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Nachwuchswissenschaftler
Forschen ohne Zukunft

140.000 junge Wissenschaftler arbeiten befristet an deutschen Hochschulen – ein Rekord. Der Deutsche Hochschulverband beschäftigt sich auf seiner Jahrestagung in Mainz mit den Karriereproblemen des wissenschaftlichen Nachwuchs: Kurzzeitverträge, mangelnde Perspektiven und fehlende soziale Sicherheit.

Von Anke Petermann | 24.03.2015
    "Ich bin zum 1.3. dieses Jahres zur Professorin auf Lebenszeit ernannt worden, und zwar habe ich eine Universitätsprofessur an der Uni Halle, und meine Fachrichtung ist Algebra in der Mathematik."
    Damit hat Rebecca Waldecker mit Mitte 30 geschafft, was andere wenn überhaupt - mit Anfang 40 hinkriegen: eine Professur auf Lebenszeit zu ergattern. Ihr Weg führte über eine Postdoc-Stelle in Birmingham, eine Juniorprofessur an der Uni Halle und eine Habilitation. Die nutzen viele junge Wissenschaftler als Zusatzqualifikation, um ihre äußerst ungewissen Aufstiegschancen nach einer sechsjährigen Juniorprofessur zu verbessern. Die "Nebenbei-Habilitation" - ein aus der Not entstandenes, sehr anstrengendes Modell.
    "Das war hart, und insgesamt würde ich in der Rückschau sagen: Von 2012 an bis vor Kurzem, bis zur Ernennung, das waren die bei weitestem und anstrengendsten Jahre meines Lebens. Da habe ich viel geopfert, das war wirklich schwer."
    Einfacher machen könnten es sogenannte Tenure-Track-Stellen. Nach dem US-Modell eröffnen sie nach einer Bewährungsphase handfeste Aussichten auf eine Tenure, eine Lebenszeit-Professur. Dieses Laufbahn-System will Bundesbildungsministerin Johanna Wanka von der CDU im Gespräch mit ihren Länderkollegen demnächst voranbringen. Details zum Prozedere verrät sie noch nicht, denn es sei so,
    "Dass die Länder ja alle einverstanden sein müssen. Ich möchte gern Erfolg haben, und den erreicht man nur, wenn man das mit den Ländern gemeinsam macht, und denen nicht einfach jetzt etwas vorsetzt und erwartet, die machen mit."
    Inhaltlich skizziert die Ministerin das favorisierte Laufbahnsystem für den wissenschaftlichen Nachwuchs so:
    "Man hat die befristetet Stelle, muss aber nach einer gewissen Zahl von Jahren sich in der Evaluation behaupten und die Standards erfüllen, die von vorn herein festgelegt sind – internationale Standards, was Qualität, Publikationen etc. anbetrifft. Und dann aber die Sicherheit: Also nicht, man ist auf einer Stelle und kann sich bewerben, wenn eine unbefristete kommt, sondern man hat gleich das Privileg, diese unbefristete zu bekommen, wenn man alle Anforderungen erfüllt nach einer bestimmten Anzahl von Jahren."
    Begrüßenswertes Modell
    Ein Modell, das die erfolgreiche junge Professorin aus Halle für ihre Kollegen auf unsicheren Juniorprofessor-Stellen begrüßen würde.
    "Die Hürden zur Lebenszeitprofessur dürfen nicht zu hoch sein", meint Rebecca Waldecker
    "Was ich unglücklich finde ist, wenn da immer und immer wieder evaluiert wird , mit immer neuen Hürden, mit zum Teil unklaren Vorgaben. Es muss klar sein, wie oft muss ich mich beweisen, worauf kommt es an und ab wann ist dann die Sicherheit da."
    Auch Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbands, begrüßt, dass die Bundesbildungsministerin gemeinsam mit den Ländern neue Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs eruieren will. Aus dem angelsächsischen Raum würde er gern, wie die TU München esvormacht, den "Assistent Professor" importieren.
    "Das ist jemand, der zunächst eine befristet Professur hat, die zunächst unserer Auffassung nach auch besser besoldet sein sollte als eine Juniorprofessur. Der Unterschied zu Juniorprofessur ist der, dass wir meinen, da müsste unbedingt eine dichte Mentorenschaft erfolgen. Man kann die Leute nicht einfach sich selbst überlassen. Die Mentoren sind wichtige Partner, und das wollen wir auch ganz ganz stark fördern."
    Mit BAföG-Milliarde Nachwuchs fördern
    In einer weiteren Sache sind sich der Hochschulverbands-Präsident und die Bildungsministerin einig. Die sogenannte BAföG-Milliarde, die in den Ländern frei wird, weil der Bund die Kosten übernimmt, müsse dringend in die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gesteckt werden.
    "Es ist das allererste Mal dauerhaft Geld für Dauerstellen. Es war gedacht als Riesenchance um die Grundfinanzierung und die Karrierechancen zu tun. Und wenn man das in einem Bundesland nicht tut, dann hat man natürlich Nachteil für das eigene Wissenschaftssystem."
    Es ist eine Sauerei, wenn ein Land das nicht tut, formuliert es drastischer der Präsident des Hochschulverbandes. Und lobt Rheinland-Pfalz als Gastland der Jahrestagung. 25 von 35 Millionen Euro steckt das Land in die Hochschulen, 200 Stellen werden davon geschaffen, hundert davon durch das Entfristen von Verträgen.