Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Nachvollziehbar und konsequent"

Die Stuttgarter Chefin des WM-Organisationskomitees, Susanne Eisenmann (CDU), hat die Entscheidung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble grundsätzlich begrüßt, den Bundeszuschuss für die Radweltmeisterschaft vorerst einzufrieren. Grund dafür ist die Absicht des Radsportweltverbandes UCI, den amtierenden Weltmeister Bettini aus Italien auch ohne Unterzeichnung der Antidopingerklärung bei dem Wettbewerb starten zu lassen.

Moderation: Bettina Klein | 27.09.2007
    Bettina Klein: Gestern Abend war es so weit. Es wurde bekannt gegeben, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat den Bundeszuschuss für die Radweltmeisterschaft in Stuttgart eingefroren. Grund ist die Absicht des Radsportweltverbandes UCI, den amtierenden Weltmeister Bettini aus Italien auch ohne Unterzeichnung der Antidopingerklärung bei dem Wettbewerb starten zu lassen. Bis zur juristischen Klärung der Folgen einer Starterlaubnis für Bettini wird der Bundeszuschuss also in Höhe von 150.000 Euro zunächst mal eingefroren. Am Telefon ist jetzt Susanne Eisenmann, Vorsitzende des Organisationskomitees der Weltmeisterschaft und Sportbürgermeisterin von Stuttgart. Guten Morgen Frau Eisenmann.

    Susanne Eisenmann: Guten Morgen!

    Klein: Was bedeutet das zunächst einmal im Moment für die WM, wenn es bei der Streichung der Gelder bleibt?

    Eisenmann: Zunächst mal ist es natürlich ein Verlust von 150.000 Euro. Das ist das eine. Auf der anderen Seite stehen wir mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble völlig konform. Auch wir werden unsererseits rechtliche Schritte einleiten. Wir werden unsererseits rechtliche Schritte einleiten gegenüber dem Weltradsportverband, um den Start von Bettini, sofern er die Ehrenerklärung nicht unterschreibt, zu verhindern. Ich habe deshalb großes Verständnis für die Haltung von Herrn Schäuble und sie deckt sich inhaltlich mit dem, was auch die Landeshauptstadt Stuttgart bewertet.

    Klein: Wie stark sind denn Ihre Argumente, wenn Sie rechtlich gegen den Radsportverband vorgehen wollen?

    Eisenmann: Zunächst mal ist es so - darauf bezieht sich ja zurecht auch Minister Wolfgang Schäuble -, wir haben eine Vereinbarung ausgehandelt, die die Bundesregierung, die das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart sowie der Weltradsportverband UCI und der BDR unterschrieben haben. In dieser dreiseitigen Vereinbarung, die man ja auch sehr detailliert vorab ausgehandelt hat, ist klar geregelt, dass wer diese Ehrenerklärung nicht unterschreibt nicht starten darf. Diese dreiseitige Vereinbarung hat auch die UCI unterschrieben und deshalb haben wir kein Verständnis, wenn die UCI, wenn Pat McQuaid als Präsident, der selber unterschrieben hat, jetzt sagt: na ja, durchsetzen können wir das nicht, das ist alles ein bisschen schwierig. Dann darf ich so was insgesamt nicht unterschreiben und deshalb bestehen wir auf die Einhaltung dieser Vereinbarung und werden auch notfalls, werden ab heute per einstweiliger Verfügung prüfen lassen, inwieweit wir auf die Einhaltung dieser Vereinbarung bestehen können.

    Klein: Gesetz den Fall es bleibt so wie es ist, der UCI will Bettini starten lassen, Bettini unterschreibt weiterhin nicht die Antidopingerklärung, das heißt es bleibt dabei "kein Geld vom Bund", an wen richten sich dann Ihre Regressansprüche oder finanzielle Forderungen, an den Weltradsportverband oder an wen?

    Eisenmann: Natürlich. Wir werden zunächst jetzt mit einstweiliger Verfügung die Überprüfung der Vereinbarung hier beim Landgericht Stuttgart heute Morgen veranlassen. Wenn es trotzdem zu einem Start Bettinis kommen sollte, Valverde wird starten - wir haben insgesamt eine sehr, sehr schwierige Situation hier in Stuttgart, bezogen auf den Radsport -, selbstverständlich werden wir uns dann Schadensersatzansprüche gegenüber dem Weltradsportverband offen halten beziehungsweise dann auch konkret einleiten.

    Klein: Wenn der amtierende Weltmeister die Antidopingerklärung doch unterschreibt, alles seinen regulären Gang wieder geht, bleibt dennoch ein angekratztes Image?

