Montag, 22. April 2024


Nachschub: Kapitän Pedro versorgt die Insel jeden Tag

Wer ganz früher nach Boipeba wollte, der musste vom Festland in einem Kraftakt selbst herüberrudern oder: segeln. Heute gibt es Motorboote, und die Überfahrt dauert nur noch eine bis vier Stunden, je nach Schiffstyp.

Text: Jörg-Christian Schillmöller, Fotos: Dirk Gebhardt | 28.07.2013
    Boipeba ist abhängig von den Booten, die zwischen dem Festland und der kleinen Insel pendeln. Sie transportieren nicht nur Einheimische und Touristen. Sie bringen auch alle Güter her: Lebensmittel, Fernseher, Satellitenschüsseln, Ziegelsteine und gerne auch mal eine Waschmaschine. Zwölf Tonnen täglich.Jeden Nachmittag legt das kleine Schiff von Kapitän Pedro an, sechs Tage die Woche.

    Kapitän Pedro in seinem Frachtboot
    Kapitän Pedro (Foto: Dirk Gebhardt) (Dirk Gebhardt)
    Pedro ist gebürtiger Boipebaner und pendelt seit 18 Jahren zwischen Valença und der Insel. Er transportiert Lebensmittel, dafür hat er hier die Lizenz und das Monopol. Wir stehen im Nieselregen am Kai und schauen zu, wie Pedros Boot entladen wird.

    Ganz unten im Frachtraum steht Mia. Er ist Packer und reicht eine Lage Dosenbier - Marke Schin - nach der anderen nach oben. An Deck sind die Holzbänke für Passagiere zusammengeschoben worden, um mehr Platz zu schaffen. Dort oben warten acht, neun junge Männer, nehmen die Ware von Mia entgegen und tragen sie zu drei Pferdekarren, die am Kai stehen.

    Bezahlt werden die Packer nach Gewicht
    Bezahlt werden die Packer nach Gewicht (Dirk Gebhardt)
    Inzwischen gibt es Initiativen auf der Insel, um die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern: Die Pferde und Maultiere müssen offenbar viel mehr schleppen, als sie eigentlich können.

    Die Pferde und Maultiere müssen offenbar viel mehr schleppen, als sie eigentlich können.
    Die Pferde und Maultiere müssen offenbar viel mehr schleppen, als sie eigentlich können. (Dirk Gebhardt)

    Die Getränke stapeln sich auf dem Kai. Neben dem ganzen Bier stehen da auch Cola und Guaraná: Das ist die National-Limonade der Brasilianer, sehr süß, mit Kräutergeschmack. Daneben liegt ein Dutzend 20-Liter-Wasser-Spender, im Hintergrund sehen wir grüne Bananen, Kartoffeln, Bohnen, Salat und Katzenfutter.

    50 Liter Diesel schluckt der Motor für die Hin- und Rückfahrt nach Valença. Kapitän Pedros größte Sorge ist im Augenblick der Fluss: Der muss dringend ausgebaggert werden, sagt er. Wenn das Wasser niedrig steht, kann Pedro nach eigenem Bekunden erst abends um acht Uhr anlegen, und das Navigieren ist wegen der ganzen Sandbänke ohnehin ziemlich kompliziert.

    Güter für Boipeba: Immer wieder gibt es skurrile Szenen am Hafen, wenn so ein Frachtschiff anlegt. Dann liegen da plötzlich 50 Stühle, chaotisch übereinander gestapelt, oder ein paar Waschmaschinen stehen da neben einer Menge von nagelneuen Mülleimern.

    Es regnet geduldig weiter, Pedros Schiff leert sich. Die Packer machen viele Jobs auf der Insel, das Entladen ist nur einer davon. Bezahlt werden sie nach Gewicht: Drei Zwölfer-Lagen Bierdosen à 0,33 Liter bringen einen Real (40 Euro-Cent). Das Geld bekommen die Männer von den Geschäften und den kleinen Hotels, für die sie die Ware vom Schiff abholen und liefern.

    Der Weg führt entweder am Kai und am Strand entlang - am Strand Boca da Barra liegen gleich mehrere Restaurants und Pensionen. Ein anderer Weg ist die steile, schmale Straße vom Hafen zum Dorfplatz hinauf und hinein nach Boipeba. Dort liegt auch das Haus, in dem wir wohnen.

    Um ein Gefühl für das Inselleben zu bekommen, reicht es schon, sich auf die Veranda zu setzen und diese Straße zu beobachten: Von links saust ein Fahrrad den Hügel hinunter, von rechts kommt ein Trecker angerumpelt, ein Salathändler schiebt seinen Karren vorbei (mit sehr leckerem, großblättrigem Rucola). Über diese Straße muss jeder Insulaner einmal am Tag, und jeder von ihnen grüßt freundlich, je nach Tageszeit mit "Bom día", "Boa tarde" oder "Boa noite". Dann folgt die rhetorische Frage: "Tudo bom?" Alles gut? Die Antwort ist simpel: Man hebt einfach den Daumen, und das möglichst beiläufig.

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    Jörg-Christian Schillmöller
    ist seit 2001 Nachrichtenredakteur beim Deutschlandfunk. Er war mehrfach für den Sender im Ausland auf Reportage-Reisen - zuletzt 2012 mit Dirk Gebhardt im Iran. Brasilien hat er im vergangenen Jahr entdeckt.

    Dirk Gebhardt ist Fotograf und Professor für Bildjournalismus an der FH Dortmund. Er arbeitet seit Frühjahr 2012 an einer Langzeit-Dokumentation über den Sertão, eine Trockenwüste im Nordosten Brasiliens. Fotografiert hat er neben Südamerika auch in Afrika und auf dem Balkan.
    Karte von Boipeba