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Nach fünf Versuchen aufgegeben

Fortpflanzungsmedizin. – Von allen mehr oder weniger ernstzunehmenden Personen, denen Klonversuche am Menschen zugeschrieben werden, ist der in Österreich arbeitende Klonforscher Karl Oskar Illmensee einer der ernsthaftesten. Im vergangenen Jahr behauptete er in einem Artikel im Fachmagazin "Archives of Andrology", von einer Frau einen Klonembryo hergestellt zu haben. Nun hat er sich erstmals öffentlich zu den Experimenten geäußert. Offenbar ist es nicht bei diesem einen Versuch geblieben.

Von Sascha Karberg | 19.10.2007
    Zwischen 2003 und 2005 haben insgesamt eine Frau und vier Männer versucht, sich von ihm klonen zu lassen. Das behauptet Karl Illmensee, damals noch angestellt in der Frauenheilkunde der Uniklinik Innsbruck. Die Experimente führte er mit Unterstützung des umstrittenen Reproduktionsmediziners Panayotis Zavos durch. Illmensee zufolge fanden die Klonexperimente in der US-amerikanischen Stadt Lexington im Bundesstaat Kentucky statt, wo Zavos und seine Frau ein Labor für Reproduktionsmedizin betreiben und wo Klonen gesetzlich nicht verboten ist. Dem Reporter des Wissensmagazins PM sagte er [Illmensee] jetzt ins Diktiergerät:

    "”Zavos hat mich kontaktiert: Wie wäre denn das, wenn wir was Seriöses in Lexington machen – ob ich daran interessiert wäre. Und dann bin ich das erste Mal nach Lexington und dann habe ich gesehen, das ist doch ein recht gut ausgestattetes Labor – man muss ja auch so sehen – ich war damals im klinischen Bereich tätig und wo würde man die Möglichkeit bekommen, wo doch Forschungsmittel da sind.""

    Zavos stellte offenbar nicht nur die Gerätschaften zur Verfügung, sondern finanzierte Illmensee über die eigens gegründete Klonfirma Reprogen auch für die Zeit, in der er Urlaub von der Innsbrucker Frauenklinik nahm und die Klonversuche vorbereitete und durchführte. Illmensee:

    "Ich habe monatlich zwischen 3000 und 4000 Dollar gehabt, wo ich drüben war. Den Flug hat er bezahlt über Reprogen und die Unterkunft war insofern günstig weil ich habe in einem kleinen Haus, das ihm gehört hat, gewohnt."

    Laut Illmensee war es auch Zavos, der jene Männer und Frauen rekrutierte, die sich klonen lassen wollten. Sie seien über das Prozedere informiert worden und einverstanden gewesen, Ei- und Körperzellen für die Versuche zu spenden. Den ersten Versuch unternahm Illmensee am 14. März 2003. Er klonte eine 46jährige Amerikanerin, die keinen Partner hatte. Dafür übertrug er das Erbgut aus einer Körperzelle der Frau in eine Eizelle, der zuvor der Zellkern entfernt worden war. 64 Stunden danach war ein Embryo mit mindestens acht Zellen herangewachsen. Der Klonembryo wurde der Amerikanerin jedoch nicht eingepflanzt, weil die Gebärmutterschleimhaut der Frau nicht geeignet erschien.

    Doch dem ersten Klonversuch Karl Illmensees folgten noch acht weitere. Im Sommer 2004 implantierte er das Erbgut aus einer Hautzelle eines unfruchtbaren Mannes in eine Eizelle seiner Ehefrau. Der daraus entstandene Klonembryo wurde der Frau in die Gebärmutter eingesetzt mit dem Ziel, dass sie einen Klon ihres Mannes gebären sollte. Es kam jedoch zu keiner Schwangerschaft. Auch nicht im Jahr 2005, als Panayotis Zavos und Illmensee mit drei weiteren Paaren experimentierten, bei denen der Mann keine Spermien produzieren konnte. Laut Illmensee stammten die muslimischen Paare aus Ägypten, den USA, England sowie "Syrien oder Jordanien". Sie hätten "aus religiösen Gründen" eine Samenspende abgelehnt, so dass einzig Klonen als Weg zu einem genetisch verwandten Kind blieb.