    Eisenmann: Natürlich ist es insgesamt schwierig. Wir haben uns diese Diskussion eben nicht gewünscht. Deshalb haben wir eine klare Vereinbarung getroffen, in der auch Konsequenzen drinstehen. Es ist sehr bedauerlich, dass die UCI die Umsetzung dieser Konsequenzen jetzt nicht vollzieht und sozusagen auf halber Strecke stehen bleibt. Dafür haben wir insgesamt kein Verständnis und deshalb ist es alles andere als ein erfreulicher Start in die Radweltmeisterschaft. Aber insgesamt wird man sehen, was nachher rauskommt, und wir werden wie gesagt nun jetzt leider eben auch die Gerichte bemühen müssen. Das haben wir uns nicht ausgesucht, aber hier geht es um eine klare Positionierung und die ist uns wichtig und an der werden wir auch festhalten.

    Klein: Abgesehen vom Fall Paolo Bettini, sind denn alle anderen Fahrer über jeden Verdacht erhaben, oder bleiben böse Überraschungen weiterhin auch möglich?

    Eisenmann: Leider muss man sicher sagen, wenige haben dazu beigetragen, aber die Situation ist so, dass im Radsport glaube ich keiner über jeden Verdacht erhaben ist, wahrscheinlich auch in keiner anderen Sportart. Aber gerade bezogen auf den amtierenden Weltmeister Paolo Bettini gelten auch die Vorwürfe, die Herr Sinkewitz gegenüber ihm erhoben hat, nämlich dass Bettini ihm Dopingmittel besorgt und verkauft hat. Auch das ist ein Vorwurf, wo ich natürlich dringend erwarte, dass der Weltradsportverband dieses Vorgehen klärt. Wenn dieser sich gegebenenfalls konkretisiert, ist es gleichfalls ein Ausschluss von Bettini, weil dann ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einzuleiten ist. All diese Punkte werden wir versuchen, heute zu klären. Wir wollen da eine klare Haltung und deshalb auch die Aufforderung an die UCI, ihre Konsequenzen, die wir gemeinsam vereinbart haben, umzusetzen. Vor dem Hintergrund halte ich die Entscheidung des Bundesinnenministeriums, die Gelder zunächst nicht auszuzahlen, für nachvollziehbar und aus ihrer Sicht auch konsequent.

    Klein: Es klingt jedenfalls nach einem deutlichen Signal, wenn das Bundesinnenministerium Gelder für eine Sportveranstaltung sperrt wegen des Doping-Verdachts. Wird es nach Ihrer Meinung im Zusammenhang mit den Bemühungen im Kampf gegen Doping insgesamt etwas bringen?

    Eisenmann: Was ich glaube schon etwas bringt ist die klare Positionierung des Staates, politisch Verantwortlicher in dieser Frage. Da kann es eben nicht dabei bleiben, dass man Vereinbarungen aushandelt, auf ein Papier schreibt, die dann unterschreibt und nachher sagt, mit der Umsetzung ist es ein bisschen schwierig. Genau das ist das Problem, in dem sich der Radsport befindet, dass man manchmal das Gefühl hat, man bleibt auf halber Strecke stehen, oder es gibt Funktionäre, die eigentlich keine richtige Lust haben, irgendwie das umzusetzen was eigentlich dringend notwendig wäre. Ich glaube wir brauchen eine klare Ächtung und ein klares Vorgehen.

    Klein: Frau Eisenmann, das Thema Doping ist im Moment nicht mehr so stark in der Öffentlichkeit, wie es noch vor einigen Monaten war mit einer Serie von Geständnissen. Die Frage, ob es grundsätzlich möglich sein wird, die Leistungsstandards beizubehalten und dabei auf Doping wie es offenbar verbreitet ist zu verzichten, diese Frage erscheint mir nach wie vor nicht beantwortet. Ihnen?

    Eisenmann: Natürlich nicht, wobei dann die Frage ist, ob der Leistungsstandard auch so sein muss. Nehmen Sie manche Sportarten. Es gibt Sportarten, da fällt bei jeder Veranstaltung, die stattfindet, der Weltrekord. Natürlich ist das merkwürdig, aber es ist die Frage, ob dieses dann auch eine Erwartung sein muss, oder ob nicht die sportliche Leistung, die Fairness und der direkte sportliche Wettkampf zu zählen hat und dann eben der eine oder andere Weltrekord oder eine Weltjahresbestzeit länger hält als nur eine Woche. Ich habe diese Erwartungshaltung nicht, aber ich glaube man muss insgesamt überprüfen, Gesellschaft, Medien und viele andere, welche Erwartungshaltung auch sie an die Sportler haben. Vielleicht müssen wir alle gemeinsam da unsere Erwartungen etwas zurückschrauben.

    Klein: Susanne Eisenmann war das, Vorsitzende des Organisationskomitees der Straßenrad-WM und Sportbürgermeisterin von Stuttgart. Danke Ihnen für das Gespräch, Frau Eisenmann!