Dienstag, 19. März 2024

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Nachruf auf Harald Ringstorff
Landesvater mit trockenem Humor und gesundem Menschenverstand

Erst jetzt wurde bekannt, dass Mecklenburg-Vorpommerns langjähriger Ministerpräsident Harald Ringstorff im Alter von 81 Jahren verstorben ist. Zehn Jahre lang hatte der mit Vorliebe Plattdeutsche sprechende Sozialdemokrat das Land regiert. 2008 entschloss er sich zum vorzeitigen Rücktritt - aus Altersgründen.

Von Silke Hasselmann | 23.11.2020
Mecklenburg-Vorpommerns langjähriger Ministerpräsident Harald Ringstorff auf einem Foto aus dem Jahr 2007
Mecklenburg-Vorpommerns langjähriger Ministerpräsident Harald Ringstorff auf einem Foto aus dem Jahr 2007 (imago / Seeliger)
1939 in Westmecklenburg geboren, blieb Harald Ringstroff zeitlebens in Mecklenburg-Vorpommern - als Student, als promovierter Chemiker, als Abteilungsleiter "Schiffsfarben Küste" im Volkseigenen Betrieb Lacke und Farben und auch nach der Wiedervereinigung 1990.
1989 begann er sich politisch zu engagieren: Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Sozialdemokratischen Partei in der DDR und saß in den letzten Monaten vor der Wiedervereinigung als Abgeordneter in der ersten freigewählten DDR-Volkskammer.
1998: Wahl zum Ministerpräsident
Danach begann der mit Vorliebe Plattdeutsche sprechende Ringstorff eine in Mecklenburg-Vorpommern bislang einzigartige Politikerkarriere. Er war jahrelang der SPD-Landeschef. Mitte der 90er-Jahre ging er als Wirtschaftsminister in die CDU-geführten Koalitionsregierung, war später Landtagsfraktionsvorsitzender. Alle diese Stationen bereiteten den Vollbartträger mit der sonoren Stimme und dem rollenden "R" auf das höchste politische Amt vor: Nach der Landtagswahl 1998 wurde Harald Ringstorff Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern.
Schon vier Jahre zuvor war Ringstorff drauf und dran gewesen, mit der SED-Nachfolgepartei PDS zu koalieren, was die damalige Bundes-SPD ihm nochuntersagt hatte. Nun setzte er sich durch, und die Bundesrepublik Deutschland erhielt eine rot-rote Landesregierung. Richtlinienkompetenz: Harald Ringstorff, SPD, der ein besonderes Ziel verfolgte, wie er vor vier Jahren in einem DLF-Interview rückblickend erklärte:
"Wir wollten natürlich auch beweisen, dass auch Sozialdemokraten mit Geld umgehen können. Und das ist, denke ich, auch ganz gut gelungen, obwohl es nicht immer einfach war."
2008: vorzeitiger Rücktritt aus Altersgründen
Tatsächlich begann die Schweriner Landesregierung 1998, die Staatseinnahmen und -ausgaben so in Einklang zu bringen, dass Mecklenburg-Vorpommern keine neuen Schulden mehr aufzunehmen brauchte. Ein Novum in der Bundesrepublik. Sie setzte diesen Kurs in den zehn Regierungsjahren bis 2008 fort, als sich Harald Ringstorff zum vorzeitigen Rücktritt entschloss. Kein Skandal war der Grund, sondern - so der damals 69-Jährige - sein Alter. Intern spielte aber auch seine Überzeugung eine Rolle, dass die SPD dann die besten Chancen aufs Weiterregieren in Schwerin hätte, wenn sein politischer Ziehsohn und Nachfolger Erwin Sellering mit einem Amtsbonus in die nächste Landtagswahl gehen würde.
Dass die insgesamt milliardenschwere Förderung der Werftenstandorte in Mecklenburg-Vorpommern immer wieder mit Pleiten beantwortet wurden, schmerzte ihn. Dass sich Mecklenburg-Vorpommern die viertgrößten Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur und Theater leistete, machte ihn ebenso stolz wie die Tatsache, dass sich Mecklenburg-Vorpommern unter seiner Ägide zu einem anerkannten Tourismus- und Gesundheitsland entwickelte.
Perspektisches Denken als Pflichtaufgabe
Was er seiner Partei, der SPD, immer wieder mit auf den Weg gab, auch als er bereits von seiner Krankheit gezeichnet war:
"Also wir müssen aufpassen, dass wir immer eine vernünftige Balance zwischen investiven und konsumtiven Ausgaben haben, und vor allen Dingen muss immer perspektivisch gedacht werden. Es dürfen die Ausgaben nicht kurz vor der Wahl oder in dem Haushaltsjahr, das auch Wahljahr ist, so deutlich ansteigen. Denn da ist immer kritisch nachzufragen: `Ist hier nicht etwas, was wir uns vielleicht sparen können im Interesse der Verminderung der Zinslastquote.`? "
Wie kein Zweiter verkörperte Harald Ringstorff in Mecklenburg-Vorpommern die Figur eines bedächtigen, mit trockenem Humor und gesundem Menschenverstand ausgestatteten Landesvaters. Wie beliebt und geachtet er war, zeigt sich an den jetzt eingehenden Nachrufen.