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Naomi Klein
Rezepte für den Widerstand gegen Trump

Donald Trump sei eine logische Konsequenz aus den üblen Trends der vergangenen 50 Jahre, meint Naomi Klein. Die Journalistin erläutert in ihrem Buch "Gegen Trump", warum der Unternehmer US-Präsident werden konnte und wie man dessen eigene Strategien gegen ihn anwenden kann. Eine Kampfschrift für ein gerechteres System.

Von Catrin Stövesand | 10.07.2017
    Präsident Trump wendet sich von der Kamera ab und geht Richtung Oval Office, rechts die US-Fahne.
    Was, wenn das Profit mehrende Image der Marke Trump nicht mehr funktioniert? (imago/ZUMA Press)
    Naomi Klein hat eine Agenda - wie immer, wenn sie schreibt. Und, das macht den Reiz ihrer Bücher aus, sie ist sicher auf dem Terrain, über das sie schreibt. Sie hat umfassend recherchiert, sie analysiert und schlussfolgert.
    Die Journalistin formuliert klar und direkt, die Aktivistin in ihr argumentiert stark und leidenschaftlich, was hier zu Zustimmung und dort zu Widerspruch animiert. Naomi Klein schreibt Bücher, die Debatten anstoßen, die Diskurse vorantreiben.
    In ihrem aktuellen Buch mit dem deutschen Titel "Gegen Trump" fordert sie einen Systemwandel, der in der Ära Donald Trump dringender sei als je zuvor. Naomi Klein schreibt seit Jahren gegen Ungleichheit, neoliberale Marktmechanismen und Konsumwahn an. Die neue US-Regierung ist daher verständlicherweise ein rotes Tuch für die Autorin, sie gebärde sich als "unverblümte Kleptokratie", den Regierungswechsel bezeichnet Klein als "Putsch der Konzerne".
    Die Marke Trump und ihre Schwächen
    Trumps Politik bietet Anschauungsmaterial für gleich zwei Themen ihrer vorherigen Bücher. Die Marke Trump, die sich im Amt noch besser verkaufen will und die Schockstrategie, mit der der US-Präsident und sein Kabinett agieren. Gegen beides gilt es für die Autorin anzugehen. Die Rezepte liefert sie.
    Zu Thema eins: Klein hat über das Phänomen der großen Marken publiziert, über die Taktik, kein Produkt, sondern ein hohles Label zu verkaufen. Ihr Buch "No Logo" war ein internationaler Bestseller. Donald Trumps Markenkern bestehe darin, der Boss zu sein, der reiche Kerl, der tun und lassen kann, was er will:
    "Die Wahrheit […] ist, dass die Marke Trump für Reichtum an sich steht, oder um es derber auszudrucken, für Geld. Aus diesem Grund sehen wir hier eine Ästhetik zwischen Denver-Clan und Sonnenkönig. […] Das hohe Amt ist nichts anderes, als die krönende Verbreiterung seiner Markenbasis."
    Weshalb seine Einnahmen stiegen, schreibt Klein. Was aber, wenn das Profit mehrende Image nicht mehr funktioniert? Wenn man jede Gelegenheit nutzt, um den vermeintlichen Ober-Boss als Marionette verschiedener Interessen oder Akteure zu entlarven, oder massenhaften Boykott von Trump-Produkten initiiert.
    Beides passiert bereits, Klein nennt im Buch die gleichen Beispiele wie bereits in ihrem Video-Aufruf auf der Plattform "The Intercept". Der US-Präsident halte sich an keine Regel, das könne man nutzen:
    "Der einzige Grund, warum wir von Politikern erwarten, dass sie sich von ihren kommerziellen Unternehmen trennen, ist die Gefahr von Interessenkonflikten und Einflussnahme. Trump hat sich entschieden, sich nicht von seinem Unternehmen zu trennen. Also lasst uns das nutzen, um Einfluss auf ihn auszuüben und ihn in Interessenkonflikte zu bringen. Das ist seine Achillesferse."
    Die Schockstrategie als Einfallstor
    Einen großen Teil ihres Buches verwendet Naomi Klein darauf, Szenarien aufzuzeigen, auf die die US-Regierung zuzusteuern drohe. Das Sozialwesen aushöhlen, fossile Brennstoffe massiv fördern und verbrauchen, Rassismus verstärken, Überwachung ausbauen, der Polizei freie Hand lassen, Wirtschaftskrisen hervorrufen, Kriege beginnen. Die Methode, die sie Donald Trump und seiner Administration zuschreibt, lautet Schockstrategie.
