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Nach Kramp-Karrenbauer Rückzug
Bosbach: Personalfragen dürfen nicht wichtiger sein als Sachfragen

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat nach dem angekündigten Rückzug der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer davor gewarnt, zu früh mögliche Kandidaten für das Kanzleramt zu diskutieren. Die noch zu bestimmende Person müsse dann aber vorbehaltlos unterstützt werden, sagte er im Dlf.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Jasper Barenberg | 10.02.2020
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach
Wolfgang Bosbach warnt vor einer "fröhlichen Debatte" um mögliche Kanzlerkandidaten (Oliver Berg / dpa)
Nach dem politischen Beben in Thüringen jetzt ein zweites: Vor gerade mal 14 Monaten wurde Annegret Kamp-Karrenbauer zur Vorsitzenden der CDU gewählt. Kritik gab es immer wieder an ihr - jetzt gibt sie auf. Um kurz vor 9 Uhr am heutigen Montagmorgen hatte die Verteidigungsministerin das CDU-Präsidium offenbar vollkommen überrascht.
Zunächst stellte sie klar, dass sie auf die Kanzlerkandidatur verzichten werde. Daraus abgeleitet will sie sich als CDU-Vorsitzende zurückziehen.
Bosbach warnte ausdrücklich, direkt eine "fröhliche Debatte" um mögliche Kanzlerkandidaten zu beginnen. Dann fielen immer die Namen Armin Laschet, Friedrich Merz oder Jens Spahn. "Ich kann nur davor warnen, am Ende gehen alle beschädigt daraus hervor."
Bosbach appellierte eindringlich, "alles zur richtigen Zeit" zu diskutieren. Erst müsse man wissen, wer für eine Kanzlerkandidatur wirklich zur Verfügung stehe. Es wäre sinnvoll, jemanden für den Parteivorsitz zu nehmen, der als Kanzlerkandidat die besten Chancen habe.
CDU in der Krise: Nach Kramp-Karrenbauers angekündigtem Rückzug droht Richtungsstreit
Der politische Tsunami nach dem Erdbeben von Erfurt hat die CDU überrollt. Die umstrittene Ministerpräsidentenwahl in Thüringen offenbarte, dass die Union tief gespalten ist – und dass der Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer die Autorität fehlt. Die hat nun die Konsequenzen gezogen.
Egal wer es dann werde, dieser Kandidat müsse vorbehaltlos unterstützt werden. "Wenn dann wieder die Nörgelei anfängt, dann wird das nichts."
Deshalb sei es so wichtig, sich auf das eigene Programm zu fokussieren. "Es war immer gut, Kurs zu halten". Die CDU müsste sich dabei klar sowohl von der AfD als auch der Linkspartei abgrenzen, so Wolfgang Bosbach.

Das Interview in voller Länge:
"Müssen uns in der Frage der Kanzlerkandidatur mit der CSU absprechen"
Barenberg: Herr Bosbach, ich will das aufgreifen, was mein Kollege gerade aus Berlin berichtet hat , dieses verabredete Prozedere zunächst einmal. Erst die Klärung der Kanzlerkandidatur, dann den Parteivorsitz. Das ist ein ungewohnter, ein ungewöhnlicher Plan. Ist es in Ihren Augen ein tauglicher, um mit diesem Punkt mal anzufangen?
Bosbach: Wenn alle diszipliniert sind, ja. In der Analyse gebe ich Stephan Detjen völlig recht. Formal betrachtet entscheidet die CDU über den Parteivorsitz natürlich souverän, so wie wir uns natürlich in der Frage Kanzlerkandidatur mit der CSU abstimmen müssen und auch abstimmen werden. Aber man wird schon Rücksicht nehmen oder zumindest gut hinhören auf das, was die CSU sagt, auch für die Spitze der CDU-Bundespartei.
Barenberg: Aber das heißt auch, Herr Bosbach, es ist das Vorhaben, die Idee, dass man einen Prozess von oben gestaltet und jedenfalls breitere Gremien der Partei nicht mit berücksichtigt bei dieser Frage?
