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Nachgehakt
Das Ringen um den Klimaschutz

Nach zähen Verhandlungen haben sich die Teilnehmer der UN-Klimaschutzkonferenz in Paris Mitte Dezember 2015 auf ein gemeinsames Papier zur Bekämpfung der Klimaerwärmung geeinigt. Die einen feiern das Abkommen als ein gelungenes Paket, andere aber sind skeptisch. Denn das Abkommen hat einen entscheidenden Mangel.

Von Georg Ehring | 04.01.2016
    Rauch kommt aus Schornsteinen in Jilin-Stadt im Nordosten Chinas.
    Die Minister müssen in der nächsten Woche unter anderem darüber beraten, ob der Anstieg der Erdtemperatur langfristig auf höchstens zwei oder sogar auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. (Ding Dong, dpa picture-alliance)
    Es hat schon viele Aufrufe und Appelle gegeben in der Geschichte des Klimaschutzes, doch vielleicht hat dieser gewirkt:
    "Frankreich bittet, beschwört Sie, den ersten weltweit gültigen Klimavertrag unserer Geschichte abzuschließen. Es ist selten, dass man im Leben die Gelegenheit hat die Welt zu verändern. Sie haben diese Gelegenheit. Ergreifen Sie sie! Es lebe der Planet, die Menschheit, das Leben."
    Wenige Stunden nach der Rede von Frankreichs Präsident Francois Hollande war es geschafft.
    Außenminister Laurent Fabius konnte den Abschluss des Klimaschutz-Abkommens von Paris besiegeln. Herausgekommen ist ein Vertrag, der die Erwartungen der meisten Klimaschützer bei Weitem übertrifft: Die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden, wenn möglich sogar unter eineinhalb Grad.
    Ein ausgeglichenes Paket
    Entwicklungsländer sollen beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden – ab 2020 mit zunächst 100 Milliarden Dollar pro Jahr, die später noch aufgestockt werden. Lutz Weischer von der umwelt- und entwicklungspolitischen Organisation Germanwatch war zufrieden:
    "Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist insgesamt ein ausgeglichenes Paket, das ein starkes Signal zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und zu ernsthaftem Klimaschutz in den nächsten Jahrzehnten setzt und anfängt, ernsthaft die Solidarität mit den Betroffenen zu organisieren."

    Der Kern des Abkommens: Jedes Land bestimmt selbst, wie viel es für das Klima tun will. Die nationalen Beiträge zum Kampf gegen die Erderwärmung waren im Vorfeld des Gipfels eingereicht worden. Pascal von Ypersele, Klimaforscher aus Belgien und bis Oktober 2015 einer der stellvertretenden Chefs des Weltklimarats IPCC.
    "Wenn das Abkommen die Umsetzung dieser Pläne erleichtert, dann heißt dies, dass die Emissionen immer langsamer wachsen und dann sinken werden. Das würde bedeuten, dass die Temperatur am Ende stabilisiert wird."
    Längst nicht genug
    Doch die nationalen Pläne haben einen entscheidenden Mangel: Zusammengerechnet reicht der Ehrgeiz der Staatengemeinschaft bei Weitem nicht aus.
    "All dies ist längst nicht genug, um das Klima wirklich für künftige Generationen zu schützen. Es muss noch viel mehr getan werden."

    Berechnungen unterschiedlicher Institute kommen auf etwa drei Grad Erwärmung in diesem Jahrhundert, wenn die freiwilligen Selbstverpflichtungen so umgesetzt werden wie beschlossen – deutlich über dem vereinbarten Niveau.
    Immerhin: Ohne Klimaschutz wären es vielleicht vier bis fünf Grad. Doch der vielleicht wichtigste Punkt in dem Klimavertrag ist die Klausel für das Nachbessern der nationalen Ziele. Alle fünf Jahre soll sich die Staatengemeinschaft zusammensetzen, um Anspruch und Wirklichkeit besser in Übereinstimmung zu bringen. Olaf Tschimpke, der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland:
    "Die Fieberkurve kennen wir für diesen Planeten. Wir müssen jetzt nur auch die Medizin schlucken. Also: Jetzt wird es darauf ankommen, das Ambitionsniveau noch zu erhöhen."
    Doch das wird nicht einfach – zum Beispiel in Deutschland. Angesprochen auf den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, der schmutzigsten Energiequelle überhaupt, gab sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks schon zwei Tage nach dem Pariser Gipfel vorsichtig.
    "Also: Was den Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle für Zwecke der Stromerzeugung anbelangt, habe ich in der Tat vor wenigen Wochen gesagt: Ich halte einen Ausstieg ohne Strukturbrüche in 20 bis 25 Jahren für möglich. Ich habe aber nicht gesagt, ich werde jetzt ein Kohleausstiegsgesetz vorlegen, das den Endzeitpunkt im Jahr 2040 hat."
    Große Widerstände gegen Klimaschutz
    Denn die Widerstände gegen ehrgeizigen Klimaschutz sind auch bei uns nach wie vor groß. Ulrich Grillo, der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie warnte nach Abschluss des Vertrages davor, im Klimaschutz überstürzt über neue Ziele auch nur nachzudenken. Deutschland dürfe nicht vom Vorreiter zum Einsiedler werden.
    Mehr zum Thema finden Sie auch auf unserem Portal zum Klimagipfel 2015 in Paris.