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Nanotechnologie
Schrumpfkur dank Windel-Gewebe

Elektronik, Optik oder Mechanik: Die Bauteile der dort verwendeten Geräte werden immer kleiner. Bisher war deren Produktion sehr aufwendig. US-Forscher haben nun aber eine verblüffend einfache Methode entwickelt und dabei auf einen Stoff zurückgegriffen, den man sonst in Babywindeln findet.

Von Frank Grotelüschen | 14.12.2018
    Ein Baby trägt eine Windel.
    Die Chemikalie Polymer wird für Babywindeln verwendet - nun ein Grundstoff für weiterreichende Forschung (imago / Westend61)
    An sich befasst sich Ed Boydon, Neurowissenschaftler am MIT in Boston, mit der Erforschung des Gehirns. So hatte sein Team vor drei Jahren eine neue Methode der Bildgebung erfunden - das Expansions-Mikroskop.
    "Dabei spritzen wir eine Chemikalie in eine Gewebeprobe. Diese Chemikalie besteht aus einem Polymer, das man auch für Babywindeln nimmt. Dann geben wir Wasser hinzu, das Polymer quillt auf und mit ihm das Hirngewebe. Durch diese Vergrößerung können wir dann die Details im Gewebe viel besser erkennen."
    Was aufquillt, kann auch schrumpfen
    Dann kam den Forschern eine Idee: Warum den Spieß nicht einfach umdrehen, dachten sie sich. Denn was aufquillt, kann ja auch wieder schrumpfen. Und das könnte eine neue Methode für die Herstellung winzigster Nanostrukturen abgeben. Die Fachleute machten sich an die Arbeit, und heraus kam ein Rezept in vier Schritten.
    Schritt eins: Man nehme etwas Windel-Polymer, gebe Wasser hinzu und lasse es gehörig quellen.
    Schritt zwei: Man ziele mit dem Laser auf bestimmte Stellen im Polymer. Dadurch kreiert man kleine Anker, an denen andere Stoffe andocken können, Metalle etwa.
    Schritt drei: Man spüle das Polymer mit einer metallhaltigen Lösung. Dadurch bleiben winzige Metallteilchen an den Ankern hängen.
    Und Schritt vier: Man dehydriere das Ganze mit einer Säure, sodass es wieder schrumpft, und zwar auf ein Tausendstel seines Volumens. Durch diese Schrumpfkur verbinden sich die Metallteilchen zu der gewünschten Nanostruktur, die dann als Spezialoptik nützlich sein könnte, etwa als winzige Kameralinse für das Smartphone der Zukunft. "Implosion Fabrication", Implosions-Herstellung - so nennt Ed Boydon seine Methode, die ihn vom Neurowissenschaftler zum Nanotechnologen macht. Doch was ist der Vorteil gegenüber den etablierten Verfahren?
    "Die Lithografie-Techniken, mit denen man heute Computerchips fertigt, taugen vor allem zur Produktion von 2-D-Strukturen. Anders als mit unserem Verfahren lassen sich dreidimensionale Gebilde damit nur schwer herstellen. Und mit speziellen 3-D-Druckern lassen sich zwar dreidimensionale Nanostrukturen produzieren. Aber das klappt nur mit bestimmten Materialien. Und beliebige Formen lassen sich damit auch nicht realisieren. Und genau das können wir."
    Einen alten Forschungstraum erfüllen
    Doch bevor sich die Windel-Methode routinemäßig einsetzen lässt, braucht es noch machen Verbesserung, sagt Ed Boydon. Bislang nämlich funktioniert sie vor allem mit Metallen - für winzige Metallbauteile mit Potenzial für die Nanooptik. Damit aber will sich Boydon nicht zufriedengeben.
    "Wir würden das Verfahren gern auch auf andere Materialien anwenden, etwa auf Halbleiter. Und wenn das funktioniert, könnten man Computerchips in Zukunft vielleicht deutlich günstiger herstellen als heute."
    Und vielleicht, so spekulieren die Fachleute, könnte ihre Schrumpftechnik eines Tages dazu taugen, einen alten Traum der Nanoforschung wahr werden zu lassen - winzige Roboter, die sich in den Körper injizieren lassen und dort Jagd auf Keime und Tumorzellen machen.