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Nahost-Konflikt
US-Entscheidung mit politischer Sprengkraft

Die USA vollziehen eine Kehrtwende in ihrer Nahostpolitik: Israelische Siedlungen im Westjordanland seien nicht nicht mehr "per se unvereinbar mit dem Völkerrecht", erklärte US-Außenminister Mike Pompeo. Damit ergreift die Trump-Administration zum dritten Mal zugunsten Israels Partei.

Von Thilo Kößler | 19.11.2019
Siedlungsbau in Ost-Jerusalem im Januar 2017.
Mit dem Siedlungsbau entfernt sich Israel seit Jahren vom Grundsatz: "Land für Frieden". Dieses Prinzip sieht als Ziel eine Zweistaatenlösung vor. (picture alliance / Nir Alon)
Im Windschatten der öffentlichen Anhörungen in der Ukraine-Affäre und des näher rückenden Impeachment-Verfahrens gegen Präsident Trump, hat dessen Administration eine weitere dramatische Kehrtwende in der Nahostpolitik vollzogen: Anders als sämtliche Vorgängerregierungen spätestens seit Anfang der 1990er-Jahre und anders als praktisch die gesamte internationale Staatengemeinschaft halten die USA unter Donald Trump den Bau von israelischen Siedlungen im Westjordanland nicht mehr "per se für unvereinbar mit dem Völkerrecht" – so US-Außenminister Mike Pompeo in einer Erklärung vor Journalisten.
USA ergreifen im Konflikt Position
Eine Prüfung der Rechtspositionen habe ergeben, dass die stetige Verurteilung des israelischen Siedlungsbaus nicht zu einer Friedensregelung beigetragen habe, sagte Pompeo.
Seit George Bush Vater hatten sich die US-Präsidenten stets als ehrliche Makler zwischen den Konfliktparteien im Nahen Osten gesehen. Unter Donald Trump ziehen sich die USA jetzt auf die Position zurück, Israelis und Palästinenser sollten aus eigener Kraft und ungestört von äußerer Einflussnahme ihren Konflikt lösen.
Nach der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und nach der US-amerikanischen Anerkennung der israelischen Ansprüche auf die Golanhöhen, ist dies der dritte Vorstoß der Trump-Administration, in diesem Konflikt einseitig Partei zu ergreifen – zugunsten Israels. Mike Pompeo behauptete, in den vergangenen Jahrzehnten hätten sich die Positionen der USA im Nahostkonflikt immer wieder verschoben.
Verabschiedung von der Zweistaatenlösung
Tatsächlich galt seit dem Ende des zweiten Golfkriegs 1991, der unter dem Druck der USA in die Friedenskonferenz von Madrid mündete, der Grundsatz: "Land für Frieden" – ein Prinzip, das eine dauerhafte und gerechte Friedenslösung verheißen sollte und eine Zweistaatenlösung vorsah. Davon haben sich die Vereinigten Staaten als ursprüngliche Architekten dieses Plans verabschiedet. Mike Pompeo meinte, es werde niemals eine Lösung dieses Konflikts aufgrund völkerrechtlicher Prinzipien geben.
Stattdessen sollten ausgerechnet israelische Gerichte über palästinensische Ansprüche im Streit über israelischen Siedlungsbau entscheiden. Die US-Botschaft in Israel erließ unmittelbar nach der Erklärung Mike Pompeos eine ernste Reisewarnung für US-Amerikaner in der Westbank und in Jerusalem. Tatsächlich kann diese jüngste Entscheidung zu einem politischen Sprengsatz werden – lässt sie doch Israel beim Bau immer neuer Siedlungen im Westjordanland künftig de facto freie Hand. Zwar gilt die Palästinafrage nicht mehr als Frage über Krieg und Frieden in der Region. Die Sympathien auf den arabischen Straßen gehören jedoch den Palästinensern. Nach den Worten Mike Pompeos habe man aber mit dieser Grundsatzentscheidung lediglich auf die vorherrschenden politischen Realitäten reagiert.