Bosbach: Ich war ja schon damals nach dem Vorschlag der Jungen Union für eine Mitgliederbefragung. Entscheidungen sieht ja auch unsere Satzung nicht vor. Aber wenn man die Partei mit einbeziehen, wenn man die Partei auch mobilisieren möchte, dann wäre das ein tauglicher Weg, von dem ich allerdings weiß, dass er an der Parteispitze weniger gewünscht ist als an der Parteibasis.
"Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand legen"
Barenberg: Unser Korrespondent Stephan Detjen hatte ja auch die Frage gestellt, ob dieser Plan aufgehen kann. Sie haben gesagt, da müssen alle jetzt diszipliniert sein. Wo erwarten Sie denn, dass jemand möglicherweise nicht diszipliniert sein könnte?
Bosbach: Mit der fröhlichen Debatte, wer könnte Nachfolger werden. Ich plädiere ja auch jetzt schon dafür, aber unabhängig von der Person, Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand zu legen, wenn denn Markus Söder bei seiner Haltung bleibt, auf keinen Fall Kanzlerkandidatur, mein Platz ist in Bayern. Dann tauchen die Namen auf, die in den letzten Jahren immer wieder aufgetaucht sind: Jens Spahn, Friedrich Merz, Armin Laschet, vielleicht kommt noch ein Name dazu.
Ich kann nicht dazu raten, dass wir uns jetzt monatelang mit dieser Frage beschäftigen. Am Ende gibt es nämlich nur Verwundete. Der eine ruft Merz; sagt der andere, nee, mir wäre aber der Laschet lieber. Laschet, nee, ich bin aber eher für Jens Spahn. Damit würden wir das Publikum nur erstens schwer irritieren, den potenziellen Bewerberkandidat am Ende beschädigen, und vor allen Dingen wären wieder einmal Personalfragen wichtiger als Sachfragen. Das war noch nie ein Erfolgsmodell.
"Am Besten nehmen wir denjenigen mit den größten Chancen"
Barenberg: Nun ist es auf der anderen Seite, Herr Bosbach, so, dass Friedrich Merz, Jens Spahn oder Armin Laschet durchaus für eine andere Ausrichtung über ihre eigene Person hinaus stehen. Was spricht dagegen, eine Debatte darüber zu führen, welche Eigenschaften der Kandidat oder die Kandidaten haben sollten?
Bosbach: Überhaupt nichts. Nichts spricht dagegen zur richtigen Zeit. Ich möchte gerne erst mal wissen, wer denn kandidiert, wer denn Bewerber ist von den dreien. Wir müssen ja mal vorne anfangen und vorne heißt, es muss doch zunächst mal die Bereitschaft da sein. Es geht dann nicht nur um den Parteivorsitz, sondern mittelbar auch um die Kanzlerkandidatur, und mit den Eigenschaften ist das eigentlich einfach. Am besten nehmen wir denjenigen, mit dem wir die größten Chancen haben, die nächste Bundestagswahl erfolgreich zu bestreiten – kompetent, erfahren, sympathisch, charismatisch.
Barenberg: Kommt jetzt noch dazu, es braucht eine Person, die die schweren Verwerfungen innerhalb der CDU irgendwie überbrücken und versöhnen kann?
Bosbach: Ja, da haben Sie völlig recht. Es war immer gut, Kurs zu halten. Heißt für mich persönlich: Klare Abgrenzung nach Rechtsaußen zur AfD, klare Abgrenzung nach Linksaußen zur Linkspartei und die eigenen politischen Inhalte, die eigene politische Programmatik in den Mittelpunkt stellen und nicht sofort wieder die Frage diskutieren, mit wem könnten wir dann wann wo koalieren oder kooperieren. Das sieht man ja dann, wenn die Wahlurnen geleert und wenn ausgezählt ist. Dazu muss natürlich auch, egal wer es wird, die Bereitschaft der Partei gehören, den Spitzenkandidaten/Parteivorsitzenden vorbehaltlos zu unterstützen. Was dann noch fehlt ist: A wird gewählt und am nächsten Tag fängt die Nörgelei an, ich hätte aber doch lieber B. So wird das nix!
