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NASA-Outsourcing
Ein Habitat für Astronauten

Gleich sechs Unternehmen haben sich für die Ausschreibung der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA qualifiziert. Sie sollen Habitate für künftige Langzeitmissionen durchs All entwickeln: Wohnmodule, in denen die Astronauten während ihrer mehrmonatigen Reise leben, forschen und trainieren können.

Von Guido Meyer | 15.09.2016
    Ein Bild der Nasa zeigt die Raumstation ISS über der Erde.
    Die Raumstation ISS über der Erde. (picture alliance / dpa / Paolo Nespoli / NASA)
    Orion ist die neue Mannschaftskapsel, die amerikanische Astronauten im kommenden Jahrzehnt ins All schießen soll und zwar auf der Spitze der genauso neuen Riesenrakete SLS, dem Space Launch System. An beidem wird derzeit fieberhaft gearbeitet. Aber für Langzeitreisen, auf dem Weg zum Mond oder zum Mars, reicht das noch nicht. Ein Element dieser Weltraumarchitektur fehlt noch: ein Habitat für die Astronauten.
    "Warum ein Habitat? Weil wir unser Laufband irgendwo aufstellen müssen! Die Astronauten müssen trainieren. Wir lassen unsere Leute nicht länger als einen Monat durchs All reisen, ohne dass sie ein Laufband dabei haben."
    Die Orion Kegelförmige Orion Manschaftskapsel wird bei einem Test in ein großes Wasserbecken geworfen.
    Die Orion Manschaftskapsel bei einem Belastungstest (David C. Bowman NASA, Langley)
    James Engle ist der Chef-System-Architekt der Boeing Company im texanischen Houston, eine der sechs Firmen, die sich derzeit bei der US-Raumfahrtbehörde NASA um den Bau solch eines Habitats bewerben. In ihm sollen die Astronauten zu ihren weiter entfernten Zielen jenseits der Erdumlaufbahn reisen. Regelmäßiges Training auf dem Laufband soll den Muskel- und Knochenabbau bremsen. Dennoch werden solche Wohnmodule nicht nur der körperlichen Ertüchtigung dienen, ergänzt David Smitherman aus dem Büro für fortgeschrittene Konzepte beim Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville, Alabama.
    "Ein ständig bemannter Außenposten in den Tiefen des Alls"
    "Wir wollen einen ständig bemannten Außenposten im Weltraum errichten, so wie die Internationale Raumstation ein ständig bemannter Außenposten in niedriger Erdumlaufbahn ist. So etwas hätten wir gerne in den Tiefen des Alls: Auf dem Mond und eines Tages auf dem Mars. Dafür brauchen die Astronauten Platz, um zu leben und zu arbeiten, genauso wie hier auf der Erde."
    Für den Bau und den erfolgreichen Betrieb eines solchen Habitats hat die NASA einige Anforderungen gestellt: Jedes Modul braucht ein eigenes Lebenserhaltungssystem. Seine Wände müssen gegen die kosmische Strahlung schützen. Und es muss Dockingvorrichtungen geben zum An- und Ausbau.
    Das Bigelow Modul hängt in einer Computersimulation wie ein großer Luftballon an der ISS.
    Das Bigelow Modul wird im All aufgeblasen. Sonst sind sich alle Entwürfe alle recht ähnlich. (Bigelow Aerospace)
    Neben Boeing ist auch Orbital ATK eine der sechs Firmen, die der NASA gerne ihre Version eines bemannten Weltraumhabitats verkaufen möchten. Bislang versorgen ihre unbemannten Cygnus-Transporter die ISS mit Nutzlasten, Proviant und sonstigem Nachschub. Chad Davis aus der Space Systems Group von Orbital ATK in Houston:
    "Der Unterschied zwischen unseren Cygnus-Containern und den Modulen der Internationalen Raumstation ist fast null. Die ISS ist jetzt seit mehr als 15 Jahren bemannt. Da ist es nicht zu weit hergeholt, sich einen weiterentwickelten Cygnus-Container als bewohnbares Habitat in den Tiefen des Alls vorzustellen. Mit jedem Start einer SLS-Rakete könnten wir ein neues Habitat ins All schicken, so dass die Grundstruktur ständig wachsen würde und mit der Zeit immer mehr Wohnraum zur Verfügung stünde.
    Sechs Firmen entwickeln derzeit ein Habitat-Modell
    Diese Modularbauweise verfolgen auch die übrigen vier Konkurrenten: Sierra Nevada, Lockheed Martin, NanoRacks und Bigelow Aerospace. Sie alle schlagen im Prinzip das Gleiche vor: Tonnenförmige Habitate, die in der Tat den Laboren der ISS ähneln. Mehrere von ihnen aneinander gedockt sehen aus wie eine kleine Raumstation. Einziger Unterschied bei Bigelow ist, dass dessen Elemente aufblasbar wären und daher weniger Startmasse vereinnahmen.
    Ansonsten unterscheiden sich die Entwürfe nur in ihren Ausmaßen und der Inneneinrichtung. Derzeit entwickeln alle sechs Firmen ein Modell ihres Habitats auf dem Boden. Die wird sich die NASA ansehen und 2018 entscheiden, welche der sechs Firmen den Zuschlag für die nächste Runde erhält. Dann geht es darum, einen weltraumtauglichen Prototypen zu entwickeln. Er soll an einen freien Andockstutzen der ISS docken und dort für längere Zeit getestet werden. Dazu ist bis mindestens 2024, denn solange wird die Station auf jeden Fall noch die Erde umkreisen.