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Nassauer: Bundeswehr hat auf Drohnen große Hoffnungen gesetzt

Angesichts des gescheiterten Euro-Hawk-Projektes müsse die Bundeswehr möglicherweise lange Zeit ohne Drohnen auskommen, sagt Otfried Nassauer, Direktor des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit. Spätestens 2011 hätte klar sein müssen, dass die Zulassung problematisch werde.

Otfried Nassauer im Gespräch mit Silvia Engels | 16.05.2013
    Bettina Klein: Nach dem Scheitern des Drohnenprojektes Euro Hawk wirft die Opposition der Regierung vor, die massiven Probleme bei der Zulassung des Systems für die Bundeswehr fast zwei Jahre lang vertuscht zu haben. Die Regierung habe Parlament und Öffentlichkeit getäuscht, seit sie Ende 2011 von den Schwierigkeiten des Milliardenvorhabens erfahren habe, so kritisierte gestern der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold nach einer Sitzung des zuständigen Ausschusses in Berlin. Der Grüne Omid Nouripour argwöhnte gar, die Regierung habe das Problem offenbar bis nach der Bundestagswahl verheimlichen wollen. Eine dreistellige Millionensumme ist jedenfalls nun offenbar in den Sand gesetzt. – Meine Kollegin Silvia Engels sprach gestern Abend mit Otfried Nassauer darüber, er ist Direktor am Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit und fragte, ob er verstanden habe, weshalb dieses Rüstungsprojekt so lange in die falsche Richtung lief, ohne dass es jemandem auffiel.

    Otfried Nassauer: Noch nicht ganz. Es gibt noch eine Reihe von offenen Fragen, die deutlich machen werden, wann eigentlich das spätestens klar gewesen sein musste. Anfang der 2000er-Jahre, als dieses Projekt auf die Schiene gesetzt wurde, und in der Zeit bis 2007 ging man wohl offensichtlich davon aus, dass die Zulassungsprobleme für solche Drohnen bis heute geregelt sein würden, und das muss seit 2011 infrage stehen, und zwar am Beispiel des verzögerten Überführungsfluges der ersten Euro Hawk nach Manching muss man gemerkt haben, dass da ein Riesenproblem besteht und die Durchfluggenehmigungen deswegen nur ganz, ganz schwer zu kriegen waren und Umwege geflogen werden mussten und Ähnliches. Was das für eine Tragweite hat, ist allerdings wirklich zum Teil nur jetzt sichtbar. Zum einen ist wirklich nicht klar, wie viel Geld in den Sand gesetzt worden ist. Zum anderen ist ja auch Geld für die Infrastruktur investiert worden, die nun auch überflüssig ist. Also wir werden abwarten müssen, was da noch nachkommt, und ich glaube, da gibt es noch ein zweites Problem. Dieses zweite Problem besteht dann darin, dass auch die NATO mit dieser "Global Hack" plant und die Bundeswehr da auch wieder einen Kostenbeitrag zugesagt hat, der noch mal in der Größenordnung von 500 Millionen liegen könnte.

    Silvia Engels: Trauen Sie sich denn eine Schätzung zu, wie groß am Ende die Gesamtsumme des Schadens ist?

    Nassauer: Nun gut, ich schätze, dass es im dreistelligen Millionenbereich bleibt und dass man natürlich sagen kann, okay, wenn ich die gleiche Elektronik an Bord eines Flugzeuges einsetze, dann ist das nicht verschwendet. Die Frage ist, ob man an Bord des Flugzeuges nicht eine wesentlich leistungsfähigere und schwerere Elektronik hätte unterbringen können, wenn man gleich mit einem Flugzeug geplant hätte.

    Engels: Die Opposition wirft der Regierung Täuschung vor, die Regierung verweist darauf, dass das Projekt schon zu rot-grünen Amtszeiten angeschoben wurde. Sie haben gerade noch mal erwähnt, spätestens 2011 hätte klar sein müssen, dass die Flugzulassung eine problematische Sache wird. Ist es also doch ein Projekt, das mit der jetzigen Bundesregierung nach Hause geht, was die Schuldfrage angeht?

