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Nach Polens Radiosender "Trojka"
Die doppelte Alternative

Das polnische Radioprogramm "Trojka" wird zunehmend auf Regierungslinie gebracht - zum Ärger der Redaktion. Nun haben ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich zwei alternative Sender gegründet. Damit machen sie sich allerdings gegenseitig Konkurrenz.

Von Florian Kellermann | 20.10.2020
Der Sitz des Radiosenders Trojka in Warschau, der Schriftzug des Senders auf einem roten Ballon vor einem Gebäude
Der Radiosender "Trojka" in Warschau (Imago Images / Zuma Wire)
Im Mai nahm die Direktion des polnischen Radios Trojka die Internetseite mit der Hörer-Hitparade aus dem Netz. Kurz zuvor hatte ein Lied den ersten Platz belegt, das den Vorsitzenden der rechtskonservativen Regierungspartei PiS Jaroslaw Kaczynski kritisierte.
Zig Redakteurinnen und Redakteure reichten empört ihre Kündigung ein. Einer der verbliebenen wurde eilig als neuer Trojka-Chef eingesetzt: Jakub Strzyczkowski sollte die Situation retten und die enttäuschten Redakteure zurückholen. Kaum drei Monate später verließ auch er den Sender, nach 33 Jahren. Dem Internetportal "onet.pl" sagte er: "Die Journalisten waren einfach immer weniger einverstanden damit, was im Sender passiert ist. Mit dieser ziemlich primitiven Zensur. Ständig hat sich die Direktion eingemischt, wen wir als Gäste einladen sollen."
Danach wurde es noch haarsträubender. Sendungen wurden wenige Stunden vor der Ausstrahlung aus dem Programm genommen. Mitarbeiter über Nacht durch neue ersetzt.
"Regierung will aus dem öffentlichen Radio ein Organ für ihre Propaganda machen"
Bei den Hörern kommt das nicht gut an. Die durchschnittliche Einschaltquote der Trojka fiel im September auf 3,3 Prozent, nicht einmal halb so viel wie vor fünf Jahren und so niedrig wie noch nie
Diesen Abstieg empfinden viele Polen als Verlust, so auch Bartosz Arlukowicz, ehemaliger Gesundheitsminister aus den Reihen der Oppositionspartei "Bürgerplattform": "Das ist das Ende der Trojka, wie wir sie gekannt haben. Und er hat eigentlich schon im Mai begonnen. Ich bin emotional verbunden mit dem Sender, ich bin mit ihm groß geworden. Ich habe mich gewundert, dass Strzyczkowski versucht hat, den Sender zu retten. Denn die Regierung will aus dem öffentlichen Radio ein Organ für ihre Propaganda machen."
Der ehemalige Redakteur Strzyczkowski hat nun ein eigenes Projekt gestartet. "Radio 357" heißt es - in Anlehnung an die Hausnummer des Trojka-Gebäudes in Warschau. Es soll vom Dezember an über das Internet zu empfangen sein. Mit dabei sind viele ehemalige Trojka-Journalisten. In nur einem Monat hat das Projekt im Internet über 60.000 Euro gesammelt. Über 10.000 Menschen unterstützen es.
Konkurrenz aus dem eigenen PiS-kritischen Millieu
Jakub Strzyczkowski: "Schön wird dieses Radio, klug, verantwortungsbewusst und für alle. Bei uns wird es keine platten politischen Parolen geben. Wir werden politische und gesellschaftliche Themen haben. Aber die wichtigsten Gäste werden bei uns nicht Politiker sein, sondern die Hörer."
Allerdings stößt er damit auch im eigenen Milieu, dem der PiS-kritischen Journalisten, nicht nur auf Begeisterung. Denn im Juli ging bereits ein anderes Internet-Radio von ehemaligen Trojka-Journalisten auf Sendung, das "Radio Neue Welt".
Das Finanzierungsmodell ist ähnlich – über Unterstützer. Dieses erste Projekt finanzieren bereits über 30.000 sogenannte "Patrons" oder Förderer.
Kein Platz für alle ehemaligen Trojka-Journalisten
Marcin Kydrynski, einer der führenden Journalisten bei "Radio Neue Welt", sagte bei einem Treffen mit Hörern: "Da ist ein Konflikt entstanden, obwohl wir gerade nach unseren schmerzhaften Erfahrungen zusammenhalten sollten. Über die Nachricht, dass es ein weiteres Radio geben soll, habe ich mich wirklich grenzenlos geärgert. Das ist mal wieder typisch polnisch. Jeder meint, er muss mit seinem eigenen Säbel in die Schlacht ziehen."
Die meisten der Gründer von "Radio 357" hätten ein Angebot bekommen, bei "Radio Neue Welt" mitzumachen, erklärte Kydrynski. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Bei "Radio 357" hieß es, für alle ehemaligen Trojka-Journalisten sei schlicht kein Platz bei einem einzigen privat finanzierten Projekt.
Ton ist wieder versönlicher geworden
In den vergangenen Tagen ist der Ton zwischen den beiden Journalisten-Gruppen wieder etwas versöhnlicher geworden. Sie gehören jetzt gegenseitig zu ihren Unterstützern im Internet, eine symbolische Geste.
Doch Medienwissenschaftler halten es für unwahrscheinlich, dass beide Initiativen überleben können. Denn letztendlich sprechen sie ähnliche Hörergruppen an – und nur wenige dürften beide Projekte gleichzeitig finanziell unterstützen.