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Nach Spicers Hitler-Vergleich
"Die Trump-Administration hat ein Problem mit der Wahrheit"

Die Empörung war groß, als Sean Spicer die Gräueltaten Hitlers im Vergleich zu Assads als harmloser darstellte. Mittlerweile hat der Sprecher des Weißen Hauses sich für seine Aussage entschuldigt. Der Fall hat die Debatte über den Umgang von Trumps Regierung mit der Wahrheit weiter befeuert.

Von Marcus Pindur | 13.04.2017
    Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer (14.02.17)
    Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, hatte zum Chemiewaffeneinsatz in Syrien bemerkt, nicht einmal Hitler sei so weit gegangen, Giftgas einzusetzen. (dpa picture alliance / AP / Pablo Martinez Monsivais)
    Die Meinung des 72-jährigen Jim Rutledge über Sean Spicer ist deutlich:
    "Er hatte unrecht, es war dumm. Er ist ein Idiot. Er sollte zurücktreten."
    Der 65-jährige Peter Smith, auch ein Zuschauer der Debatte im aufwendigen Journalismus-Museum an der Pennsylvania Avenue, ist weniger ungnädig, aber ähnlich unzufrieden:
    "Ich habe mir das ziemlich genau angeschaut. In Spicers Amt wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Ich verstehe schon, dass das unsensibel war, und dann noch in der Pessach-Woche. Aber ich glaube nicht, dass es seine Absicht war, verletzend zu sein. Ich hatte den Eindruck, dass es auch die intensive Aufmerksamkeit war, die die Sache so unsensibel erscheinen ließ, seine Absicht war das sicher nicht."
    Spicer selbst entschuldigte sich nochmals vorbehaltlos auf der öffentlichen Debatte im Newseum:
    "Es schmerzt mich selbst, dass ich diesen Fehler begangen habe. Ich habe Mist gebaut und eine Menge Leute beleidigt, gerade jetzt in den Oster- und Pessachwochen. Ich bitte sie um Verzeihung. Ich hätte diesen Vergleich nicht machen sollen. Man sollte Gräueltaten nicht miteinander vergleichen."
    Das denkt auch Julia Smith, 63 Jahre. Sie nimmt Sean Spicer ab, dass er den Hitler-Vergleich nicht in böser Absicht gezogen habe. Aber seine Einlassung werfe schwere Fragen über Spicers Kompetenz auf, sagt sie. Gleichzeitig sei sie misstrauisch, denn die Trump-Administration habe generell ein Problem mit der Wahrheit. Und das habe zu dem schlechten Verhältnis Trumps zur Presse geführt:
    "Der Grund für diesen Dauerstreit zwischen Weißem Haus und Presse ist es, dass die Trump-Regierung ein Problem mit der Wahrheit hat. Sie haben sogar ein großes Problem mit dem Umgang mit der Wahrheit."
    "Warum können wir nicht die Wahrheit bekommen?"
    Drinnen, im Journalismus-Museum, sitzen derweil Korrespondenten des Weißen Hauses jeglicher Couleur auf der Bühne. Und auch dort wird es irgendwann sehr grundsätzlich: Es geht um den Auftrag von Journalisten, der Wahrheit nachzugehen. Charlie Spiering, der Korrespondent der Breitbart-News im Weißen Haus, einer zwischen Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus und Verschwörungstheorien oszillierenden Website, stellt sich indirekt hinter die Behauptung Trumps, Barack Obama habe ihn abhören lassen, eine Behauptung, die durch nichts belegt ist.
    Die Tweets des Präsidenten würden ein Element der Wahrheit transportieren, so der Breitbart-Journalist. An dem Punkt unterbricht ihn Jim Acosta von CNN:
    "Ich rede nicht von einem 'Element der Wahrheit', wie wäre es, von der Wahrheit zu reden? Warum können wir nicht einfach die Wahrheit bekommen?"
    Jim Acosta ist ein erfahrener und seriöser Journalist. Er wurde Zielscheibe mehrerer schwerer öffentlicher Attacken des Präsidenten, der CNN als "fake news", als Lügenpresse verunglimpfte. Gleichzeitig wurde die Presse insgesamt in einem Tweet von Trump als "Feind des Volkes" tituliert, eine Aussage, die nicht von ihm wiederholt wurde, aber auch nicht zurückgenommen.
    CNN-Journalist: "Wir versuchen nur, den Dingen auf den Grund zu gehen"
    Die Medien seien die Opposition, so hat auch der Chefideologe im Weißen Haus, Steve Bannon, diese Haltung auf den Punkt gebracht. Das wird auch immer wieder von Breitbart und den anderen Verschwörungswebsites des rechten Randes behauptet. Nichts könnte falscher sein, entgegnet Jim Acosta:
    "Wir sind nicht die Opposition. Wir versuchen nur, den Dingen auf den Grund zu gehen. Und diejenigen Medien, die immer und immer wieder behaupten, wir seien lediglich darauf aus, den Präsidenten oder bestimmte Politiker in die Pfanne zu hauen, erweisen dem amerikanischen Volk einen Bärendienst. Ich glaube sogar, dass es unamerikanisch ist, einen Teil der Nachrichtenmedien so zu verunglimpfen."
    Julia Smith ist zwar deutlich skeptisch zu Trump eingestellt. Aber die Freiheit der Rede in den USA werde auch er nicht zerstören können:
    "Ich glaube, es gibt jetzt sogar eine Menge mehr Interesse für das Thema Redefreiheit. Und vielleicht kommt am Ende sogar viel Gutes dabei heraus. Zunächst erschien mir das alles sehr gefährlich und alarmierend. Ich vertraue aber darauf, dass unser System und unsere Redefreiheit das alles überwinden werden."