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Namensstreit um UN-Mandat

Nach dem Rückzug der OSZE könnte auch der "UN-Beobachtermission in Georgien" (UNOMIG) im abchasischen Grenzgebiet das Aus drohen. Abchasen und Russen wollen einer Verlängerung des Mandates wollen nur zustimmen, wenn im Namen der neuen Mission auf die Nennung Georgiens verzichtet wird.

Von Gesine Dornblüth | 12.06.2009
    Die Stadt Gali nahe der abchasisch-georgischen Grenzlinie. Gali gehört zu Abchasien, doch hier wohnen fast nur Georgier. Etwa die Hälfte der Häuser ist noch immer zerstört, die Straßen sind zerfurcht von Schlaglöchern, die Menschen misstrauisch. In Gali hat die UNOMIG, die Mission der Vereinten Nationen, ein Lager. Den Bewohnern gibt das Sicherheit, sagt eine Frau.

    "Ein paar mal haben die Beobachter mir geholfen: Einmal hatte meine Tochter ihr Bein gebrochen, da haben sie sie behandelt. Und als mein Haus abgebrannt war, haben sie das Dach repariert. "

    Vielen Bewohnern von Gali ist es jedoch gleichgültig, ob die UN-Beobachter da sind oder nicht. Denn in den Konflikt zwischen Georgiern und Abchasen haben die UN 15 Jahre lang keine Bewegung bringen können. Die Schuld dafür liegt bei den Konfliktparteien, nicht bei den UN-Mitarbeitern, erläutert der Leiter der Mission, der belgische Diplomat Johan Verbeke.

    "Sie können nichts tun, was die beiden Seiten selbst nicht können oder wollen. Wir sind da, um zu vermitteln und Kompromisse vorzuschlagen. Leider waren beide Seiten bisher nicht bereit, die nötigen Zugeständnisse zu machen."

    Der Krieg im vergangenen August zwischen der russischen Armee und dem zweiten georgischen Separationsgebiet, Südossetien, auf der einen Seite und Georgien auf der anderen Seite, hat die Fronten noch einmal verhärtet. Zumal, da Russland Abchasien in der Folge des Krieges als unabhängigen Staat anerkannt hat und dort russische Militärbasen aufbaut. Das gibt den Abchasen Rückenwind. Sie wollen nun keine Mission mehr akzeptieren, die das Wort "Georgien" im Titel trägt, denn sie gehen davon aus, dass sie einen eigenen Staat haben. Der Sprecher des Parlaments von Abchasien, Nugzar Aschuba:

    "Von allen Missionen, die in der Region waren, hat die der Vereinten Nationen sich als die neutralste erwiesen. (…) Wir wollen deshalb, dass sie bleibt. Dazu muss aber zuallererst der Name geändert werden. Sie kann nicht ganz neutral sein, wenn sie "Mission in Georgien" heißt. Soweit ich informiert bin, wird daran bereits gearbeitet: Sie wird einfach "Mission der UN für Stabilisierung” heißen."

    Außerdem müsse die Mission statusneutral sein, also nichts darüber aussagen, ob Abchasien zu Georgien gehöre oder nicht. Für die Georgier ist das völlig inakzeptabel. Temur Jakobaschwili ist stellvertretender Premierminister Georgiens und für die Reintegration der abtrünnigen Gebiete zuständig.

    "Unsere Gebiete sind von Russland besetzt. Die Vereinten Nationen sollten sich deutlich zum Status äußern und ganz klar sagen, dass Georgiens territoriale Integrität unantastbar ist. (…) Die Mission muss "UN-Mission IN GEORGIEN" heißen. Abchasien ist Georgien."

    Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates von dem Dogma der territorialen Integrität Georgiens abrücken. So hatten die Vereinten Nationen bis vor einigen Monaten immer von "Abchasien – Georgien" gesprochen und die Vertreter der Region als "de facto" Vertreter bezeichnet – eine diplomatische Verklausulierung für Repräsentanten international nicht anerkannter Staaten. Im letzten Bericht des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon zu Abchasien vom Mai dieses Jahres sind solche Formulierungen nicht mehr enthalten. Die Abchasen sehen darin eine Aufwertung Abchasiens zum Staat. Johan Verbeke, der Chef der UNOMIG, winkt ab.

    "Der Bericht enthält immer noch den sehr wichtigen Verweis auf die frühere Resolution 1808. Und in der wird die territoriale Integrität Georgiens ausdrücklich anerkannt. Der Generalsekretär hat in seinem letzten Bericht lediglich eine Sprache gefunden, die es ermöglicht, keine der Konfliktparteien zu verprellen.

    Wir werden am Montag nur dann ein neues Mandat bekommen, wenn beide Parteien bereit sind, sich eine Mission vorzustellen, die die Statusfrage Abchasiens nicht berührt. Sobald statusbezogene Fragen direkt oder auch nur indirekt einbezogen werden, wird sehr wahrscheinlich eine Seite aussteigen."

    Dem Sicherheitsrat steht also eine schwierige Sitzung bevor. Sollten die UN-Beobachter nächste Woche aus der Region abziehen, rechnen Diplomaten zwar nicht mit Krieg; viele der noch verbliebenen Georgier könnten Abchasien jedoch verlassen. Und Russen und Abchasen könnten behaupten, der Konflikt um Abchasien sei gelöst – ohne, dass internationale Beobachter widersprechen.