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Nanopartikel
Beschleunigte Alterung durch Silika

Nanopartikel sind mittlerweile in Hunderten von Produkten enthalten. Doch immer noch umstritten ist die Frage, ob sie auch für die Gesundheit schädlich sein können oder auch für die Umwelt. Düsseldorfer Forscher haben nun die Auswirkungen von Nanopartikeln auf einen heimischen Bodenbewohner untersucht.

Von Thomas Liesen | 21.11.2014
    "Sehen Sie diese Bewegung?"
    Leibniz-Institut für Umweltmedizin, Düsseldorf. Die Tiere, die die Forscher um die Biologin Anna von Mikecz betreuen, winden sich wie kleine Schlangen mit ganz gleichmäßigen Bewegungen über den Boden einer Petrischale. Es sind Fadenwürmer, Caenorhabditis elegans lautet ihr wissenschaftlicher Name. Doch was sie so besonders macht, ist erst unter dem Mikroskop zu erkennen: Sie sind völlig durchsichtig.
    "Man kann also die ganze Morphologie des Wurms beobachten, wenn man Nanopartikel markiert hat, wo die sich verteilen und wie die sich verteilen. Und man kann den über die Lebensspanne beobachten, sprich der lebt zwei bis drei Wochen und man kann quasi eine toxikologische Prüfung über das gesamt Leben des Wurms durchführen. Und das ist natürlich eine einmalige Chance, die sich da bietet",
    sagt Anna von Mikecz. Ein Versuchstier also, das im Vergleich zum Menschen wie im Zeitraffer lebt und altert. Und das sieht man ihm auch an: Der winzige Wurm versteift regelrecht ab der zweiten Hälfte seines Lebens und schlängelt nur noch mühsam umher. Was die Forscher jetzt überraschend herausgefunden haben: Nanopartikel haben einen Einfluss auf diesen so augenfälligen Verfall.
    Siliziumdioxid lässt Eiweiße verklumpen
    Die Biologen mischten den Würmern Partikel aus Siliziumdioxid, auch Silika genannt, unter das Futter. Die Partikel drangen durch das Darmgewebe in den Körper ein. Dort schließlich lösten sie bemerkenswerte Vorgänge aus: Eiweiße, die bei der Regulation der Nerventätigkeit eine Rolle spielen, fingen an, sich zu verklumpen.
    "Diese Proteinverklumpungen sind typisch für einen gealterten Stoffwechsel. Also alte Würmer bekommen mit der Zeit solche Proteinverklumpungen. Und wir sehen jetzt, dass wir mit Silikapartikeln diese Verklumpung vorzeitig auslösen."
    Nanopartikel aus Silber oder Polystyrol konnten dem Wurm nichts anhaben. Aber mit Silika war die Wirkung auch schon mit bloßem Augen zu erkennen: Die Würmer verloren vorzeitig ihre Bewegungsfreude und bekamen sogar Schluckbeschwerden. Fast menschlich anmutende Alterserscheinungen also. Und das ist nicht die einzige Parallele: Auch die beobachteten Eiweißverklumpungen an den Nervenzellen der Würmer gibt es in ähnlicher Form beim Menschen, genauer: bei Patienten, die an einer neurodegenerativen Erkrankung leiden, wie zum Beispiel Alzheimer. Ob diese Ergebnisse nun Anlass zur Beunruhigung sind, können die Forscher noch nicht sagen. Tatsache ist aber: Menschen kommen ebenfalls mit Nano-Silika in Kontakt. Denn die Partikel sind mittlerweile ein beliebter Zusatzstoff in Lacken, um sie widerstandsfähiger zu machen. Und es gibt erste Studien über die Folgen des Einsatzes in Lackierereien. Anna von Mikecz:
    "Die Studien dazu sind zugegebenermaßen sehr rar, aber es gibt zum Beispiel eine pathologische Untersuchung aus China, die wurde durchgeführt mit Arbeiterinnen, die erkrankt sind, die auch tödlich erkrankt sind und da wurden post mortem Lungenschnitte gemacht und in diesen Lungenschnitten hat man in der Tat Silikapartikel gefunden, die im Elektronenmikroskop genau so aussehen wie die, die viel im Labor benutzt werden. Insofern ist das eigentlich der erste Hinweis darauf, dass das auch für den Menschen eine Rolle spielen kann, diese Art Partikel, die auch im Labor benutzt werden."
    Die Düsseldorfer Forscher wollen nun den Fadenwurm als eine Art Nano-Modellorganismus etablieren. Er soll helfen, die in vielen Punkten noch unbekannte Wirkung von Nanopartikeln auf Organismen endlich besser zu verstehen.