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Nasser übernahm vor 50 Jahren die Macht in Ägypten

Ägypten war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von immensen Gegensätzen geprägt. Abhängig von der britischen Kolonialmacht lebte eine winzige Oberschicht um den König Faruk in verschwenderischem Reichtum, während insbesondere die Landbevölkerung in Armut und Krankheit dahinvegetierte. Die Einnahmen aus dem Suez-Kanal flossen vollständig ins Ausland ab, was den Unmut der Ägypter schürte.

Von Karl F. Gründler | 14.11.2004
    Oberst Gamal Abdel Nasser, Sohn eines Postbeamten, als Schüler bereits gegen die Briten aktiv, hat sich als fähiger Offizier ausgezeichnet. Jahrelang arbeitet er auf den Sturz des korrupten Regimes hin. Das von ihm gegründete "Komitee freier Offiziere" besetzt am 23. Juli 1952 das Armeehauptquartier sowie Flughafen und Radiosender, ohne auf Gegenwehr zu stoßen.

    Die Putschisten aber haben ein Problem. Sie sind jung, durchweg erst Mitte dreißig und benötigen im patriarchalisch geprägten Ägypten einen älteren Offizier als Kopf der Bewegung. So wird der joviale und beliebte Infanteriegeneral Mohammed Nagib zum Staats- und Ministerpräsidenten ernannt. Die Ziele der Revolution erläutert General Nagib auch den Deutschen in einem Radiointerview.

    1. die Agrarreform und Landgewinnung
    2. die Produktionserhöhung auf allen Gebieten
    3. die Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung und schließlich die Vergrößerung der Industrie des Landes.


    Mohammed Nagib wurde durch sein bescheidenes, freundliches Auftreten im Volk sehr beliebt. Gern mischte er sich auf der Straße in diskutierende Gruppen mit der Standardformel:

    Ich bin Nagib, was habt ihr auf dem Herzen

    Auch das Ausland feierte den freundlichen General. Angesichts seines Erfolges wollte er nun nicht länger die Galionsfigur für die jüngeren Offiziere abgeben. Im alles entscheidenden Revolutionsrat forderte er ein Vetorecht für sich ein - allerdings vergeblich.

    Im Februar 1954 bewirkt sein Gegenspieler Nasser im Revolutionsrat die Absetzung Nagibs aus allen seinen Ämtern und spaltet damit die Armee. Die Kavallerie, zu der in Ägypten auch die Panzer gehören, umstellt das Armee-Hauptquartier und fordert Nagibs Wiedereinsetzung. Nach zähen Verhandlungen bleibt er Staatspräsident, während Nasser zum Ministerpräsidenten aufsteigt.

    Der nutzt die folgenden Monate, um sich in der Öffentlichkeit als neuer, starker Mann zu präsentieren. Die Regierung erreicht in diesem Herbst durch Verhandlungen einen Rückzug der britischen Truppen aus der Kanalzone. Aus diesem Anlass redet Nasser am 26. Oktober 1954 vor Hunderttausenden in Alexandria. Er spricht vom Fest des Ruhmes und der Ehre, als ein Attentat auf ihn verübt wird.

    Ein Attentäter gibt acht Schüsse auf Nasser ab und verfehlt ihn. Nach einigen Sekunden der Verwirrung ruft dieser der Menge zu.

    Hier steht Gamal Abdel Nasser durch Allahs Hilfe unverletzt. Abdel Nasser gehört euch wie sein Leben Euch gehört!

    Sein mutiges Auftreten machte Gamal Abdel Nasser ungeheuer populär. Nun griff er nach der ganzen Macht. Die Parteien wurden verboten und die Medien zensiert. Am 14. November 1954 setzte er seinen Konkurrenten Nagib ab und stellte ihn unter Hausarrest.

    Nasser selbst steigt in den folgenden Jahren zum beliebtesten und mächtigsten Führer der arabischen Welt auf. Der Suez-Kanal bleibt trotz einer Britisch-Französisch-Israelischen Intervention unter ägyptischer Kontrolle. Durch seine geschickte Schaukelpolitik zwischen den Machtblöcken erhält der ägyptische Präsident aus Moskau Waffen sowie Unterstützung für den Assuanstaudamm, dem wichtigsten Modernisierungsprojekt der neuen Regierung.

    Nassers Vision der panarabischen Einheit bleibt allerdings Stückwerk. Die Vereinigung Ägyptens mit Jemen und Syrien bricht nach wenigen Jahren wieder auseinander.

    Gamal Abdel Nasser starb mit 52 Jahren im September 1970 nach einem Herzinfarkt. Erst sein Nachfolger Anwar el-Sadat hob den 17 Jahre geltenden Hausarrest von General Mohammed Nagib auf und rehabilitierte den ehemaligen Staatspräsidenten.