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Nachspiel für Stefan Mappus

Vorerst wurde der damalige Ministerpräsident Baden-Württembergs, Stefan Mappus, nach Abschluss dem Kauf von EnBW-Aktien gefeiert. Doch nur kurzfristig. Denn offenbar lief nicht alles den Regeln entsprechend ab. Nun beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit den Vorgängen.

Von Sibylle Grether | 02.02.2012
    Nikolaustag 2010 – um die Mittagszeit kommt Hektik auf im Stuttgarter Landtag. Auf den Fluren kursieren Gerüchte, wonach Ministerpräsident Stefan Mappus noch am selben Tag einen großen Coup verkünden werde. Tatsächlich lädt das Staatsministerium völlig überraschend zu einer Pressekonferenz ein. Sie findet nicht in dem nüchternen, üblicherweise für Landespressekonferenzen reservierten Raum statt, sondern geladen sind die Journalisten in die gläserne Lobby im ersten Stock. Regierungssprecher Kusche macht es spannend:

    "Ein Thema dieser Tragweite wollten wir nicht im Bolzsaal verkünden. Ich darf zunächst dem Ministerpräsidenten das Wort geben für eine Erklärung."

    "Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land Baden-Württemberg kauft den vollständigen Anteil der EdF an der EnBW AG. Heute Morgen haben zeitgleich das Landeskabinett in Baden-Württemberg und der Aufsichtsrat der EdF in Paris getagt und die entsprechenden Verträge unterzeichnet."

    Ein Paukenschlag – mit dieser Nachricht überraschte der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus alle: das Parlament, die Journalisten und nicht zuletzt das Energieversorgungsunternehmen, die EnBW. Das Land hatte klammheimlich die rund 45 Prozent Aktienanteile vom Stromriesen EdF aus Frankreich zurückgekauft und dafür knapp fünf Milliarden Euro in die Hand genommen. Den Steuerzahler koste dieser deal keinen Cent –verspricht der CDU-Politiker:

    "Das entspricht ja der berühmten schwäbischen Hausfrau – dass es wirklich ein typisches schwäbisches und badisches Geschäft ist, in dem es nur Gewinner gibt, deshalb bin ich der Überzeugung, dass es ein guter Tag für Baden-Württemberg ist."

    Zunächst sah es tatsächlich danach aus. Lob kam von allen Seiten, selbst von der rot-grünen Opposition. Für Stefan Mappus war dieser EnBW-Deal ein Befreiungsschlag – knapp vier Monate vor der Landtagswahl im vergangenen März konnte er endlich wieder einmal punkten und die Negativschlagzeilen rund um Stuttgart 21 gerieten ins Hintertreffen.

    Allerdings nur kurzfristig – schon wenige Tage später ist plötzlich von Vetterleswirtschaft die Rede. Denn: Mappus hat den Deal über der Investmentbank Morgan-Stanley abgewickelt, Deutschland-Chef von Morgan-Stanley ist Dirk Notheis, einst Chef der Jungen Union in Baden-Württemberg und ein enger Freund des Ministerpräsidenten.
    Zudem moniert die Opposition, Mappus habe für das Aktienpaket viel zu viel bezahlt. Aber am heftigsten trifft der Vorwurf, der ehemalige Regierungschef habe das Milliarden-Geschäft am Parlament vorbei abgewickelt und somit die Abgeordneten zum reinen Abnickverein degradiert. Die Opposition schäumt - Winfried Kretschmann, damals noch Fraktionschef der Grünen und SPD – Chef Nils Schmid:


    "Ich sag es ganz klipp und klar – es ist Machtmissbrauch."

    "Es war ein historisch einmaliger Affront gegen den Landtag. Die CDU guerriert sich als Staat im Staate, sie geht selbstverständlich davon aus, dass das was der Ministerpräsident macht, richtig für das Land ist. Das tut dem Land nicht gut."

    Der Staatsgerichtshof teilt diese Auffassung: In einem Urteil Monate später ist von einem eindeutigen Verstoß gegen die Landesverfassung die Rede. Mappus ist da bereits als Ministerpräsident abgewählt – in Baden-Württemberg regiert inzwischen der Grüne Winfried Kretschmann.

    Und Stefan Mappus hat der Landespolitik den Rücken gekehrt. Er wollte für den Pharmakonzern Merck nach Brasilien gehen. Nach nur vier Monaten ist er dort schon wieder ausgeschieden – wie zu hören ist, nicht ganz freiwillig – offensichtlich wollte der Pharmakonzern die anhaltende Negativpresse zu Mappus nicht weiter mittragen. Der 46-jährige versucht die Sache mit Humor zu tragen – auf einer Fasnachtsveranstaltung gab er zum Besten:

    "Statt Caiphi am Strand von Rio , Untersuchungsausschuss in Stuttgart, leck oh mio."

    Bis zum Jahresende wird der Untersuchungsausschuss die geheime Kommandosache aufarbeiten. Unter dem Decknamen "Projekt Olympia" hatte Stefan Mappus seinen Milliarden-Deal im Alleingang – nur sein Staatsminister Helmut Rau war eingeweiht – eingefädelt und abgeschlossen. Für den Grünen Obmann im Ausschuss, Hans Ulrich Sckerl ein untragbarer Vorgang:

    "Die Verletzung der Rechte des Parlaments war so elementar, dass sowohl das Parlament als auch die Öffentlichkeit das Anrecht haben, darüber genauestens Bescheid zu erfahren und es soll dann auch sich so etwas in Zukunft nicht wiederholen."

    Während Grüne und SPD besonders Mappus im Fokus haben und jetzt schon davon überzeugt sind, ihm einiges an Fehlverhalten nachweisen zu können, geht es ihm selber in 1. Linie um seine Person. Mappus will sich rehabilitieren. Ob ihm das gelingt? Seine Parteifreunde halten sich mit Vertrauensbekundungen auffallend zurück. Wichtiger als Mappus ist ihnen wohl die Zukunft des Energieunternehmens, die Zukunft der EnBW. CDU – Ausschussmitglied Claus Paal:

    "Ich bin mir sicher, dass mittlerweile fast alle erkannt haben, dass der Kauf richtig war, dass man jetzt die Möglichkeit hat, das Unternehmen umzubauen Richtung regenerative Energien, da es jetzt in Landeshänden ist und deshalb muss das Unternehmen auch in ruhige Fahrwasser kommen."

    Vielleicht kann Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus ja dazu beitragen – sein Zeugenauftritt wird für den 9. März erwartet.