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Nachruf
Dario Fo nahm die Vertreter der Macht aufs Korn

Dario Fo war nicht nur Schriftsteller, er war Theatermann, Polit-Aktivist und unermüdlicher Mahner. Mit seinen Theaterstücken war er seit den späten 50er-Jahren unterwegs und machte sich bevorzugt über die Mächtigen lustig. Mit 90 Jahren ist der Literaturnobelpreisträger verstorben.

Von Maike Albath | 13.10.2016
    Der italienische Schriftsteller Dario Fo
    Der italienische Schriftsteller Dario Fo (dpa - picture alliance / Riccardo De Luca)
    "Un grillo per la testa, un grillo per la testa.”
    Dario Fo war unermüdlich. Noch im hohen Alter meldete er sich regelmäßig in Blogs und Fernsehsendungen zu Wort.
    "Wir müssen damit anfangen, den jungen Leuten beizubringen, dass die Kultur nicht eine überflüssige Bürde ist, sondern ein entscheidendes Mittel, um das Bewusstsein von uns Italienern zu formen und Bildung zu vermitteln. Ein Land ohne Kultur bringt stumpfsinnige Menschen ohne jede Perspektive hervor."
    Kontakt zum Publikum
    Gegen einen gleichgültigen Materialismus, wie er sich in den Regierungsjahren von Berlusconi etabliert hatte, zog der Bühnenautor, Sänger, Schauspieler und Regisseur besonders kämpferisch zu Felde. Jede Art von Snobismus war ihm fremd: Dario Fo suchte immer den Kontakt zum großen Publikum. Er trat in Fabriken und besetzten Häusern ebenso auf wie im Fernsehen und Theater. Fo war ein Mann der Piazza. Dort, wo jeder Zutritt hat, stieß er auf seine Geschichten.
    "Die ersten Geschichten habe ich von diesen einfachen Leuten gehört. Während der Kirmes gibt es Leute, die die Aufmerksamkeit des Publikums durch Fanfaren, durch Salti mortali, Spiele, Schnurren, Scherze usw. auf sich lenken."
    Im Grunde ist Dario Fo genau dies sein Leben lang geblieben: ein Possenreißer, der gemeinsam mit seiner Frau, der Schauspielerin Franca Rame, ein provokatives Volkstheater schuf und satirische Salti mortali schlug. Am 24. März 1927 im norditalienischen Sangiano als Sohn eines Eisenbahnvorstehers geboren, war er tief in der mündlichen Erzähltradition verwurzelt. Mit 17 meldete er sich freiwillig zur Armee der faschistischen Republik von Salò. Diese Episode kam erst in den 70er-Jahren ans Licht, als Dario Fo einer der Exponenten der italienischen Linken war. Der Theatermacher leugnete seine Vergangenheit nicht: Sein Kriegseinsatz sei Camouflage gewesen, so Dario Fo. Auch vor Gericht ließ sich die Wahrheit nie endgültig klären.
    Vertreter der Macht nahm Fo aufs Korn
    Fo konzentrierte sich auf sein Theater. In seinen wild zusammengewürfelten Stücken kam das mittelalterliche Mysterienspiel ebenso vor wie die Commedia dell’arte, Gauklerspäße, Varieté und Dada. Oft trat er ganz allein auf die Bühne und wechselte im Minutentakt die Rollen. Im Besitz der Wahrheit waren häufig diejenigen, die von der Gesellschaft mit Verachtung gestraft werden: Bettler, Nutten oder Säufer. Am liebsten nahm Dario Fo die Vertreter der Macht aufs Korn, allen voran die Würdenträger der Kirche.
    Bonifatius VIII verlangt während der andächtig vorgetragenen Liturgie immer wieder nach anderen Kleidungsstücken: Seinen Hut! Den Großen, verdammt noch mal, er müsse schließlich noch ausgehen. Jetzt die Handschuhe! Den Mantel, nein den anderen! Dass dieser Papst ein skrupelloser Taktiker ist, kommt in den gebellten Befehlen und deftigen Flüchen zum Ausdruck. Dario Fo mangelte es nie an Einfällen, er legte über 70 Stücke vor, erfand Fantasiedialekte und griff immer wieder politische Fragen auf.
    Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis
    1997 wurde er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. In der Tradition der mittelalterliche Bänkelsänger verspotte er die Mächtigen und gebe den Unterdrückten ihre Würde zurück, hieß es in der Begründung. Für Dario Fo, der das gesamte Preisgeld sozialen Einrichtungen spendete, ein Triumph. Seit 2013 unterstützte er die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo und forderte eine moralische Erneuerung Italiens. Ein Jahr später veröffentlichte der Nobelpreisträger seinen ersten Roman über Lucrezia Borgia und ergriff Partei für Papst Franziskus, dessen Vision ihm imponierte. Dario Fos eigener Traum von einer gerechteren Gesellschaft ging jetzt zu Ende.
    Den Nachruf können Sie heute abend um 17:35 Uhr in der Sendung Kultur heute hören.