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Nach Präsidentenwahl in Polen
Ausgang noch immer offen

Auch wenn es bisher nur die Ergebnisse von Nachwahl-Befragungen sind, sieht es so aus, als müssten die Polen in zwei Wochen erneut an die Urne. Kein Präsidentschaftskandidat erreichte die absolute Mehrheit. Amtsinhaber Andrzej Duda muss in einer Stichwahl gegen seinen Herausforderer Rafal Trzaskowski antreten.

Von Florian Kellermann | 29.06.2020
Andrzej Duda, Präsident von Polen und Kandidat für das Amt des Präsidenten der PiS, und seine Frau Agata Kornhauser-Duda. Sie tragen eine Stoffmaske, als sie bei der Präsidentschaftswahl in einem Wahllokal ihre Stimme abgeben.
Der polnische Präsident Andrzej Duda mit seiner Frau bei der Stimmabgabe: In zwei Wochen muss er in einer Stichwahl erneut antreten. (Lukasz Gagulski/PAP/dpa)
Beide für die Stichwahl qualifizierte Politiker feierten ihr Abschneiden als Erfolg. Beiden war aber auch anzumerken, dass sie den Ausgang in zwei Wochen für offen halten.
Der Amtsinhaber Andrzej Duda unterstrich am Wahlabend abermals die sozialen Maßnahmen der PiS-Regierung, das neue Kindergeld, die Absenkung des Renteneintrittsalters, die 13. Monatsrente.
"Darum geht es bei dieser Wahl: Ob der polnische Staat wieder auf ein Minimum reduziert wird, ob die Polen wieder schlechter leben werden. Ungeachtet aller Versprechen, denn die Partei meines Opponenten hat gezeigt, dass sie alles Mögliche versprechen vor laufender Kamera, nur um es später zu brechen. Die Wähler entscheiden darüber, ob Familien weiter die nötige Beachtung finden, ob die Armut bekämpft wird."
Mit der Regierung und ihm werde es für die Rentner bald sogar eine 14. Monatsrente geben, so Duda. Für den Staatshaushalt wirklich teure neue Versprechen machte er diesmal nicht – die Corona-Krise belastet auch das polnische Staatsbudget kräftig.
Duda verzichtete diesmal auch auf seine umstrittene Kritik an Homosexuellen-Organisationen. Ihnen hatte er vorgeworfen, Polen eine neue Ideologie aufdrängen zu wollen.
Auf einem Mund klebt ein Kreuz. Im Gesicht sind aufgemalte Wunden zu sehen. Das Bild ist ein Symbolbild für die Folgen von Homophobie in Polen.
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Gegenentwurf zur nationalkatholischen PiS
Sein Gegenspieler, der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski, ging am Wahlabend, wie bei vielen Auftritten zuvor, nicht so sehr auf konkrete Programmpunkte ein. Der Kandidat der rechtsliberalen Oppositionspartei "Bürgerplattform" beschwor vielmehr seine Vision von Polen – den liberalen Gegenentwurf zur nationalkatholischen PiS.
"Das wird eine Wahl zwischen einem offenen Polen – und einem Polen, das sich ständig einen Feind suchen muss, mit einem Präsidenten, der spaltet. Das wird eine Wahl zwischen denen, die behaupten, dass sie den Bürgern etwas gegeben haben – und mir, der ich sage, dass wir alles eurer schweren Arbeit verdanken. Das wird die Wahl zwischen Vergangenheit und Zukunft."
Emotionen werden wahlentscheidend sein
Trzaskowski nimmt aus dem ersten Wahlgang einen deutlichen Rückstand auf Duda mit. Die Frage wird sein, ob er in zwei Wochen auch die meisten Stimmen derjenigen auf sich vereinigen kann, die einen der anderen Oppositionskandidaten gewählt haben. Zumindest bei den Wählern des drittplatzierten Szymon Holownia dürfte er gute Karten haben. Holownia, ein Publizist und Fernsehmoderator, positionierte sich im Wahlkampf liberal. Er kritisierte die PiS scharf für deren Gerichtsreform, die der Regierung Einfluss auf die Justiz gibt.
Außerdem spielen die Wähler des nationalistischen und EU-feindlichen Krzysztof Bosak, des Viertplatzierten, eine wichtige Rolle. Der amtierende Präsident Andrzej Duda wandte sich in seiner Rede am Wahlabend zuallererst an sie und betonte Gemeinsamkeiten mit Bosak.
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Ewa Marciniak, Politologin an der Universität Warschau, sagte dem regierungskritischen Radiosender TOK FM:
"Letztendlich wird entscheiden, welche Emotionen die beiden Kandidaten vor der Stichwahl wecken können. Denn dass dies ein sehr emotionaler Wahlkampf wird, steht fest, zumal es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird."
Dass die Wahl Polen aufwühlt, zeigte schon der gestrige Tag. Die Wahlbeteiligung lag bei über 60 Prozent – und damit wesentlich höher als vor fünf Jahren. Dabei mussten sie vielerorts in langen Schlangen vor den Wahllokalen warten – auch wegen der Corona-Schutzmaßnahmen.