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Nach Kritik an Youtubern
Heftiger Gegenwind für Kramp-Karrenbauer

Nach ihrer Forderung, Meinungsäußerungen im Netz im Wahlkampf zu regulieren, sieht sich Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) heftiger Kritik ausgesetzt. Sogar manche Parteigenossen widersprachen dem Vorstoß der Vorsitzenden, andere versuchten sich darin, ihren Auftritt als "Missverständnis" dazustellen.

Von Christiane Habermalz | 28.05.2019
Die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, steht bei einer Pressekonferenz am Pult und blickt zur Seite.
Streit mit dem Neuland: die Bundesvorsitzende der CDU befindet sich in seinem sogenannten Shitstorm (imago/Xander Heinl photothek.net)
Da braut sich was zusammen über CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, und zunehmend auch aus ihrer eigenen Partei. Sie hatte nach dem schlechten Abschneiden der CDU bei den Europa-Wahlen und dem umstrittenen Video des Youtubers Rezo gefordert, Meinungsäußerungen im Netz im Wahlkampf zu regulieren. Auf dem Sender Phoenix widersprach CDU-Vize Armin Laschet seiner Vorsitzenden:
"Nein, wir müssen als Politiker erst mal alles hinnehmen, man sollte zu einem Comment kommen, dass Antisemitismus, Islamophobie, Hass im Netz nicht stattfindet, aber als Politiker muss man jede Kritik hinnehmen, das gehört zur Demokratie."
Seehofer rät zu mehr Gelassenheit
"Unglücklich" nannte auch der CDU-Politiker Carsten Linnemann die Äußerungen seiner Parteichefin. "Wir brauchen die freie Meinungsäußerung, und nichts anderes will auch Frau Kramp-Karrenbauer", versicherte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, und auch andere Unionspolitiker versuchten sich darin, Kramp-Karrenbauers Auftritt bestenfalls als "Missverständnis" dazustellen. CSU-Chef Horst Seehofer riet seiner Partei zu mehr Gelassenheit mit den Youtubern.
"Jetzt haben wir jahrelang immer diskutiert, die Leute beteiligen sich zu wenig an der Politik, interessieren sich zu wenig an der Politik, und jetzt, wo es etwas dynamisch läuft, sind alle gleich wieder erschrocken, zum Teil sogar hilflos."
Unterdessen haben im Netz Zehntausende Bürger eine Petition für Meinungsfreiheit unterzeichnet. Bekannte Youtuber äußern darin ihre Befürchtung, dass unbequeme Videos in der heißen Wahlkampfphase künftig gefiltert werden sollten und fordern Kramp-Karrenbauer auf, ihre Angriffe auf die Meinungsfreiheit zu stoppen.
Kritik vom Journalistenverband
Kritik kam auch vom Deutschen Journalistenverband. Die CDU-Chefin habe offenbar keinen Plan, wie man mit Meinungsäußerungen im Internet umzugehen habe – nämlich tolerant, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall.
"Diese Fragestellungen, ob gewollt oder ungewollt, sind jetzt in der Welt. Wollen wir die Meinungs- und die Pressefreiheit in Deutschland schleifen oder nicht. Darüber muss jetzt diskutiert werden. Ich glaube, dass Frau Kramp-Karrenbauer auf dem Boden des Grundgesetzes steht, das muss sie jetzt aber auch beweisen."
Kramp-Karrenbauer hatte am Montag in der Pressekonferenz der CDU zur Wahlnachlese gesagt, sie habe sich gefragt, was eigentlich losgewesen wäre, wenn an Stelle der 70 Youtuber 70 Journalisten zwei Tage vor der Wahl einen Aufruf gestartet hätten, CDU und SPD nicht zu wählen.
"Es wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen. Und ich glaube das hätte 'ne muntere Diskussion in diesem Land ausgelöst."
Kritik von Opposition und Koalitionspartner
Und weiter fragte sie:
"Was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich, und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein. Das ist eigentlich 'ne sehr grundlegende Frage, über die wir uns unterhalten werden. Und zwar nicht nur wir in der CDU und mit der CDU, sondern ich bin mir ganz sicher in der gesamten medienpolitischen und demokratietheoretischen Diskussion der nächsten Zeit wird das eine Rolle spielen."
Der Shitstorm im Netz, der sie daraufhin überrollte, traf die CDU-Vorsitzende so unvorbereitet wie schon zuvor schon das Rezo-Video die Union. Opposition und Koalitionspartner reagierten ebenfalls mit heftiger Kritik. "Absurd" nannte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil Kramp-Karrenbauers Äußerungen. Wenn sie jetzt ernsthaft plane, gesetzlich gegen Youtuber vorzugehen, werde das mit der SPD sicher nicht zu machen sein. Angesichts der heftigen Kritik versuchte die CDU-Chefin zurückzurudern. In der aktuellen Debatte gehe es "nicht um Einschränkung der Meinungsfreiheit". Ihr gehe es vielmehr um die Frage des "Umgangs miteinander" – gerade in aufgeheizten Wahlkampfzeiten.