Barenberg: Sie haben gerade gesagt, gleiche Distanz zur AfD und zur Linkspartei. Da müsse man einen klaren Kurs fahren. Aber ist das nicht gerade das Problem, das offenkundig geworden ist innerhalb der letzten Woche, dass diese gleiche Distanz zur einen wie zur anderen Seite nicht funktioniert hat in Thüringen?
Bosbach: Wen sollen denn, bitte schön, die Wählerinnen und Wähler in Thüringen wählen? Wem sollen sie ihre Stimme geben, wenn jetzt auch noch die CDU den Weg für eine Wahl von Bodo Ramelow freimachen würde? Wenn jemand sagt, ich möchte nicht, dass die AfD politischen Einfluss nimmt, und ich möchte auch keinen Ministerpräsidenten der Linkspartei, wo soll denn der Wähler sein Kreuz machen? – Natürlich haben wir in Thüringen eine vertrackte Lage, aber ich habe nicht das Gefühl, dass die AfD schwächer wird, wenn wir jetzt den Weg freimachen für einen Ministerpräsidenten der Linkspartei.
Bosbach: CDU darf nicht mit AfD kooperieren
Barenberg: Wie sollte es denn in Thüringen weitergehen, jetzt nach diesen Verwerfungen auch in der CDU?
Bosbach: Wenn es keine Einigung gibt auf die Parteien der Mitte, wenn dort keiner eine Mehrheit findet, sehe ich mittelfristig – das dauert ja seine Zeit; da müssen ja auch Formalien eingehalten werden – nur die Alternative einer Neuwahl. Die CDU kommt in schwerste Probleme, wenn wir in irgendeiner Form kooperieren mit der AfD. Da kann ich nur vor warnen. Wir kommen auch in große Probleme, wenn wir jetzt den Weg freimachen für einen Ministerpräsidenten der Linkspartei in Thüringen, denn wo, bitte, ist der fundamentale Unterschied zwischen Unterstützung, also aktive Wahl, und Weg freimachen.
Barenberg: Peter Altmaier, der Bundeswirtschaftsminister, spricht heute von einer ungewohnt ernsten Situation für die Partei. Das sehen Sie auch so?
Bosbach: Ja, das ist so. Da gebe ich ihm uneingeschränkt recht. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Das ist eine schwierige Situation für unser Land, denn ich fürchte, dass das, was wir jetzt in Thüringen besichtigen konnten in den letzten Tagen, dass das übergreifen könnte auf unser ganzes Land. Deutschland hat in den letzten 70 Jahren sehr davon profitiert, dass wir zwei starke Volksparteien hatten, die bei allen Turbulenzen dafür gesorgt haben, dass wir gesellschaftspolitisch, parlamentarisch, demokratisch Maß und Mitte gehalten haben, dass die politischen Extreme keine Chance hatten, die politische Macht prägend zu beeinflussen, und wenn das in Gefahr gerät, kommt unser Land in eine große Gefahr.
Barenberg: Hat Annegret Kramp-Karrenbauer, die Vorsitzende, ihren Schritt heute selbst zu verantworten, oder wurde sie gestürzt? Wir haben gerade gehört, dass sie ganz offenkundig auch in der eigenen Parteispitze nicht mehr den nötigen Rückhalt gefunden hat in den Gesprächen in den letzten Tagen.
Bosbach: Das ist durchaus möglich. Ich war ja bei diesen Gesprächen nicht dabei. Aber das beobachte ich schon seit geraumer Zeit. Wer gewählt ist, auch wenn er nicht meine Stimme bekommen hat, hat aber meine Unterstützung und Loyalität verdient. Es ist doch ein schönes Motiv zu sagen, es ist zwar nicht meine Kandidatin gewesen, aber sie hat meine volle Unterstützung. Es wäre doch mal toll, wenn in der CDU wir alle sagen würden, über die eigenen Leute reden wir nur gut, wir unterstützen die. Wenn man dann an der Spitze das Gefühl hat, weite Teile rufen nach Führung, wollen sich aber nicht gerne führen lassen, dann wird es schwierig, egal wer an der Spitze steht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.