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Nach US-Urteil wegen Krebsrisiken
CDU-Politiker Gerig sieht bei Glyphosat keinen Grund zur Panik

Nach dem Urteil gegen Monsanto wegen möglicher Krebsrisiken von Glyphosat sieht CDU-Agrarpolitiker Alois Gerig keine Notwendigkeit, das Unkrautvernichtungsmittel in Deutschland zu verbieten. Er vertraue den Expertisen namhafter Institutionen, die Glyphosat nicht als krebserregend einstuften, sagte er im Dlf.

Alois Gerig im Gespräch mit Stefan Heinlein | 13.08.2018
    Ein Traktor bringt Glyphosat auf einem Feld in Niedersachsen aus
    Ein Traktor bringt Glyphosat auf einem Feld in Niedersachsen aus. Das Pestizid dient zur Unkrautbekämpfung. (picture alliance/ dpa/ Steven Lüdtke)
    Stefan Heinlein: Unterschiedlicher hätten die Reaktionen auf das Urteil aus San Francisco kaum ausfallen können. Verbieten, und zwar sofort - wir haben Renate Künast von den Grünen soeben gehört. Auf der anderen Seite Gelassenheit bei Union und FDP - alles nur Panikmache heißt es dort, es gäbe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die ein Verbot von Glyphosat rechtfertigen würden. Doch Fakt ist, dem deutschen Bayer-Konzern als Mutter von Monsanto droht in den USA jetzt möglicherweise eine Prozesslawine. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit dem CDU-Agrarpolitiker Alois Gerig. Er ist Vorsitzender des Bundestagslandwirtschaftsausschusses. Guten Morgen, Herr Gerig!
    Alois Gerig: Einen schönen guten Morgen, Herr Heinlein!
    Heinlein: Sie sind gelernter Landwirt, kennen also das Gewerbe von Grund auf. Wie wichtig ist Glyphosat für die Arbeit auf den Äckern?
    Gerig: Also wir hatten in den letzten Jahren diese Anwendung von Glyphosat permanent eingeschränkt, auch durch gesetzliche Vorgaben wird es beispielsweise nicht mehr flächendeckend zur Ernteerleichterung eingesetzt, sondern nur noch als Feuerwehr für gewisse hartnäckige Wurzelunkräuter. Wir brauchen jetzt weiterhin in Teilen ein auch im Wein und Obstbau, um eben nicht alles mechanisch umgraben zu müssen, und deswegen hat das schon eine gewisse Bedeutung, aber es wird bei Weitem nicht so stark und verbreitet eingesetzt wie beispielsweise in Nord- und Südamerika, wo es insbesondere ja in Verbindung mit dem Anbau von gentechnischen Pflanzen sehr weit verbreitet und in relativ großen Mengen eingesetzt wird. Bei uns Deutschland gibt es ja auch, Dank einer guten Gesetzgebung, keinen konventionellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Das ist ja auch was wert.
    "Die Alternativen, die fehlen eben gerade"
    Heinlein: Also Glyphosat wurde und wird… wurde eingesetzt auch in Deutschland. Macht Ihnen das jetzt Sorge, Herr Gerig, dass Geschworene in den USA sagen, Glyphosat ist möglicherweise krebserregend, Monsanto hätte davor warnen müssen?
    Gerig: Also wir müssen das Thema ernst nehmen. Das machen wir seit Jahren, aber ich sehe in der Tat auch keinen Grund zur Panik, und ich sage auch, wir müssen da jetzt die Kirche im Dorf lassen, und im Zweifel traue ich der Expertise sehr zahlreicher unabhängiger wissenschaftlicher Institutionen in Deutschland, Europa und weltweit mehr als den Geschworenen eines Schnellgerichtes, die, glaube ich, nicht mal vier Wochen getagt haben in der USA.
    Heinlein: Ist Glyphosat also aus Ihrer Sicht, aus Sicht des Landwirtes, des Agrarexperten sicher und kann weiter ohne Bedenken eingesetzt werden?
    Gerig: Also da halte ich es so ein bisschen auch mit dem Paracelsus, der gesagt hat, alles ist Gift, es kommt nur auf die Dosis an, aber wenn man analysiert, was die Wissenschaft sagt, und es gab ja den Aufschrei, als eine Tochter der WHO die IHRC gesagt hat, vermutlich krebserregend, und wenn man sieht, die haben das genauso bewertet, wie manche Teesorten, wie Kartoffelchips, wie rotes Fleisch oder wie gar das ganze Friseurhandwerk, dann muss man auch da sagen, bitte den Ball ein bisschen flacher halten, und weil es gerade in die Zeit passt, als sicher krebserregend ist dort eingestuft beispielsweise das Sonnenlicht und Alkohol.
    Heinlein: Kirche im Dorf lassen sagen Sie, Ball flachhalten. Dennoch, Herr Gerig, wäre es nicht klüger, auch aus Sicht der Verbraucher, jetzt erst einmal ein wenig vorsichtiger zu sein und Glyphosat vorerst in der Scheune zu lassen? Es gibt ja auch Alternativen.
