zur Kursumkehr zu bewegen. Wenn ihm das gelingt, wird das sehr wichtig für Rumänien sein. Der Kontext also die Notwendigkeit, die Ergebnisse des Referendums praktisch umzusetzen, ist eine sehr intelligente Lösung."
    Von einer Marionette zur Korruptionsbekämpferin?
    Ministerpräsidentin Viorica Dancila will den nationalen Pakt des Präsidenten wohl mittragen, formuliert aber auch Bedingungen: "Wir finden, dass im Falle eines Abkommens ein Konsens über alle Punkte dieses Abkommens hergestellt sein muss. Ich verstehe es handelt sich um ein Projekt und wenn wir von Europa reden, müssen alle Beteiligten an diesem Projekt europäisch behandelt werden: Wir werden mit Änderungsvorschlägen kommen, die dazu führen, dass der europäische Weg unseres Landes tatsächlich gefestigt wird."
    Die 2018 eingesetzte Ministerpräsidentin Dancila galt lange als Marionette des nun inhaftierten Parteichefs Dragnea. Zuletzt gab es allerdings Anzeichen dafür, dass sie versuchte, sich von ihrem Parteichef zu distanzieren: Nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Juncker und seinem Stellvertreter Timmermanns in Brüssel zeigte sich bereit, den umstrittenen Umbau der Justiz nicht fortzusetzen.
    Die Kommission wolle nun gemeinsam mit Rumänien nach Lösungen für Fragen der Rechtsstaatlichkeit suchen, sagte die Kommissionsspitze nach dem Treffen mit Dancila. Steht Rumänien also vor eine Wende?
    Diese Rentnerin hat das so ihre Zweifel: "Weil die Korruption bei uns so grassierend ist, hat das Referendum Erfolg gehabt, doch damit es umgesetzt wird, muss die Verfassung geändert werden und wann das geschehen soll, wer weiß es?!"