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Nachweisverfahren für Wachstumshormon HGH auf dem Prüfstand

Der Internationale Sportgerichtshof CAS verhandelt von Montag bis Mittwoch die Klage des estnischen Ski-Langläufers Andrus Veerpalu, der den HGH-Test in Frage stellt. Wie sicher ist der Nachweis des Hormons wirklich?

Von Heinz Peter Kreuzer | 10.06.2012
    Die FIS hatte den zweifachen Olympiasieger im Vorjahr für drei Jahre gesperrt, nachdem bei einer Dopingprobe vom 29. Januar 2011 ein erhöhter Wachstumshormonspiegel festgestellt wurde und die B-Probe das Ergebnis im April bestätigte. Wachstumshormon beschleunigt die Regeneration und sorgt im Zusammenhang mit anabolen Steroiden für ein verbessertes Muskelwachstum. Veerpalu will nun den HGH-Test in Frage stellen.

    Auf den ersten Blick macht das Verfahren wenig Sinn. Denn Andrus Veerpalu ist mittlerweile 42 Jahre alt und hat seine Karriere im Februar 2011 beendet. Aber der Olympiasieger von 2002 und 2006 über 15 km klassisch will als Trainer oder Betreuer weiter arbeiten. Aber das ist mit einer Dopingsperre nicht möglich. Und wegen eines Verstoßes gegen den Code der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat der Ski-Weltverband FIS vergangene Woche
    Veerpalus Dopingsperre verlängert. Der zweifache Weltmeister hatte beim Weltcup im Januar dieses Jahres im estnischen Otepää verbotenerweise Skier für das estnische Team getestet. Durch dieses Vergehen beginnt seine Dreijahressperre wieder von vorne.
    Das Verfahren vor dem CAS könnte weitreichende Folgen haben: Das von Professor Christian Strasburger entwickelte Nachweisverfahren steht in diesem Prozess auf dem Prüfstand. Professor Mario Thevis vom Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung erläutert die Analysemethode, die synthetisches und menschliches Wachstumshormon unterscheidet:

    "Dieser basiert im wesentlichen darauf, dass das Wachstumshormon, das wir im Körper produzieren, nicht aus einer Form, sondern aus vielen Formen besteht und diese Zusammensetzung eine Art Signatur darstellt. Wenn sie das Wachstumshormon aus der Apotheke verabreichen, besteht dieses lediglich aus einer Form, nicht aus vielen verschiedenen. Und der Test, der so genannte Isoformentest, der gegenwärtig eingesetzt wird, kann genau das differenzieren."

    Und dieses HGH-Nachweisverfahren ist zuverlässig, davon ist Professor Thevis überzeugt.

    "Der eben angesprochene Test hat eine sehr hohe Sicherheit, was positive oder negative Aussagen angeht. Das heißt, wenn wir einen positiven Befund haben, dann kann man auch mit einer statistisch sehr hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, das Wachstumshormon verabreicht wurde."

    Der Schweizer Sportrechtler Stefan Netzle, früher selbst CAS-Richter und in diesem Verfahren Rechtsbeistand der FIS, sieht die Zuverlässigkeit des HGH-Tests nicht in Gefahr. Netzle erkennt in der Verteidigungsstrategie von Andrus Veerpalu hauptsächlich die Argumente wieder, die viele Dopingsünder benutzen, wenn sie ihre Unschuld beteuern.

    "Das ist natürlich alles, was man überhaupt in einem Dopingfall bemängeln kann. Angefangen von der Art und Weise, wie entnommen wurde, wie transportiert wurde, wie das Labor gearbeitet hat, ob die richtige Kalkulation gemacht wurde, die Limits am richtigen Ort seien. Im speziellen Fall kommt noch dazu, das man beanstandet, man hätte nicht einbezogen, dass der Athlet vorher trainiert hätte, das ganze noch in einem Höhenhaus getestet wurde, das ist so eine Auswahl der Argumente."

    Außerdem hat Stefan Netzle noch ein weiteres Argument. Von den bisherigen zwölf Dopingfällen mit Wachstumshormon seien zwei Drittel schon eindeutig abgeschlossen.

    "Von den zwölfen haben drei die Einnahme gestanden. Ein Fall war eine therapeutische Ausnahmegenehmigung, was auch bestätigt wurde. Vier Athleten haben gar nichts mehr unternommen, haben das Resultat auch akzeptiert. Und bei Vieren, einschließlich des Herrn Veerpalu und Herrn Sinkewitz, der in den nächsten Tagen zur Verhandlung ansteht, ist das noch in der Beurteilung."

    Patrik Sinkewitz war der erste Radprofi, der des Dopings mit Wachstumshormon überführt wurde. Er leugnet die HGH-Einnahme und hat deshalb das nationale Sport-Schiedsgericht angerufen, das am kommenden Donnerstag seinen Fall behandelt. Schon 2007 war ihm Testosteron-Doping nachgewiesen worden. Damals trat Sinkewitz als Kronzeuge auf und seine Sperre wurde auf ein halbes Jahr reduziert.
    Derzeit ist dieser Isoformentest, den Veerpalu und Sinkewitz angreifen, das einzige Nachweisverfahren für Wachstumshormon. Aber das kann sich bald ändern, ist Professor Thevis überzeugt.

    "Die Problematik wird seit vielen Jahren verfolgt, es hat umfangreiche Studien diesbezüglich gegeben, so dass man den Missbrauch von Wachstumshormon in mittelbarer Zukunft nicht auf Grund des Nachweises des Wachstumshormons selbst feststellen möchte, sondern mehr auf den Effekt der Wachstumshormongabe abzielt. Das heißt, die Substanzen, die durch Wachstumshormongabe durch den Körper vermehrt produziert werden, nachgewiesen werden, in ihrer Menge quantitativ bestimmt werden."

    Liegen diese Substanzen, unter anderem das auf der Dopingverbotsliste stehende IGF1, außerhalb der Referenzbereiche, wird eine Dopingsperre ausgesprochen. Diese Verfahren können schon in naher Zukunft angewendet werden.