Freitag, 19. April 2024

Archiv

Nach Mord an Journalistin
Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Maltas im EU-Parlament

Nach dem Mord an einer investigativen Journalistin Daphne Galizia hat die Mehrheit der Fraktionen im EU-Parlament Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in Malta geäußert. Die EU-Kommission solle die Einhaltung europäischer Grundwerte in dem Land überprüfen. Die Kommission reagierte zurückhaltend.

Von Sebastian Schöbel | 14.11.2017
    Das Bild zeigt ein Portrait der ermordeten maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia, die am 16. Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet wurde.
    Die ermordete maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia, die am 16. Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet wurde. (AFP/Matthew Mirabelli)
    Mit Tränen in den Augen stellt sich Peter Galizia im Pressesaal des EU-Parlaments neben ein Schwarz-Weiß-Foto seiner Frau Daphne:
    "Sie wurde ermordet, weil die Mächtigen sie gefürchtet haben", sagte Peter Galizia. Und das sei nur der brutale Höhepunkt eines Lebens voller Verfolgung gewesen: Gerichtsprozesse wegen angeblicher Verleumdung - von denen bis heute noch fast 50 laufen sowie Kontosperrungen, veranlasst von der amtierenden Regierung.
    "Dann wurde auch mein älteste Sohn vom Premierminister verklagt, mein anderer Sohn verlor seinen Job als Diplomat, und unser Hund wurde vergiftet. Er überlebte nur dank der Pflege meiner Frau."
    Ihre Recherchen und Enthüllungen über Korruption und Finanzvergehen in Malta, und die Verbindungen zu den Panama Papers, setzte Daphne Caruana Galizia unbeirrt fort. Bis zum 16. Oktober, als sie bei einem gezielten Anschlag mit einer Autobombe starb.
    "Nur wenige Meter von dem Haus entfernt, in dem wir unsere Kinder aufgezogen haben", erzählt ihr Ehemann Peter.
    Parteien fordern, Maltas Rechtsstaatlichkeit zu prüfen
    EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani forderte nun erneut eine unabhängige Untersuchung des Mordes von Daphne Caruana Galizia. Und seine Partei, die Christdemokraten, legte nach: In einer gemeinsamen Resolution, zusammen mit den Liberalen, den Linken, den Grünen und den Konservativen, fordert sie nun die EU-Kommission auf, die Rechtsstaatlichkeit in Malta zu überprüfen - eine Vorstufe zum Vertragsverletzungsverfahren.
    Denn die Liste der Vorwürfe gegen Malta ist lang, so der spanische Christdemokrat Esteban Gonzalez Pons:
    "Journalisten werden diffamiert oder getötet, Verlage werden von Banken, die unter Geldwäscheverdacht stehen, erpresst, und die Polizei ermittelt nicht, weil sie persönlich und wirtschaftlich mit der Regierung verbandelt ist."
    Anschuldigungen, die die Sozialdemokraten explizit nicht mittragen. Sie haben eine eigene, schwächere Resolution aufgesetzt, eine ohne Konsequenzen für Maltas Regierung. Vor allem die maltesischen Sozialdemokraten zeigten sich verärgert, vermuteten eine politische Kampagne gegen die sozialdemokratische Regierung der Insel - die von Problemen mit den konservativen Regierungen in Polen und Ungarn ablenken soll. Man brauche jetzt objektive Fakten, so der maltesische Abgeordnete Alfred Sant, kein Vorverurteilung:
    "Stattdessen bekommen wir Vorurteile und Polemik, aufgebraut wie Pulverkaffee. So kann man EU-Land schlechtreden."
    Kommission will Entwicklung auf Malta genau beobachten
    Auch die EU-Kommission gab sich eher zurückhaltend: Die Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Malta wird es mit ihr wohl nicht geben, deutete Vizekommissionspräsident Frans Timmermans an. Man werde die Entwicklung auf Malta zwar genau beobachten:
    "Aber was nicht geht, ist erst zu urteilen und dann Fakten zu suchen, die das bestätigen. So läuft das nicht."
    Für den Ehemann von Daphne Caruana Galizia, Peter, steht derweil fest: Die Arbeit seiner Frau wird nun von anderen Journalisten fortgesetzt werden. Denn die Erinnerung an sie werde weiterleben, sagt er. Auch, weil der Pressesaal im EU-Parlament nun ihren Namen trägt.