    Nassauer: Ich will mich da nicht hundertprozentig festlegen, aber ich habe den Verdacht, dass im Verteidigungsministerium auf der Mitarbeiterebene nicht früh genug über die entscheidenden Fragen nachgedacht worden ist. Ich meine, wenn man in einem so dicht besiedelten oder beflogenen Luftraum wie über Europa mit unbemannten Fluggeräten, also Drohnen operieren will, dann muss man sich doch Fragen über die Zulassung machen, und ich denke, dass das nicht nur dieses Projekt "Global Hawk" betreffen wird, oder Euro Hawk betreffen wird, sondern auch das NATO-Projekt AGS und die noch in der Planung befindlichen unbewaffneten Drohnen, möglicherweise auch die kleineren Aufklärungsdrohnen, die die Bundeswehr heute zum Beispiel in Afghanistan bewegt.

    Engels: Was sind das für Projekte und in welchem Umfang sind da auch Millionenkosten zu erwarten?

    Nassauer: Die Projekte, die jetzt noch ausstehen, die noch nicht anfinanziert sind, die kann man im Prinzip in drei Projekte zusammenfassen: auf der einen Seite das Vorhaben Saitek, das ist, aus mittleren Höhen abbildende, also fotografierende Aufklärung in einem Einsatzgebiet zu machen. Das ist das Vorhaben, wo im Moment diskutiert wird, ob man diese Drohnen auch bewaffnen soll. Das Zweite ist der NATO-Anteil Deutschlands plus die NATO-Beistellung der Bundesrepublik für das Alliance Ground Surveillance Programm, das ist auch ein praktisch luftgestütztes Frühwarnsystem für Territorium, wo ebenfalls Global-Hawk-Drohnen die Basis darstellen sollen, in die dann eine Missionselektronik integriert wird. Und schließlich und endlich betrifft das natürlich auch dann die Frage, wenn in Zukunft über Kampfdrohnen, die in Europa entwickelt werden sollen, zu reden sein wird. Möglicherweise werden die alle dieselben Zulassungsprobleme haben. Die Global Hawk beziehungsweise Euro Hawk hat allerdings noch ein Sonderproblem, nämlich dass sie quasi eine Blackbox amerikanischer Technologie enthält, also amerikanische Technologie, wo die Amerikaner nicht sagen wollen, wie es funktioniert und deswegen den Zulassungsbehörden halt diese Informationen auch vorenthalten und die Zulassungsbehörden sagen, dann können wir das nicht gesichert in den zivilen Luftraum integrieren.

    Engels: Sie sagen nun, dass möglicherweise mehrere weitere Projekte bedroht sind, dass da keine Zulassungen möglicherweise erteilt werden. Wenn wir mal von den Kostenschäden, die da noch auf die Bundesregierung und dementsprechend den Steuerzahler zukommen können, absehen, wie groß ist denn der operative Schaden für die Bundeswehr, weil man dann über diverse Aufklärungsinstrumente auf absehbare Zeit nicht verfügen kann?

    Nassauer: Das genau ist die spannende Frage. Die Bundeswehr hat auf Drohnen im Aufklärungsbereich viel Hoffnung gesetzt und wird möglicherweise auf lange Zeit noch ohne Drohnen auskommen müssen, und die fliegenden Systeme, die die Bundeswehr hat, die altern. Die Aufklärungstornados altern. Das heißt mit anderen Worten: Der Bundeswehr werden sowohl die Mittel für die sogenannte Signals Intelligence, also die elektronische Aufklärung, als auch zum Teil die Mittel für die abbildende, also fotografierende Aufklärung möglicherweise fehlen, wenn keine Ersatzsysteme, weil Flugzeug auch nicht billig, beschafft werden.

    Klein: …, sagt Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit zu den Folgen des gescheiterten Drohnenprojektes.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.