    Gerig: Die Alternativen, die fehlen eben gerade. Also es weiter einschränken, das hat auch unsere Bundesministerin Julia Klöckner ganz klar gesagt, wir wollen es nur noch für zertifizierte Anwender zulassen, wir wollen gucken, dass wir insbesondere im privaten Garten und bei Kommunen weiter einschränken, die Bahn muss sicher weiter Gedanken machen, und auch in der Landwirtschaft es versuchen, noch weiter zurückzudrängen, aber solange wirklich im Grunde unisono alle bedeutenden wissenschaftlichen Institutionen der Branche sagen, krebserregend ist es nicht, müssen wir es nicht unbedingt ganz verbieten, und die Alternativen sehe ich leider nicht. Also chemisch kenne ich kein einziges Mittel, das jetzt ähnlich effektiv bei noch weniger Schädigung einzusetzen wäre. Die mechanische Alternative, und das ist für mich immer das Entscheidende, würde bedeuten, dass die Landwirte wieder mehr pflügen müssen. Da sind wir so langsam weggekommen, auch das kommt den Regenwürmern zugute. Es gibt weniger Erosion durch Wind oder beispielsweise die Abschwemmung in Mittelgebirgslagen, wenn wir die organische Masse auf dem Feld lassen können, und mehr pflügen, mehr mechanische Bodenbearbeitung würde auch heißen, mehr Energieverbrauch. Also ich glaube, wenn man die Rechnung unterm Strich macht, ist es besser, gezielt, zumindest nach augenblicklicher Kenntnis der Wissenschaft, dieses Glyphosat weiter zuzulassen, als es jetzt einfach wegen irgendwelchen emotionalen Geschichten vom Markt zu nehmen.
    "Es geht mir auch um die Verbraucher"
    Heinlein: Eine ähnliche Rechnung, die Sie gerade aufgemacht haben, macht auch die Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner. Sie haben sie gerade erwähnt. Ist der Eindruck ganz falsch, dass Sie und die Bundeslandwirtschaftsministerin alle Agrarpolitiker der CDU, der Union den Konflikt mit der mächtigen Agrarlobby, mit dem gut organisierten Bauernverband letztendlich scheuen und deswegen sich alle Türen offenlassen, was Glyphosat anbelangt?
    Gerig: Also der Eindruck ist sicher ganz falsch. Wir wollen uns da um die Praxis kümmern. Da geht es natürlich um die Landwirtschaft, um den Erhalt der familiengeführten bäuerlichen Landwirtschaft, die irgendwo auch im internationalen Wettbewerb steht, und es geht mir auch um die Verbraucher, die nichts davon hätten, wenn wir jetzt ein Mittel verbieten, wo wir auf der anderen Seite mehr Schädigung für Natur, Umwelt und beispielsweise Arten- und Insektenschutz tun, als wenn wir das jetzt verbieten würden. Also um die Industrie und um den Bauernverband geht es in dem Fall überhaupt nicht. Also dazu stehe ich.
    Heinlein: Dann reden wir in diesem Zusammenhang auch noch über das Treffen heute in Berlin, ein Krisentreffen von Agrarexperten, von Bund und Ländern. Die Forderung des Bauernverbandes, über den wir gerade geredet haben, liegen auf dem Tisch: eine Milliarde Euro an Entschädigung für die Dürre. Gehen Sie da mit?
    Gerig: Ich glaube, es ist jetzt schwierig, zu sagen, da mal eine Hausnummer zu nennen und sagen, eine Milliarde, sonst geht für die Landwirtschaft das Licht aus, aber man muss schon über das Thema reden, und wir erleben jetzt halt im Grunde deutschlandweit eine Situation, wie wir sie seit vielen Jahren nicht mehr hatten, wo insbesondere Futterbaubetriebe extrem betroffen sind, die Tierhalter mittlerweile im Norden und im Osten unserer Republik anfangen, ihre Bestände zu reduzieren, das heißt, Tiere zu verkaufen, weil sie nicht wissen, wie sie die futtertechnisch durch den Winter bringen sollen, und deswegen ist es schon wichtig, dass die Politik dieses Thema ganz besonders ernst nimmt, dass wir uns Gedanken machen, wie wir den Landwirten aktuell und zukünftig in solchen Situationen, die vermutlich ja noch zunehmen werden – wir gehen ja alle davon aus, dass die Wetterextreme weiter zunehmen werden –, wie wir da helfen können.
    Ernteausfälle in Deutschland analysieren
    Heinlein: Das Thema Dürre ist wichtig, sagen Sie, Herr Gerig. Wie hoch sind denn aus Ihrer Sicht die Schäden?
    Gerig: Ich möchte es nicht in Euro beziffern, und man muss in der Tat jetzt mal analysieren. Ich weiß wohl, im Süden der Republik ist der Ernteausfall ein bisschen weniger als das im Norden und im Osten der Fall ist, und deswegen ist es grundsätzlich richtig von Julia Klöckner, zu sagen, jetzt warten wir mal diese Erntebilanz ab. Die Landwirte, denen hilft es auch noch, wen wir im September Hilfsmaßnahmen einleiten. Das ist ohne Zweifel jetzt keine Situation, wo man auch mit Panik und mit Schnellschüssen reagieren darf. Da sind die Länder mit gefordert, was zu tun, und nach meiner Einschätzung sehr wohl der Bund, und ich will mich auch weiterhin dafür einsetzen, und das mache ich eigentlich seit Jahren, seit Herr Nuhr mit mäßigem Erfolg, dass es eine Art Risikoausgleichsrücklage steuerlicher Art für die Landwirte gibt, dass sie solchen volatilen Ernteausfällen – und die gibt es, meines Wissens, in keiner anderen Branche wie in der Landwirtschaft – ein Stück weit eine Rücklage bilden können, um dann eben mit eigenen Finanzmitteln dem Betrieb was zuschießen können.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der CDU-Agrarpolitiker Alois Gerig. Herr Gerig, ganz herzlichen Dank für Ihre Antworten, und ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
    Gerig: Vielen Dank, Herr Heinlein! Ebenso alles Gute! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.