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Nahrhaftes Fundament

Mikrobiologie. - Der Offshore-Windpark Alpha Ventus soll die Einsatzfähigkeit solcher Windparks vor der deutschen Küste testen. Jetzt zeigt sich, dass den gewaltigen Windrädern von unten Gefahr drohen könnte.

Von Monika Seynsche | 14.07.2011
    "Also ich mein der Erdölbereich, da ist das aus den 20er-, 30er-Jahren bekannt, hier zum Beispiel hat man das Problem offensichtlich nicht mit berücksichtigt und ja, ich bin da also auch etwas überrascht."

    Überrascht ist der Mikrobiologe Jan Küver von der Materialprüfungsanstalt in Bremen davon, dass die Windenergieanlagenhersteller beim Bau der Fundamente einen wichtigen Aspekt übersehen haben: die Mikroorganismen im Meeresboden. Die Windräder im Meer stehen je nach Hersteller und Meerestiefe auf unterschiedlichen Fundamenten. Aber die meisten von diesen sind Stahlpfähle, die in den Boden gerammt werden.

    "Das Kritische ist eigentlich der Bereich unter Wasser, also praktisch der Bereich, wo die Struktur in den Meeresboden reingeht, und dort kann es also zu Korrosionserscheinungen kommen; und diese Korrosionserscheinungen, da sind in erster Linie Bakterien für verantwortlich und zwar eine bestimmte Gruppe von Bakterien man nennt diese Gruppe sulfatreduzierende Bakterien, weil die Sulfat anstelle von Sauerstoff zu einer Art Atmung benutzen und dann Schwefelwasserstoff produzieren, also dieses Faule-Eier-Gas."

    Dieser Schwefelwasserstoff wiederum greift das Metall an. Im Meeresboden leben viele solcher sulfatreduzierenden Bakterienarten. Eine von ihnen bereitet Jan Küver besondere Kopfschmerzen: Desulfobacterium corrodens. Er und seine Kollegen haben sie 2004 entdeckt.

    "Die benötigen also nur Eisen und CO2 und davon können die leben, also die leben von reinem Anorganischem."

    In sauerstofffreien Zonen wie dem Meeresboden gedeiht Desulfobacterium corrodens und korrodiert Eisen schneller als die meisten Bakterien. Die Forscher vermuten, dass dieses Bakterium – anders als seine Verwandten - einen Weg gefunden hat, Elektronen direkt aus dem Eisen zu lösen. Und das macht es möglicherweise unangreifbar für eine zentrale Methode des Korrosionsschutzes: Fremdstromanlagen, die in der Nähe, des zu schützenden Metalls installiert werden. Sie erzeugen einen Stromfluss, der Elektronen zum Metall bringt und verhindern so, dass Eisen oxidiert wird und das Metall verrostet. Küver:

    "Die funktionieren sehr, sehr gut in dem Bereich wo Sauerstoff vorhanden ist, das ist aber bisher völlig ungeklärt wie das sich verhält in den Bereichen, wo zum Beispiel diese Mikroorganismen eine Rolle spielen wo kein Sauerstoff vorhanden ist."

    Also tief im Meeresboden, rund um die Fundamente der Windenergieanlagen. Dort könnten die Fremdstromanlagen Desulfobakterium corrodens eine willkommene Nahrungsquelle bieten.

    "Dort besteht die Gefahr also wenn es jetzt tatsächlich so ist, dass diese Bakterien ... die Elektronen aus dem Eisen raus ziehen, würde rein theoretisch jetzt natürlich die Möglichkeit bestehen, dass, wenn ich eine Fremdstromanlage einsetze, wo Elektronen in diesem Bereich auch hier eingegeben werden, dass ich dann sozusagen diesen Bakterien noch die Nahrung gebe."

    Jan Küvers Ansicht nach müsste man dringend untersuchen, ob diese Theorie zutrifft. Tut sie es, könnten die Fremdstromanlagen die Bakterien nicht nur nicht vertreiben, sondern sie würden sie im Gegenteil mit einem reichlichen Nahrungsangebot sogar noch anlocken. Andere Alternativen, um die Windradfundamente vor Bakterien zu schützen, sind rar. Küver:

    "Im Erdölbereich werden teilweise Biozide zugesetzt, das funktioniert aber auch nicht immer. Dann werden natürlich Beschichtungen eingesetzt um den Stahl zu schützen. Das ist die eine Möglichkeit, das ist hier, wenn das gerammt wird, auch nicht möglich, weil da wird die Beschichtung zerstört."

    Verhindern lässt sich die Korrosion der Fundamente im Meeresboden also vermutlich nicht. Damit die Windräder trotzdem nicht umkippen, rät der Mikrobiologe dazu, die Fundamente aus möglichst dickem Stahl zu bauen. Dann brauchen die Bakterien zumindest einige Zeit, um ihn zu zerfressen.