    Das ist oben genanntes Thema zwei, auch darüber hat Klein bereits publiziert. Schockstrategie bedeutet, dass Politik oder Wirtschaft Krisen oder Konflikte nutzen, um etwas durchzusetzen, was unter normalen Umständen Widerstand hervorrufen würde. Ein kollektiver Schock, wie etwa nach den Anschlägen vom 11. September 2001, unterdrücke Protest. Aber auch die Rhetorik und der Dekret-Stil Trumps könnten diese Wirkung haben.
    Naomi Klein verordnet der US-amerikanischen Gesellschaft eine Schockresistenz. Wenn sie die Mechanismen verstehe, lähmten Schocks künftig nicht mehr und man könne sich diesen Taktiken widersetzen.
    Widerstand und utopische Kreativität
    Aber Widerstand alleine reiche nicht aus. Er verpuffe rasch, wie die Proteste gegen Populismus auch in Europa gezeigt hätten. "No ist not enough" lautet der Titel der Original-Ausgabe, "Nein ist nicht genug":
    "Das entschiedene Nein muss von einem mutigen und vorausblickenden Ja begleitet werden, einem Plan für die Zukunft, der so glaubwürdig und bestechend ist, dass sehr viele Menschen für seine Realisierung kämpfen werden, ganz gleich, welche Schock-Strategien und Panikmache die Gegenseite aufbietet. […] Wir können uns nur retten, wenn wir uns in einem Maße zusammenschließen wie nie zuvor."
    Schocks könnten auch dafür sorgen, dass Gesellschaften in Krisen zusammenfinden. Das sei in ihrer zweiten Heimat Kanada geschehen - Klein besitzt die US-amerikanische und die kanadische Staatsbürgerschaft. Dort haben sich progressive Kräfte im Wahlkampf 2015 zusammengeschlossen, um einen gemeinsamen Zukunftsentwurf zu formulieren. Klein war daran beteiligt:
    "Statt eine Rangordnung der Themen aufzustellen, gingen wir von der Prämisse aus, dass wir in einer Zeit mehrfacher, sich überschneidender Krisen leben, und weil alle dringend sind, können wir es uns nicht leisten, sie nacheinander zu beheben. Was wir brauchen, sind integrierte Lösungen, konkrete Ideen, wie wir die Emissionen radikal senken und gleichzeitig sehr viele gewerkschaftlich geschützte Arbeitsplätze schaffen können - während jenen, die unter dem herrschenden Wirtschaftssystem misshandelt und ausgeschlossen wurden, echte Gerechtigkeit zuteil wird."
    Die Autorin und Aktivistin Naomi Klein auf der Lit.Cologne
    Die Autorin und Aktivistin Naomi Klein (imago / Horst Galuschka)
    Nicht weniger als eine heile Welt also, aber offenbar eine attraktive Vision. Denn das daraus entstandene Manifest, das Leap-Manifest, hat in Kanada etliche Unterstützer gefunden, einiges bei den etablierten Parteien bewegt und wurde international als Beispiel für ähnliche Initiativen genommen. Leap bedeutet Sprung, einen großen Sprung nach vorn wollten die Unterzeichner.
    Einige Ideen wurden umgesetzt. Die große Idee von einer gerechteren Gesellschaft wartet noch darauf. Aber Naomi Klein fordert gerade die Utopie. Man könne nichts ändern, wenn die Vorstellung nicht über das Bekannte hinausgehe.
    Status-quo-Politiker können die Wende nicht einleiten
    Eine gerechtere Gesellschaft hält sie für möglich. Aber Wahlpolitik spiegle die drängenden Bedürfnisse der meisten Menschen nicht wider:
    "Die wichtigste Lektion aus dem Brexit und Trumps Wahlsieg ist, dass Anführer, die als Vertreter des missglückten neoliberalen Status quo gelten, es mit Demagogen und Neofaschisten nicht aufnehmen können. Nur eine mutige progressive Agenda, die echte Umverteilung vorsieht, kann überzeugende Antworten auf Ungleichheit und die Krisen der Demokratie bieten. […] In dieser Ära der Destabilisierung sind Status-quo-Politiker ihrer Aufgabe oft nicht gewachsen."
    Einen Lichtblick bot der Autorin Bernie Sanders, den sie im Vorwahlkampf um die US-Präsidentschaft in seinen Ideen für mehr Gerechtigkeit unterstützte.
    Wenn Aktivisten schreiben, kann das Lesen anstrengend sein. Der Tatendrang, der die Autorin antreibt, bestimmt auch ihren Text. Das bewegt, ermüdet aber auch durch die Redundanzen. Packend ist Naomi Kleins Optimismus und Pragmatismus, ihr Glaube an Gemeinsinn. Ja, auch Naomi Klein hat sich als Marke etabliert, aber sie ist nicht hohl, sie hat Substanz - ihr Buch ebenso.
    Naomi Klein: "Gegen Trump. Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen"
    S.Fischer Verlag, 368 Seiten, 22 Euro.