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Nariman Reinke
Muslimische Soldatin kämpft gegen Rassismus

Nariman Reinke ist Frau und Muslima in der Bundeswehr. Nach den Kölner Silvestervorfällen wurde die 36-jährige zu einer der bekanntesten deutschen Soldaten. Und zwar mit Klartext gegen gewalttätige Männer genauso wie gegen Rassisten.

29.01.2016
    Die Soldatin Nariman Reinke, die mit einem Facebook-Post zu den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht für Aufsehen sorgte.
    Die Soldatin Nariman Reinke, die mit einem Facebook-Post zu den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht für Aufsehen sorgte. (dpa/picture alliance/Holger Hollemann)
    Die Soldatin wurde nach dem Gewaltexzess von Köln mehr als einmal von Bekannten angesprochen. Sie wurde zum Ziel schlechter Witze oder als Migrantin in Mithaftung genommen. Das wurde ihr bald zuviel: es war ein Aufschrei, den Nariman Reinke dann auf der Facebook-Seite des Verbands "Deutscher.Soldat" veröffentlichte:
    "Ich bin deutsch und Muslima. Meine Eltern kommen aus Marokko. Wenn ich höre, dass manche der Verbrecher von Köln aus Marokko kommen sollen, wird mir schlecht. Dafür gibt es weder eine marokko- noch islamspezifische Entschuldigung oder Erklärung. Vergewaltigung ist auch in Marokko strafbar und die Entehrung einer Frau ist für Muslime eine sehr schwerwiegende und schlimme Tat. (...) Hier nochmal für alle: Nein, ich kann es trotz meines Migrationshintergrundes und meiner Religion nicht nachvollziehen, wenn Frauen vergewaltigt werden – egal von wem. Die Annahme, dass ich es könnte, ist ein Abgrund menschlicher Dummheit."
    Zugleich stellt sich Nariman Reinke in dem Text, der auch auf Arabisch weit verbreitet wurde, klar hinter den Kurs des "Wir schaffen das!" von Bundeskanzlerin Merkel.
    "Die Entscheidung Flüchtlinge aufzunehmen bleibt auch richtig – trotz Köln. Denn die Ereignisse der Silvesternacht haben nichts mit unseren eigenen Werten und unseren Ansprüchen an uns selbst zu tun. Entweder wir sind der Meinung, dass der Schutz von Verfolgten richtig ist oder wir sind es nicht. Alles hinzuschmeißen, weil ein Tausendstel der Flüchtlinge kriminell geworden ist, würde unser Wertesystem als Heuchelei entlarven. Man kann nicht der Vorsitzende vom Vegetarierbund sein, aber zur nächsten Schnitzelbude flüchten, wenn man eine angeschimmelte Gurke im Kühlschrank hat."
    Die Muslima in Diensten der Bundeswehr verweist auf das Beispiel ihrer Familie:
    "Meine Eltern sind vor 52 Jahren aus Marokko nach Deutschland gekommen. Die Konsequenz waren nicht Vergewaltigungen und Straftaten, sondern sechs neue deutsche Kinder."
    Viel Zuspruch, aber auch Kritik

    Im Netz bekommt sie viel Zuspruch, aber auch einiges an Kritik. Die reicht von dem Vorwurf, sie beschönige die Lage von Frauen in der arabischen Welt bis zu der Vermutung, sie lasse sich als Beschäftigte der Bundeswehr als Propagandistin des Arbeitgebers Bundesregierung einspannen.
    Nariman Reinke ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Deutscher.Soldat e.V.", auf dessen Facebook-Seite sie ihren Appell veröffentlicht hat. Der Verein wurde von Offiziersanwärtern aus Migrantenfamilien gegründet. Sein Ziel: Vielfalt soll als Normalität und Bereicherung wahrgenommen werden, auch in Uniform. "Deutscher.Soldat e.V." erklärt es in seinen Grundsätzen so:
    "Unsere Vision ist ein Deutschland des Miteinanders, in dem gemeinsame Werte schwerer wiegen als sichtbare Unterschiede. Eine Nation, in der derjenige als Deutscher gilt, der sich als solcher fühlt und wahrgenommen werden will. Wir streben nach einer deutschen Gesellschaft in der die Leistungsbereitschaft einen höheren Stellenwert hat als die Abstammung. Deren Mitglieder, von diesem Willen beseelt, Vielfalt als Normalität und Chance ansehen und sich unabhängig von ihrer Herkunft in Freiheit entfalten und einbringen können."
    Zweimal war Nariman Reinke als Übersetzerin in Afghanistan im Einsatz. Das Land, aus dem jetzt viele Flüchtlinge kommen, kennt sie gut.
    Nariman Reinke im Deutschlandfunk
    Derzeit dient sie im "Bataillon Elektronische Kampfführung", das im rheinland-pfälzischen Daun stationiert ist. Für den Deutschlandfunk ist Rolf Clement in die Eifel gefahren, um die 36-Jährige zu interviewen. Die beiden trafen sich in einem Café, in der Kaserne konnte das Gespräch nicht stattfinden, das Sie hier nachhören können.
    Uns sagt Nariman Reinke, schon ihre marokkanische Familie habe eine sehr pro-militärische Einstellung gehabt. Dennoch habe ihr Vater nicht geglaubt, dass sie mehr als drei Wochen bei der Bundeswehr aushalten würde. Das war 2005.
    Sprachkenntnisse und interkultureller Hintergrund helfen der Bundeswehr
    Die 36-Jährige glaubt, dass sie unter anderem mit ihren Sprachkenntnissen und den interkulturellen Erfahrungen eine Bereicherung für die Truppe sei. Die Bundeswehr erlebt sie als Organisation, bei der Herkunft oder Religion keine Rolle spielen. Es gehe lediglich um den Dienst an der einen Nation, sagt sie dem Deutschlandfunk.
    Rolf Clement: bald auch Imam als Militärseelsorger
    Unser Sicherheitsexperte Rolf Clement weiß zu berichten, dass in der Bundeswehr inzwischen mehr als 1.500 Soldaten mit islamischen Hintergrund arbeiten. Daher gebe es auch Überlegungen, bald schon einen Imam als Militärseelsorger einzustellen.