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Nachruf
Klaus Kinkel brannte für die Politik

Justizminister, Außenminister, Vizekanzler, FDP-Chef – Klaus Kinkel wollte nie ein klassischer Berufspolitiker sein. Erst spät trat er in die FDP ein und war stolz darauf, unbequem zu sein. Der gebürtige Schwabe ist im Alter von 82 Jahren gestorben.

Von Frank Capellan | 05.03.2019
Ex-Bundesaußenminister Klaus Kinkel auf einem FDP-Europaparteitag im Januar 2014
Klaus Kinkel hatte seine berufliche Karriere als Beamter im Bundesinnenministerium begonnen (imago / sepp spiegl)
"Denk ich an Deutschland, bin ich wohl aus der aktiven Politik ausgeschieden und doch manchmal ein klein wenig um den Schlaf gebracht, weil ich mir Sorgen mache."
Klaus Kinkel, einer der immer schon für Politik brannte und doch nie ein klassischer Berufspolitiker sein wollte. Justizminister, Außenminister, Vizekanzler, FDP-Chef – Ämter, in denen er immer wieder aneckte.
"Ich war unbequem ja! Ich war sehr unbequem und da war ich auch stolz drauf!"
1936 wird er in Metzingen am Fuß der Schwäbischen Alb geboren, eigentlich wollte er Arzt werden – wie sein Vater, am Ende studiert er Jura.
"Ich bin kein klassischer Politiker gewesen und auch hoffentlich nie geworden!"
Sein Weg ist eng verbunden mit Hans-Dietrich Genscher. Als Innenminister macht Genscher ihn zum Büroleiter, als er vier Jahre später ins Außenamt wechselt, bleibt Kinkel an seiner Seite. In die FDP allerdings tritt er erst 1991 ein, unabhängig habe er immer bleiben wollen.
"Hans-Dietrich Genscher ist mein politischer Ziehvater und als er mich damals im Jahre 1969/70 gefragt hat, ob ich persönlicher Referent von ihm werden will, habe ich gesagt, ja, mache ich, aber Herr Genscher das bedeutet nicht, dass ich jetzt in Ihre Partei eintrete!"
Kinkel sorgte für Widerspruch
1979 wird er Chef des Bundesnachrichtendienstes, der erste Zivilist in diesem Amt. Danach Staatssekretär, schließlich Justizminister unter Helmut Kohl. Als Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1992 überraschend zurücktritt, schlägt die Stunde des Ziehsohns. Mit seiner schnörkellosen Art sorgt er für Widerspruch. Die EU-Erweiterung und der Krieg auf dem Balkan fallen in seine sechsjährige Amtszeit. Der Völkermord in Ruanda oder das Massaker von Srebrenica prägen ihn, sein kritischer Dialog mit dem Iran bringt ihn an den Rand des Rücktritts.
"Was ich empfunden habe war, dass ich leider Gottes selbst in diesen wichtigen Ämtern in einem der ja nicht gerade unwichtigsten Länder dieser Welt doch so relativ wenig bewegen konnte, vor allem was die Ungerechtigkeit der Welt anbelangt, Not, Elend, Hunger – das war etwas, was mich übermäßig bedrückt hat, worunter ich auch gelitten habe."
"Guten Morgen Herr Kinkel! – Guten Morgen! – Wir sind mit dem Bundesaußenminister am Telefon verbunden, guten Morgen! – Guten Morgen! – Das war Bundesaußenminister Klaus Kinkel, vielen Dank für das Gespräch, danke nach Bonn!"
Im Deutschlandfunk ist er als oberster Diplomat der Republik ein häufiger Gesprächspartner. Als Vorsitzender der Freien Demokraten aber bleibt er glücklos. Von 1993 bis 1995 führt Kinkel die Liberalen, bei vielen Landtagswahlen scheitert die FDP während dieser Jahre an der Fünf-Prozent-Hürde, dem Schwaben gelingt es nicht, seiner Partei innenpolitisch Profil zu geben.
"Herr Möllemann, geben Sie jetzt Ruhe! Geben Sie jetzt Ruhe!"
"Der größte Fehler meines Lebens"
Innerparteiliche Konflikte zermürben ihn, der Spagat zwischen Außenamt und Parteivorsitz gelingt ihm nicht. Im Rückblick urteilt er später schonungslos:
"Na ja, ich bin damals ja Parteivorsitzender geworden, weil die Partei meinte, es sei kein anderer da. Das war übrigens die größte Fehlentscheidung meines Lebens!"
Außenminister bleibt er bis zum Ende der Ära Kohl, 2002 verlässt er endgültig den Bundestag:
"Ich fange einen neuen Lebensabschnitt an und Sie werden lachen: Ich freue mich da sogar drauf!"
Zuletzt hielt er sich politisch zurück
Joggen, Tennis und Skifahren gehörten zu den Leidenschaften des vierfachen Vaters. Politisch hielt er sich zuletzt weitgehend zurück. Dass er seine Ämter ordentlich ausgeübt habe, das solle mal in den Geschichtsbüchern über ihn stehen, hat er im Zeitzeugen-Gespräch unseres Senders gedenken, mehr nicht, und ans Memorienschreiben hat Klaus Kinkel nie gedacht:
"Für mich sind Memoiren von vielen Politikern zu schnell im Ramschkasten der Bahnhofsbuchhandlungen zu finden. Ich will da keine Verherrlichung. Ich habe in meinem Leben nie einen Orden angenommen und wollte auch nicht in besonderer Weise gefeiert werden. Auch nicht in den Geschichtsbüchern!"