    Protokolle, Fotos, Zeichnungen der Klonembryonen und die Schilderung der Versuche durch Illmensee legen den Schluss nahe, dass Illmensee diese Klonversuche tatsächlich durchgeführt hat, sagt Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster.

    "Illmensee ist halt jemand, der unter Beweis gestellt hat, dass er die Technik beherrscht. Das ist also nicht etwas, was Zavos oder Antinori bislang unter Beweis stellen konnten. Und deshalb ist er trotz der Probleme, die man mit Illmensee sieht, dennoch von der Fachwelt als jemand akzeptiert, der diese Versuche per se durchführen kann. Also da gibt es eine noch viel stärkere Glaubwürdigkeit, was den Versuchsansatz betrifft."

    Illmensee beschäftigte sich seit Beginn seiner Forscherkarriere in den 70er Jahren mit dem Klonen. Berühmt wurde er, als er es fast schaffte, Fruchtfliegen zu klonen. Seine Fähigkeit, mit hauchdünnen Glaspipetten winzige Zellen und Zellkerne verpflanzen zu können, brachte ihm den Ruf ein, "goldene Hände" zu haben. In den 80er Jahren geriet er allerdings in den Verdacht, Forschungsergebnisse gefälscht zu haben und wurde von der Fachwelt seitdem ignoriert. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Vergangenheit hätte Illmensee also auch wissen müssen, dass beim Klonen Fehlbildungen, Aborte und Komplikationen während der Schwangerschaft eher die Regel als die Ausnahme sind, wundert sich Hans Schöler.

    "Wenn ich ihm eins unterstellt hätte, dann das Verständnis dafür, was alles schief laufen kann. Deshalb kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, dass solche Versuche überhaupt in Angriff genommen werden. Das ist eine Sache, die ist absolut unverantwortlich, auf verschiedenen Ebenen unverantwortlich, und das kann man nur aufs Schärfste verurteilen."

    Ehemalige Kollegen beschreiben Illmensee als höflichen, liebenswürdigen und hochintelligenten Mann. Doch er habe auch "kein Unrechtsbewusstsein", fühle sich offenbar "unschuldig wie ein Kind" und sei "gewissenlos – wenn auch nicht im kriminellen Sinne". Beim Interview im griechischen Patras, wo Illmensee jetzt in einer Reproduktionsklinik namens "Genesis" arbeitet, gesteht Illmensee kleinlaut und kaum hörbar ein, dass es wohl "extreme Neugier" gewesen sei, die ihn getrieben habe. Neugier und womöglich auch der Wunsch nach später Genugtuung. Panayotis Zavos ist es jedenfalls nicht schwer gefallen, Illmensee zu den Versuchen zu überreden. Illmensee:

    "Gewisse Überzeugungskunst muss man ihm schon zubilligen. Er hat dann auch gesagt, na ja, und wenn dann doch einmal eine Schwangerschaft entsteht? Wir müssen es halt versuchen und mehrmals probieren. Na, wie gesagt, jetzt haben wir es fünf Mal versucht. Und meine Gefühle waren dann immer intensiver und negativer eigentlich, je mehr da dazukamen. Und dann war schlussendlich der Punkt erreicht, wo ich gesagt habe, na, jetzt reicht es, jetzt mache ich auf dem Niveau nimmer mit."

    Am 8. Mai 2007 hat Karl Illmensee die Kooperation mit Panos Zavos per Email beendet. Mit dem reproduktiven Klonen von Menschen wolle er in Zukunft nichts mehr zu tun haben.