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Nahrungsergänzungsmittel
Gesunde Ernährung statt Vitalpilze

Wer im Internet nach alternativen Heilungsmitteln für seine Krankheit sucht, wird schnell fündig: Hochpreisige Nahrungsergänzungsmittel versprechen Heilung für fast alles. Dabei ist in den meisten Fällen eine Wirksamkeit nicht bewiesen - oft sind nicht einmal die Inhaltsstoffe der Mittel transparent.

Von Susanne Kuhlmann | 11.06.2015
    Tabletten liegen in einem Glas. Verschreibungspflichtige Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat gehören zu den Arzneistoffen mit stimulierender Wirkung, die oft als "Studentendroge" bezeichnet werden.
    Das Internet bietet eine Pille für fast alles. (dpa)
    Mit Champignons und Pfifferlingen haben sie nur den Namen gemeinsam, denn sie eignen sich nicht als Zutat fürs Mittagessen. Gegessen werden Vitalpilze allerdings schon, und zwar zerkleinert und in Kapseln verpackt, pulverisiert oder als Extrakt. In dieser Form sind sie als Nahrungsergänzungsmittel zu beziehen, vor allem über das Internet.
    Chinesischer Raupenpilz, Schmetterlingstramete und Lackporling - das sind die deutschen Namen der drei Vitalpilze, die im Internet als Nahrungsergänzungsmittel beworben werden. Die gemeinsame Expertenkommission des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte hat vor einiger Zeit eine kritische Stellungnahme zu diesen Pilzen abgegeben. Ins Essen kämen sie nie, weil sie nicht gut schmeckten. Aber Präparate daraus kaufe der Durchschnittsverbraucher wegen der therapeutischen Wirkung, die ihnen nachgesagt werde, sagt Dr. Evelyn Breitweg-Lehmann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit:
    "Bei diesen drei Vitalpilzen finden Sie im Internet fast ausschließlich krankheitsbezogene Werbung. Die sollen angeblich gegen Impotenz, Krebs et cetera helfen. Das ist durch nichts belegt. Es gibt keine Studien, die diese Behauptungen belegen."
    Die Pilzpräparate aus dem Internet werden zudem ohne Hinweis zur Verwendung verkauft; also unter anderem ohne Angabe, in welchen Fällen sie als Nahrungsergänzung einzusetzen sind und in welcher Dosierung. Wer sich online informieren will, landet sofort auf Webseiten mit Heilsversprechen. Doch für Präparate, die Heilung versprechen, gilt das Arzneimittelgesetz. Sie dürfen nicht als Nahrungsergänzungsmittel gehandelt werden. Hinzu kommt ein weiteres Problem:
    "Man weiß einfach nicht: Was ist drin? Wenn Sie das aus dubiosen Quellen beziehen, können Sie noch nicht mal sicher sein, dass der Pilz, der draufsteht, drin ist. Sie wissen auch nicht, ob Sie vielleicht auf den allergisch sind, ob Sie auf einzelne Inhaltsstoffe allergisch sind."
    "Dann ist es grundsätzlich so, wenn Sie an einer Krankheit leiden und sie zu spät behandeln, dann kann auch ein Schaden entstehen. Oder dass dieser Pilz bei Ihrer Krankheit die Symptome vielleicht verstärkt oder verschlimmert. Das heißt, es ist immer gefährlich, Stoffe gegen Krankheiten einzunehmen, die dafür nicht geprüft sind."
    Als Arzneimittel sind Vitalpilze nicht zugelassen
    Dieser Auffassung schließt sich Karl-Otto Franke vom Fachverband Deutscher Heilpraktiker an. Auch wenn die Traditionelle Chinesische Medizin schon lange Vitalpilze einsetzt: Es gibt keinerlei Nachweise, ob und wie sie wirken. Auch Karl-Otto Franke warnt deshalb davor, sie als Nahrungsergänzung zu verwenden.
    "Ich sehe das als unverantwortlich an, denn es werden keine belegbaren Anwendungsgebiete gezeigt, es werden keine Gegenanzeigen, keine Nebenwirkungen gezeigt, keine Wechselwirkungen, keine Dosierung, Art der Anwendung, Definition des Ausgangsmaterials, Angaben über die Herstellung und vor allen Dingen auch die Darreichungsformen sind nicht entsprechend. Und was noch dazu kommt: Wer berät Sie denn im biochemischen Sinne?"
    Als Arzneimittel sind Vitalpilze auch nicht zugelassen, denn dafür fehlen entscheidende Voraussetzungen:
    "Diese Pilze muss man auf ihre Wirkungen und Wechselwirkungen prüfen, und da muss man entsprechende Studien machen. Das kostet sehr viel Geld. Da kann man auch nicht die Darreichungsform geben über das Internet, sondern man muss diese Dinge über den Apotheker vertreiben beziehungsweise anbieten."
    Rheuma, Impotenz, Depression - laut Werbung der Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln helfen die drei genannten Vitalpilze gegen alle möglichen Erkrankungen. Die Expertenkommission kommt in ihrer Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass diese Versprechen zum einen keine nachvollziehbare Grundlage haben und zum anderen überhaupt nicht zulässig sind. Es kann nur eine Schlussfolgerung geben, meint Evelyn Breitweg-Lehmann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit:
    "Finger davon lassen! Glauben Sie keinen unseriösen Heilsversprechungen. Wenn das ein Wundermittel wäre, würde es die Medizin mit Freuden aufgreifen und verwenden."
    Übrigens brauchen nur wenige Menschen tatsächlich Nahrungsergänzungsmittel. Wer sich abwechslungsreich ernährt, kann sich diese Präparate sparen.