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Nach Jeremy Corbyn
Verfahrensberatung für Labour-Urwahl um Parteivorsitz beginnt

Die Urwahl wird dauern. Der Sieger oder die Siegerin wird erst am 4. April bekannt gegeben - was jedoch fest steht: Jeremy Corbyn geht, aber nicht unbedingt der "Corbynismus". Seine linke Wirtschafts- und Sozialpolitik ist an der Basis immer noch populär.

Von Friedbert Meurer | 07.01.2020
Labour-Chef Jeremy Corbyn vor seinem Haus nach der Wahlniederlage.
Labour-Chef Jeremy Corbyn vor seinem Haus nach der Wahlniederlage im Dezember (Michael Bulder/picture-alliance)
Der Abend des 12. Dezember: Boris Johnson hat die Wahl haushoch gewonnen und Labour eine schwere Niederlage erlitten. Am Ende wurden die Zahlen etwas zugunsten Labours korrigiert: 365 Sitze für die Konservativen und 203 für die britischen Sozialdemokraten. Jeremy Corbyn kündigte zwar seinen Rücktritt an. In seiner Neujahrsansprache vor einer Woche aber war von Selbstkritik nichts zu hören.
"Ich kann es nicht erwarten, dass wir gemeinsam die Herausforderungen anpacken. Wir können das Land verändern – für die vielen und nicht nur einige wenige."
Jeremy Corbyn geht, aber nicht unbedingt der "Corbynismus", also die inhaltliche Ausrichtung: radikal gegen Sparpolitik zu sein, für Verstaatlichungen und für milliardenschwere Ausgabenprogramme zu sein. Tatsächlich waren sogar viele Forderungen Corbyns durchaus populär, eine Mehrheit will zum Beispiel die Eisenbahn wieder in staatlicher Hand sehen. Aber es fehlte Labour an einer glaubwürdigen Führung.
"Die Leute haben uns das nicht abgenommen, dass wir das alles liefern können", moniert zum Beispiel die Labour-Abgeordnete Jess Philipps, die für Corbyns Nachfolge kandidiert. Aber 80 Milliarden Euro mehr Rente für Frauen, 20 Milliarden für die Abschaffung der Studiengebühren, hunderte Milliarden für Verstaatlichungen und freies Internet für alle – das war des Guten zu viel.
Gute Chancen für Long Bailey und Starmer
Es sind Politiker und Politikerinnen aus dem Norden oder den Midlands, die ein gemäßigteres Wahlprogramm wünschen. Im Moment sieht es aber nicht so aus, dass die Aspirantinnen aus dem Norden eine Chance hätten. Favorit ist Keir Starmer, ein Abgeordneter mit Wahlkreis in Nord-London. Starmer war Brexit-Sprecher seiner Partei und hatte dafür gekämpft, dass Labour für ein zweites Referendum eintritt. Der Brexit aber, sagt Starmer jetzt, sei nun Geschichte.
"Wir werden die EU in den nächsten Wochen verlassen. Der Streit zwischen Leave und Remain ist damit beendet."
Starmer will nach vorne schauen, wie der Brexit gestaltet wird, und damit auch der Frage ausweichen, ob das mit dem zweiten Referendum Labour in seinen Kernlanden im Norden nicht doch massiv geschadet hat. Keir Starmer gilt eigentlich als moderater Labour-Politiker. Er weiß aber, dass Corbyns linke Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Basis immer noch populär ist.
"Was Jeremy Corbyn 2015 unserer Partei gegeben hat, war seine Überzeugung, dass wir gegen die Sparpolitik sein müssen. Das ist weiter richtig und das geben wir nicht auf."
Einer Umfrage zufolge sollen zwei Drittel der Labour-Mitglieder für Keir Starmer sein. Jeremy Corbyn aber will eine junge Frau an der Spitze sehen, die er selbst groß gemacht hat: Rebecca Long Bailey. Sie setzt auf ihren Förderer Corbyn und seine immer noch einflussreichen Helfer, ist aber geschickt genug, sich nicht als "Corbynista" definieren zu lassen.
"Ich würde das nicht Corbynismus nennen. Wir haben viele Mitglieder, die sich leidenschaftlich für die Sache einsetzen. Das gehört nicht Jeremy Corbyn alleine, sondern allen unseren Mitgliedern."
Die rund 500.000 Mitglieder plus Unterstützer müssen sich aber erst einmal gedulden: die Urwahl erfordert Zeit und der oder die Siegerin wird erst am 4. April bekannt gegeben.