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Nanokino

Technologie.- Um den Flug eines Pfeils so hautnah wie möglich zeigen zu können, haben Filmexperten das Zeitlupentempo auf eine Abfolge weniger Bilder verfeinert. Was sich im Kino spannend präsentiert, wurde nun an der Berliner TU für Forschungszwecke zur Superlative weiter entwickelt.

Von Peter Kaiser | 24.01.2011
    "Und hier in der Nano-Werkbank gibt es auch einen Nano-Manipulator, das ist wie ein kleiner Nanofinger, mit dem man reinfahren kann, Objekte hin- und herbewegen kann."

    Auf dem Computer-Display vor Stefan Eisebitt, Leiter der Forschungsgruppe "Funktionale Nanomaterialien an der Berliner Technischen Universität, fährt der Nanofinger über einen Goldfilm.

    Und fräst Strukturen in die Probenoberfläche hinein.

    Manipulationen an winzigsten Strukturen herzustellen, ist eine Sache. Eine andere ist zu beobachten und per Film festzuhalten, was genau dort im Moment der Veränderungen passiert. Wenn Bits etwa auf einer Festplatte umschalten, Moleküle reagieren oder Ribosomen in Zellen die Erbgutsequenz ablesen. Einen solchen Molekular-Film hat das Team um Stefan Eisebitt nun gedreht.

    "Wir haben einen ganz besonderen Lichtstrahl genommen, und zwar einen Puls, einen kurzen Lichtblitz von einem Röntgenlaser. Der macht sehr, sehr kurze Lichtblitze, nur wenige Femtosekunden lang. Eine Femtosekunden ist ein Millionstel einer Milliardstelsekunde. Die Zeit ist so kurz, dass selbst das Licht nur den Bruchteil der Breite eines Haares zurücklegen kann in dieser kurzen Zeit. Und was wir jetzt gemacht haben ist, wir haben den Strahl von diesem Röntgenlaser aufgesplittet in zwei Teilstrahle, in dem wir einen Spiegel genommen haben, und einen Teil dieses Röntgenstrahls zur Seite abgelenkt haben, so dass wir zwei Strahlen haben. Und jetzt sorgen wir mit weiteren Spiegeln dafür, dass einer dieser beiden Teilstrahlen einen kleinen Umweg läuft, und deswegen dieser Röntgenblitz einen Tick später bei dem Objekt, das wir untersuchen möchten, ankommt als der andere Strahl."

    Zwei Blitze – zwei Momentaufnahmen. Dieser Minifilm war mit den zwei nacheinander entstandenen und zeitcodierten Bildern der schnellste Film der Welt. Gezeigt wurden zwei Bilder eines Goldfolienmodells des Brandenburger Tores. Auch wenn es nur zwei Bilder sind, der Film ist dennoch wegweisend zu einem neuen Verfahren. Denn bislang gab es nur das Vorher- und Nachher-Bild eines Prozesses. Mit den bekannten Nachteilen.

    "Mit dem Verfahren können Sie nur Dinge anschauen, die reproduzierbar ablaufen. Wenn Sie jetzt sehen möchten, was nicht reproduzierbar ist, wenn Sie jetzt sehen möchten, warum funktionieren manche Dinge nicht, warum gibt es Fehlerquellen? Das können Sie nur machen, wenn Sie einen echten Film haben. Wenn Sie eine Bildsequenz haben, damit fangen Sie auch unvorhergesehene Dinge ein."

    Ultraschnelle magnetische Prozesse und deren Fluktuationen - etwa bei der Beschreibung von Festplatten - sind in diesem Zusammenhang derzeit im Fokus der Forscher. Doch sollte sich das Verfahren, bei dem ein Ziel die Filmverlängerung mit mehr Bildern ist, etablieren, bietet es noch andere Vorteile.

    "Die Methode ist auch in einem biologisch-medizinischen Kontext in Zukunft durchaus anwendbar. Wenn Sie zum Beispiel an die Arbeitsweise von Biomolekülen, zum Beispiel Enzymen denken, da werden letztlich chemische Bindungen gebrochen oder neue Bindungen hergestellt, und es geht auch einher mit Bewegungen dieser Moleküle. Wenn man zuschauen könnte, wie genau diese Reaktionen funktionieren, dann könnte man ganz neue Einblicke in diese fundamentalen Zusammenhänge, Funktionsweisen von solchen Dingen, die letztendlich ja dann auch medizinisch relevant sind, gewinnen."

    Stefan Eisebitt dreht sich um, und führt über eine Schleuse eine neue Probe in die Nanowerkbank ein. Der Schritt von einem Bild zu zwei Bildern ist jetzt gemacht, sagt er, und...

    "...natürlich würden wir uns freuen, wenn wir auch den Schritt zu 100 machen können, aber der erste Schritt war der wichtigste sozusagen."